In den 1970er-Jahren boomten Töffli in der Schweiz.
Schweizerisches Nationalmuseum / ASL

Töffli

In den 1960er-Jahren brach in der Schweiz das Töffli-Fieber aus. 1970 gab es mehr als eine halbe Million Fahrzeuge. Erst die Ölkrise und später die Helmpflicht bremsten die Zweitakter-Euphorie.

Benedikt Meyer

Benedikt Meyer

Benedikt Meyer ist Historiker und Autor.

«Töff. Töfftöff. Töfftöfftöfftöfftöfftöfftöff!» Und das nicht nur in Stereo, sondern dutzendfach parallel: Seit der Bund per 1. Januar 1961 das «Motorfahrrad» als neue Kategorie eingeführt hatte, tuckerten immer mehr Zweitakter durchs Land. Den steilsten Start legte das Töffli in Genf hin. Keine Überraschung: Schon Fahrrad, Auto und Flugzeug hatten die Mobilitätsverrückten am Léman als Erste adoptiert. Aber kein Verkehrsmittel verbreitete sich so rasant wie «le toff-toff». 1970 zählten die Statistiker landesweit bereits über eine halbe Million Fahrzeuge. Anders gesagt: in den 1960ern tuckerten jeden Tag etwa 130 Mofas mehr durchs Land als am Tag zuvor.

50 ccm, 30 km/h, 75 Dezibel, fahrbar ab 14 Jahren. Prüfung: unnötig. Man wolle der Landjugend den Zugang zu Gymnasien und Berufsschulen erleichtern, hatte der Bundesrat argumentiert. Mit Erfolg: ländliche, hügelige, verzettelt besiedelte Gebiete avancierten zu Töffli-Regionen par excellence, wobei sich nicht nur Jugendliche mit den Zweirädern herumfuhren. Auch von Landwirten und Arbeitern wurden Mofas rege genutzt. Auf dem Höhepunkt der Töffli-Euphorie kam in Kantonen wie Bern, Obwalden oder Solothurn auf sieben Einwohner ein Gefährt.

Mofas wurden nicht nur von Jugendlichen gefahren.
Schweizerisches Nationalmuseum /ASL

«Puch oder Piaggio?», war gerade unter Jugendlichen eine ebenso wichtige Frage wie: «Beatles oder Stones?» Der Zweitakt war der meistgehörte Beat und der konnte dank kleinerer, beinahe legaler Basteleien auch mal etwas lauter klingen. Die Töffli-Touren mit Freunden gehörten in dieser Zeit ebenso zu den prägenden Erlebnissen wie die ersten Jeans oder die erste Liebe.

Die Töffli tuckerten durch eine sich wandelnde Schweiz. Autobahnen zerschnitten das Terrain, Dorfplätze mutierten zu Kreuzungen und Läden wanderten in «Zentren» in der Peripherie. Die Schweiz wurde in den 1960ern motorisiert. Einer von zehn besass 1960 ein Auto. 1970 war es jeder vierte und die Freude am Motor war so ungebrochen, dass beispielsweise Bern über eine Autobahn quer durch die Altstadt diskutierte. Velos hingegen verschwanden aus dem Strassenbild.

Motorenlust und Töffli-Boom verflachten in den 1970ern. Ölkrisen, Staus und Lärmklagen, das Bewusstsein für die Gesundheit und die Ökologie: Nichts sprach so richtig fürs Töffli. Die einen waren weniger fürs Mofa zu begeistern, die anderen setzten zusehends aufs Auto. Ab Ende der 1970er-Jahre gingen die Bestände zurück. Die 1990 eingeführte Helmpflicht half da auch nicht wirklich. Immerhin: Yves Yersin setzte dem Töffli 1979 ein grossartiges filmisches Denkmal mit seiner gemächlich dahintuckernden Geschichte über einen alten Knecht und sein toff-toff. Der passende Titel: «Les petites fugues».

Der Töffli-Boom in der Schweiz ist Thema einer TV-Sendung von 1972.
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