Damit das Pferd nützlichere Arbeiten erledigen konnte, wurde auch mal ein Hund zum Milchtransport verwendet. Reportagebild aus Bulle, 1943.
Schweizerisches Nationalmuseum / ASL

Die Milchlie­fe­ran­tin von Bulle

Es gab eine Zeit vor dem Handy. Eine Zeit, in der Pressefotografen die Augen einer ganzen Nation waren. Viele ihrer Bilder sind heute in Vergessenheit geraten. Zum Beispiel diese Fotoreportage über die Milchwirtschaft in Bulle.

Aaron Estermann

Aaron Estermann

Aaron Estermann hat Geschichte, Medienwissenschaft und Visuelle Kommunikation studiert und Kurator für historische Fotografie beim Schweizerischen Nationalmuseum.

Die Schweizer Landwirtschaft spannte in der Vergangenheit vielerlei Nutztiere vor den Karren: Nebst Eseln, Pferden und Ochsen kamen sogar Hunde zum Zug! Zumindest war dem so bei der Familie Pasquier in der Nähe von Bulle (FR), zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Damit das Pferd nützlichere Aufgaben erledigen konnte, sprang Hund «Finaud» als kostengünstige Variante beim Milchtransport ein.

Reportagefotografie der Milchwirtschaft in Bulle, 1943.
Schweizerisches Nationalmuseum / ASL

Das von den Pasquiers mit Motorradreifen eigens für Hunde kreierte Fuhrwerk bekommen wir auf der Fotografie aus der Vogelschau zu sehen. Neben zwei Kannen mit 50 Litern Milch hockt, zentral in der Bildmitte, die dunkel gekleidete Kutscherin im Damensitz auf einem kleinen Sessel. Über die Zügel ist Frau Pasquier mit dem Zughund verbunden, der an der Startlinie des unteren Bildrands wartend bereit ist, den heimischen Hof zu verlassen.

Auch das Mädchen, links im Bild, erwartet die Abfahrt. Wird sie den beiden etwa nachwinken? Aus den weiteren Bildern dieser Reportage erfahren wir, dass sie dem Gespann viel eher durch eine verhangene, spätwinterliche Landschaft nacheilen wird. Bis zur ersten Kundin vielleicht oder zumindest so lange, wie der Pressefotograf anwesend ist.

42 Negative sind von dieser Reportage erhalten geblieben. Sie porträtieren Hund und Frauchen und demonstrieren die mit der Arbeit verbundenen Handgriffe. Auch befinden sich im Archiv des Schweizerischen Nationalmuseums zwei Kontaktbögen, welche die Pressebildagentur Presse Diffusion Lausanne für die Bildauswahl herstellte. Zu mindestens einer Publikation kam es am 10. April 1943: Die Westschweizer Wochenzeitschrift «Lectures du Foyer» veröffentlichte vier Fotografien der Serie in einem einseitigen Beitrag. Der Titel lautete: «So kommt die Milch in die Stadt …». Damit trat die Illustrierte nicht zuletzt auch als Vermittlerin zwischen ländlicher und städtischer Schweiz auf und zeigte ihrer Leserschaft die vielen Facetten des Landes.

Kontaktbogen für die Bildauswahl.
Schweizerisches Nationalmuseum /ASL

Die Presse­bild­agen­tur ASL

Actualités Suisses Lausanne (ASL) wurde 1954 von Roland Schlaefli gegründet und galt bis zur Schliessung 1999 als wichtigste Westschweizer Pressebildagentur. 1973 übernahm Schlaefli zudem das Archiv der 1937 gegründeten Agentur Presse Diffusion Lausanne (PDL). Die Bestände der beiden Agenturen umfassen ungefähr sechs Millionen Bilder (Negative, Abzüge, Diapositive). Im breiten Themenspektrum lassen sich die Schwerpunkte Bundespolitik, Sport und Westschweiz ausmachen. Den Schritt ins digitale Zeitalter machte die Agentur nicht mehr mit. Seit 2007 befinden sich die Archive von ASL und PDL im Besitz des Schweizerischen Nationalmuseums. Der Blog präsentiert in einer losen Abfolge Bilder und Bildserien, die bei der Aufarbeitung der Bestände besonders aufgefallen sind.

Der Hund ist für den Milchtransport an den Wagen angespannt.
Schweizerisches Nationalmuseum /ASL

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