Zwischen dem Schlossgut Pfäffikon und der Insel Ufenau, beides landwirtschaftlicher Besitz des Klosters Einsiedeln, liegt ein gutes Stück Zürichsee. Jeden Frühling, hier am 15. April 2016, bringt Pächter Josef Häcki seine Rinder deshalb auf einem Kahn zum Weiden auf die Insel. Im Herbst wiederholt sich der schweizweit einzigartige Tiertransport. Die Kühe bleiben während der zehnminütigen Schifffahrt die Ruhe selbst. Foto: Stephan Rappo

Instinkt und Timing

Die Digitalisierung hat die Pressefotografie verändert. Heute werden pro Tag mehrere hundert Millionen Bilder veröffentlicht. Perfekte Pressebilder sind trotzdem rar geblieben.

Claudia Walder

Claudia Walder

Claudia Walder ist Autorin und Redaktorin, unter anderem für das Schweizer Reisemagazin Transhelvetica und das Magazin des Schweizerischen Nationalmuseums.

Vor 100 Jahren kamen die Zeitungen fast ohne Fotos aus. Ab und zu konnten die Leser eine Zeichnung, einen Kupfer- oder einen Holzstich geniessen. Sonst aber mussten sie sich durch eine Bleiwüste kämpfen. Erst ab den 1920er-Jahren wurde vermehrt auf Fotografien gesetzt. Seither hat sich der Fotojournalismus rasant verändert.

Die heutige Welt ist eine visuelle. Tagtäglich wird der Mensch mit einer riesigen Bilderflut konfrontiert. Und das hat nicht nur mit dem Aufstieg der Pressefotografie seit den 1920er- Jahren zu einer eigenen Berufsgattung zu tun. Die grösste Veränderung fand mit der Digitalisierung in den 1990er-Jahren statt. Die neue Technik beschleunigte die Arbeitsprozesse um ein Vielfaches. Was früher Tage dauerte, konnte nun in Stunden bewältigt werden. Die Verbreitung der Bilder wurde vereinfacht und explodierte nach kurzer Zeit. Auf den diversen digitalen Kanälen werden heute weltweit mehrere hundert Millionen Fotos veröffentlicht. Pro Tag! Natürlich sind das nicht nur Pressebilder, sondern vor allem private Fotos. Doch die Grenzen zwischen diesen beiden Kategorien beginnen sich zu verwischen. Medienhäuser setzen seit ein paar Jahren auch auf die Bilder ihres Publikums. Das kostet weniger und erhöht die Zahl der Fotoreporter um ein Vielfaches.

Skifahren kann man auch auf Gras. Momentaufnahme der Schweizermeisterschaft im Grasski in Marbach (Entlebuch). Die Fahrer rasen auf einem Raupensystem den Hang hinunter. Foto: Karin Hofer

Die Chefredaktoren der Medienhäuser können also auf ein Heer von Augen, Ohren und Handys zählen. Letzteres ist eine weitere Auswirkung der Digitalisierung. Heute produziert jedes Mobiltelefon gestochen scharfe Fotos und übermittelt sie innert Sekundenbruchteilen an Empfänger in Redaktionen, Social-Media-Kanälen und Chats. Wenn irgendwo ein Zug entgleist, tauchen bereits wenige Minuten später Bilder davon auf. Geschwindigkeit ist in Zeiten des Online-Journalismus fast alles. Oft werden «Breaking News» einfach mal ins Netz gestellt, die Bearbeitung des Themas beginnt erst danach, denn in der digitalen Welt kann, anders als in Printprodukten, ständig nachgebessert werden.

Am 18. Juni 2016 stehen sich am Bishops Cup in St. Gallen 30 Teams aus der ganzen Welt im Rugbyspiel gegenüber. Regenfälle machen die Wettkämpfe zu einer nassen und schlammigen Angelegenheit. Nach Abschluss der Gruppenphase sind zwei der drei Spielfelder nicht mehr bespielbar – der Motivation der Spielerinnen und Spieler tut dies jedoch keinen Abbruch. Foto: Urs Bucher

All diese technischen Neuerungen haben das Leben der Pressefotografen nicht einfacher gemacht. Im Gegenteil, die Konkurrenz – zum Beispiel durch die erwähnten «Leserreporter» – ist enorm. Aber trotz Zeitdruck, Handykameras und unzähligen Filtern und Effekten, mit welchen man Fotos veredeln kann, wird lange nicht jedes Bild gut. Denn den Instinkt für den richtigen Moment und das Auge für den passenden Bildausschnitt haben nur wenige. Und das kann man weder durch ein Youtube-Video lernen, noch mittels Autofokus kompensieren. Die herausragendsten Schweizer Pressebilder des letzten Jahres zeigt die Ausstellung Swiss Press Photo 17. Es sind Bilder, die nicht einfach geknipst und hochgeladen wurden, sondern hinter denen mehr steckt. Diese Bilder erzählen Geschichten, fangen Emotionen ein und halten ausserordentliche Momente fest. Es sind Bilder, bei denen der Instinkt und das richtige Auge eine massgebende Rolle gespielt haben. Es sind Bilder, die auch in einem schnelllebigen Zeitalter nicht so schnell vergessen werden.

Diese Flamingos im Berner Tierpark Dählhölzli werden am 17. November 2016 nicht etwa in einem Glashaus eingeschlossen, weil sie frieren, sondern um sie vor der Vogelgrippe zu bewahren. Grund für die Quarantäne sind verstärkte Schutzbestimmungen, wonach bestimmte Vogelarten nicht mit den ansteckenden Exkrementen von Wildvögeln in Berührung kommen sollen. Foto: Anthony Anex

Am 28. September 2016 stürzt auf dem Gotthardpass ein Transporthelikopter der Schweizer Luftwaffe ab, beide Piloten des Super-Puma kommen ums Leben. In weisse Schutzanzüge gehüllte Spezialisten der Aircraft Recovery sammeln am Tag danach die Überreste des zerschellten Hubschraubers ein. Grund für den Unfall war die Kollision mit einer Stromleitung. Foto: Samuel Golay

«Swiss Press Photo 17» im Landesmuseum

Noch bis Sonntag, 2. Juli, sind die besten Schweizer Pressebilder des Jahres 2016 im Landesmuseum zu sehen. Eine internationale Jury hat die besten Fotos des letzten Jahres in sechs Kategorien gekürt. Ein Blick lohnt sich auf jeden Fall.

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