Sicht von der Autobahn A1 auf das Schlachten-Denkmal

Die Autobahn führt über das Schlachtfeld

Ein Denkmal neben der A1 bei Bern erinnert an die Schlacht beim Grauholz. Am 5. März 1798 besiegten die Franzosen dort die Berner und leiteten damit den Untergang der alten Eidgenossenschaft ein.

Alexander Rechsteiner

Alexander Rechsteiner

Alexander Rechsteiner hat Anglistik und Politikwissenschaften studiert und arbeitet bei der Kommunikation des Schweizerischen Nationalmuseums.

Über 100‘000 Fahrzeuge fahren täglich auf der Autobahn A1 über den Hügel vor der Stadt Bern, vorbei an Industrie, Einkaufszentrum und Autobahnraststätte. In einer sanften Kurve überwindet die Strasse die rund 100 Höhenmeter beim Grauholz. Viele der Autofahrerinnen und Autofahrer übersehen wohl die rund 12 Meter hohe Säule, die auf einer kleinen Anhöhe kurz nach der Abzweigung der A5 steht. Sie erinnert an eine Schlacht, die am 5. März 1798 an dieser Wegkreuzung stattgefunden hat. Es war das Entscheidungsgefecht des sogenannten «Franzoseneinfalls» – der Anfang vom Ende der alten Eidgenossenschaft und der Auftakt der Helvetischen Republik.

Lange war die Strasse via Grauholz die einzige Nordverbindung der Stadt Bern. Sie führte über den Hügelzug weiter nach Solothurn im Norden und Zürich im Osten. Kein Wunder, stellten sich die Berner unter General Franz Ludwig von Erlach den von Norden her kommenden Französischen Truppen ausgerechnet hier entgegen.

Das Grauholz-Denkmal an seinem heutigen Standort.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Nach den Turbulenzen der Französischen Revolution gab es auch in der Schweiz Aufstände gegen das alte System der Untertanen, so etwa in Stäfa 1794. Diese wurden aber von der herrschenden Aristokratie unterdrückt. In den Koalitionskriegen versuchten die europäischen Mächte, die Französische Revolution und ihre Auswirkungen einzudämmen. Im Zuge dieser Kriege wurde Ende 1797 Basel durch französische Truppen besetzt, später auch Genf. Ziel der Franzosen war es, die Alpenpässe zu kontrollieren, die Kriegskassen zu füllen und Schweizer Söldner für eigene Zwecke zu rekrutieren. Die Alte Eidgenossenschaft mit ihren 13 Orten war zu einer koordinierten Abwehr nicht in der Lage. Nur die Länderorte der Innerschweiz und Bern setzten sich militärisch zur Wehr. Ebendiese Abwehr der Berner scheiterte am 5. März 1798 dort, wo sich heute die A5 von der A1 trennt.

Die Übermacht der Franzosen war erdrückend. Geschlagen wurden die Berner zuerst weiter nördlich bei Fraubrunnen und schliesslich entscheidend beim Grauholz. Nachdem im Frühling 1798 auch die Innerschweizer den Kampf aufgeben mussten, wurde im August die Unterwerfung der Schweiz formell besiegelt. Verschiedentlich kam es zu Plünderungen, nicht zuletzt in Klöstern, so auch in Einsiedeln. In Bern und Zürich wurden die Staatskassen beschlagnahmt und sogar die Berner Bären wurden als Trophäen nach Paris gebracht.

Gefecht im Grauholz, Radierung, um 1900. Foto: Schweizerisches Nationalmuseum
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Karte des Gefechts im Grauholz, aus «Die letzten Tage des Alten Bern», einer Denkschrift zur Einweihung des Schlachtdenkmals 1886.
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Das Grauholz von oben. Ort der Schlacht war das Areal der heutigen Kaserne rechts der Autobahn. Foto: Swisstopo
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Das Grauholz-Denkmal von Süden her gesehen. Rechts im Hintergrund der Schauplatz des Gefechts von 1798 und ursprünglicher Standort des Denkmals.
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Ein Gedächtnis an den Widerstand hat sich nur in Bern und der Innerschweiz herausgebildet. Dazu gehört das Grauholz-Denkmal, errichtet am 29. August 1886, auf Initiative des Berner Offiziersvereins. Auf dem Sockel prangt die Warnung «Seid einig», in Anlehnung an Werner von Attinghausens letzte warnende Worte an die Eidgenossen in Schillers «Wilhelm Tell». Die Inschrift zeugt von der damals vorherrschenden Idee, der Franzoseneinfall sei nur wegen der Uneinigkeit und inneren Zerstrittenheit der Eidgenossen möglich gewesen.

Das Denkmal im Grauholz ist eines von zahlreichen Denkmälern, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet wurden, um die nationale Einheit zu bestärken. Es ist aber eines der wenigen, die an den Franzoseneinfall von 1798 erinnern. Um 1900 wurde in der Nähe des Grauholz-Denkmals der Waffenplatz «Sand» gebaut und so die Sicht auf das Denkmal versperrt. Zur Zeit der geistigen Landesverteidigung bekam die ursprüngliche Botschaft des Denkmals als Mahnung zum Widerstand neue Aktualität. Die Säule musste wieder sichtbar sein und wurde an ihren heutigen Standort auf einer kleinen Anhöhe, zirka 500 Meter weiter westlich, verschoben.

Das Grauholz trat im Frühling 1962 nochmals ins nationale Bewusstsein. Am 10. Mai eröffnete Bundesrat Tschudi hier das erste Teilstück der Autobahn A1 zwischen Bern und Zürich. Bescheidene 7,5 Kilometer mass die Strecke durch das Grauholz. Schon acht Jahre später waren Bern und Zürich mit der A1 lückenlos verbunden. Heute führt die für das Land so wichtige Schlagader direkt am Schlachtdenkmal vorbei. Und längst hat die Autobahn das Denkmal als Symbol des nationalen Zusammenhalts abgelöst.

Eröffnung des ersten Teilstücks der Autobahn Bern-Zürich im Grauholz am 10. Mai 1962. Foto: Keystone

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