Gamen auf mittel­al­ter­li­cher Handschrift

Teilnehmer des Swiss Open Cultural Data Hackathons von 2016 haben ein Online-Game entwickelt, mit dem mittelalterliches Backgammon vor historischer Kulisse gespielt werden kann.

Valérie Hashimoto

Valérie Hashimoto

Valérie Hashimoto ist Kunsthistorikerin und Museumswissenschaftlerin. Sie koordiniert den Swiss Open Cultural Data Hackathon 2018.

Der Codex Manesse ist eine der berühmtesten Liederhandschriften in mittelhochdeutscher Sprache. Der Hauptteil der Handschrift wurde um 1300 in Zürich geschrieben und enthält neben dichterischen Werken auch zahlreiche aufwändig gemalte Miniaturen. Die Handschrift wurde für die Zürcher Patrizierfamilie Manesse gefertigt und wird heute in der Universitätsbibliothek Heidelberg aufbewahrt.

Die Miniaturen zeigen die Autoren der Lieder beim Ausüben höfischer Aktivitäten. So wird zum Beispiel auf Seite 262v. «Herr Gœli» beim Backgammon-Spiel dargestellt. Bei Herrn Gœli handelt es sich entweder um Konrad Golin oder um seinen Neffen Diethelm Golin. Beide waren im 13. Jahrhundert hochrangige Kleriker in Basel. Damals war Backgammon als «Pasch», «Puff», «Tricktrack», oder «Wurfzabel» bekannt.

Der Codex Manesse hat den Multimediaproduzent Thomas Weibel dazu inspiriert, Herrn Gœli wieder zum Leben zu erwecken. Thomas Weibel ist Professor für Media Engineering an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur sowie an der Hochschule der Künste Bern. Er hatte die Idee, ein Backgammon-Spiel zu programmieren, das es uns erlaubt, eine Partie gegen Herrn Gœli zu spielen. Das interaktive Spielbrett wurde direkt in die Miniatur eingebettet und kann entweder auf dem Computer oder auf dem Handy bedient werden. Herr Gœli kommentiert das Spiel in seiner Muttersprache: Mittelhochdeutsch.

Universitätsbibliothek Heidelberg, Große Heidelberger Liederhandschrift, Seite 262v. - CC-BY-SA 3.0.

Spielregeln

Deine Spielsteine sind weiss, und diese musst du von der oberen linken Ecke im Uhrzeigersinn zur unteren linken Ecke führen. Herr Gœli tut das gleiche mit den schwarzen Steinen in der entgegengesetzten Richtung. Tippe auf die Würfel, um sie zu werfen, dann auf einen Stein, um ihn auszuwählen, und schliesslich auf das Feld, auf das du den Stein bewegen möchtest. Wenn du zum Beispiel eine Zwei und eine Sechs würfelst, kannst du einen Stein um zwei Felder vorwärts verschieben und danach einen zweiten um sechs. Du kannst aber auch den gleichen Stein zweimal bewegen, einmal um zwei und danach nochmals um sechs. Wenn du zweimal dieselbe Zahl würfelst (ein sogenannter «Pasch»), darfst du einen Stein gleich viermal bewegen.

Du darfst nicht auf Felder landen, die von zwei oder mehr Steinen des Gegners besetzt sind. Fällst du auf ein Feld mit nur einem Stein deines Gegners, so nimmst du diesen Stein gefangen. Aber in der gleichen Weise können auch deine Steine gefangen werden, wenn sie alleine auf einem Feld ruhen. Gefangene Steine müssen wieder von der Startposition beginnen – bei dir in der oberen linken Ecke. Wenn alle deine Steine im unteren linken Viertel liegen, kannst Du sie durch weiteres Würfeln ganz aus dem Feld nehmen. Ziel ist es, möglichst schnell alle Steine vom Brett zu nehmen. Hinweis: Wenn du Mittelhochdeutsch nicht verstehst, fahre mit der Maus einfach über den unverständlichen Begriff oder Button, und ein kleines Fenster zeigt dir die englische Übersetzung.

«dū bist wīsz unde darfst würfelen»: Mittelhochdeutsche Spielerführung und Buttons des Spiels «Manesse Gammon».

Swiss Open Cultural Data Hackathon

Das Projekt «Manesse Gammon» wurde 2016 im Rahmen des Swiss Open Cultural Data Hackathons entwickelt. Diese jährlich stattfindende Veranstaltung versammelt Akteure und Akteurinnen aus verschiedenen Sparten rund um das Thema «OpenGLAM». GLAM steht für Galleries, Libraries, Archives, Museums (Gemäldegalerien, Bibliotheken, Archive und Museen auf Englisch). Diese Institutionen werden eingeladen, Datensätze aus ihren digitalen Archiven zu veröffentlichen und für neue Anwendungen zur Verfügung zu stellen. In diesem Fall handelte es sich um die Digitalisate der Seiten der Manessischen Handschrift, welche auf der Webseite der Universitätsbibliothek Heidelberg nicht nur angesehen, sondern auch weiterverwendet werden können.

Weitere Beiträge