Arbeiter in der Fermentierscheune in der Tabakplantage Bavaria Estate in Sumatra.
Arbeiter in der Fermentierscheune in der Tabakplantage Bavaria Estate in Sumatra. Schweizerisches Nationalmuseum

Ein Appenzel­ler in der Fremde

Ein junger Appenzeller wanderte 1874 nach Sumatra aus. 19 Jahre später kehrte er als reicher Mann zurück. Die Geschichte eines Schweizer Kolonialisten.

Schweizerisches Nationalmuseum

Schweizerisches Nationalmuseum

Das meistbesuchte kulturhistorische Museum der Schweiz.

Der mittellose 19-jährige Karl Krüsi wanderte 1874 nach Sumatra aus, um dort auf der Tabakplantage seines Cousins zu arbeiten. Sieben Jahre später konnte er vom Sultan von Deli günstig Land in Nordsumatra kaufen und eine eigene Plantage aufbauen. 1893 verkaufte Krüsi den ganzen Besitz und kehrte mit 38 Jahren als reicher Mann in die Schweiz zurück. Sein Vermögen belief sich auf 17 Millionen Franken, eine damals immense Summe. Das Schweizerische Nationalmuseum konnte 2002 von einem Urenkel von Karl Krüsi sechs Fotoalben, die seine Zeit in Sumatra dokumentieren, übernehmen. Ausserdem liess der ehemalige Plantagenbesitzer 1904 einen Bericht über seine Zeit in Sumatra verfassen. In einem Interview mit einer Enkelin kam zudem zum Vorschein, welche Stellung Krüsi innerhalb der Familie innehatte. Diese drei Quellen bilden die Grundlage für den folgenden Artikel. Karl Krüsi brachte insgesamt 470 Fotografien aus Asien mit. In Zürich stellte er sie zusammen und liess sie von einem Buchbinder zu sechs repräsentativen Alben binden. Die meisten dieser Fotografien waren von einheimischen Profi-Fotografen gemacht worden. Es war damals üblich, Reisebilder zu kaufen, da das Fotografieren im 19. Jahrhundert noch ein kompliziertes Unternehmen war. Einige wenige Bilder gab Krüsi auch selbst in Auftrag.
Porträt von Karl Krüsi (1855 - 1925). Das Bild wurde vor 1898 gemacht.
Porträt von Karl Krüsi (1855 - 1925). Das Bild wurde vor 1898 gemacht. Schweizerisches Nationalmuseum
Die Fotos des Appenzellers zeigen kaum Ausschnitte, sondern bilden Gebäude und Personen immer in ihrer Umgebung ab, was den damaligen Sehgewohnheiten entsprach. Da die Qualität der 20 x 30 Zentimeter grossen Bilder jedoch ausserordentlich hoch ist, sind viele Details sichtbar. Interessanterweise existieren in der ganzen Sammlung kaum Fotografien der unberührten Natur. Es sind nur gerade zwei Bilder des Urwalds vorhanden. Für die Menschen Ende des 19. Jahrhunderts spielte die unberührte Natur – im Gegensatz zu heute – keine grosse Rolle und musste deshalb auch nicht gezeigt werden.
Manager-Haus auf Tanyong Djätti, Langkat, mit Tennisplatz.
Manager-Haus auf Tanyong Djätti, Langkat, mit Tennisplatz. Schweizerisches Nationalmuseum
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Männer zwischen Krüsis Tabakpflanzen.
Männer zwischen Krüsis Tabakpflanzen. Schweizerisches Nationalmuseum
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Landschaft mit junger Tabakplantage, im Distrikt Deli.
Landschaft mit junger Tabakplantage, im Distrikt Deli. Schweizerisches Nationalmuseum
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Im Urwald
Im Urwald Schweizerisches Nationalmuseum
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Gruppe chinesischer Aufseher (Tandils).
Gruppe chinesischer Aufseher (Tandils). Schweizerisches Nationalmuseum
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Villa Sumatra in Zürich, vor 1898. Hier wohnte Krüsi nach seiner Rückkehr in die Schweiz.
Villa Sumatra in Zürich, vor 1898. Hier wohnte Krüsi nach seiner Rückkehr in die Schweiz. Schweizerisches Nationalmuseum
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Ein Stück Schweizer Kolonialgeschichte

Nach seiner Rückkehr in die Schweiz diktierte Karl Krüsi einem Freund einen zehnseitigen Bericht über seine Zeit in Sumatra. Dank dieser Aufzeichnung kann der Aufstieg vom Angestellten zum Plantagenbesitzer genau nachvollzogen werden. Nach sieben Jahren Arbeit auf verschiedenen Plantagen kam der grosse Moment für den Appenzeller Auswanderer: «Da hörte ich, dass der Toenkoe-Sultan Land vergeben wollte, entschloss ich mich, ein kleines Stück davon zu pachten, um auf eigene Rechnung anzufangen.» Laut eigenen Angaben arbeitete Krüsi Tag und Nacht wie ein Lastgaul und erweiterte seine Plantage mit dem erzielten Gewinn stetig: «Ich hatte eine Ernte gemacht, wie sie in Deli ganz unerhört war: [...] 16 Centner Tabak pro Arbeiter und beim Einwägen im Depot in Deli wurden mir $25'000 baar ausbezahlt. Soviel Geld hatte ich noch nie gesehen und wusste Anfangs nicht recht, was damit anfangen. Ich benutzte es jedoch, um im nächsten Jahre die Plantage auf 200 Coolies [Tagelöhner] zu erweitern.» Nach knapp 20 Jahren auf Sumatra verkaufte er seinen ganzen Besitz und kehrt als reicher Mann in die Schweiz zurück. Im 19. Jahrhundert war die Schweiz ein sehr armes Land. Viele junge Schweizer mussten aus wirtschaftlichen Gründen auswandern. Einige wenige wie Karl Krüsi machten in Übersee ein Vermögen und brachten es zurück in die alte Heimat. Dieser Umstand mag den Appenzeller in seinem Glauben bestärkt haben, dass sein Erfolg in Sumatra hauptsächlich auf das eigene Verhalten und Handeln zurückzuführen war. Als Kind seiner Zeit war sich Krüsi der Probleme der Ausbeutung der Natur und der Bevölkerung ebenso wenig bewusst wie des Umstands, dass die von ihm eingestellten Arbeiter mehr oder weniger wie Sklaven behandelt und gehandelt wurden. Gerade die blühende Natur auf Sumatra und die schier unerschöpfliche Zahl an Arbeitern aus Malaysia und China waren Teil von Krüsis Erfolgsgeschichte. Die Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften war nötig, weil die einheimische Bevölkerung zu gering war, um alle Bedürfnisse abzudecken. Es ist ein Glücksfall, dass das Schweizerische Nationalmuseum Karl Krüsis Fotoalben direkt von seinen Nachkommen übernehmen und damit auch viele Zusatzinformationen über sein Umfeld erhalten konnte. Je mehr über den Kontext von Fotografien in Erfahrung gebracht werden kann, desto aussagekräftiger werden sie.

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