
Ein Mann für Churchills leibliches Wohl
Winston Churchill war ein politisches Schwergewicht. Für sein kulinarisches Wohl war für einige Jahre Fritz Schmied, ein junger Koch aus der Freiburger Provinz, zuständig.
Winston Churchill beschäftigte bevorzugt Hausangestellte aus der Schweiz. Er kannte das Land seit seiner Jugend und hatte es schnell schätzen gelernt. Auch sein Mallehrer und der Lieferant seiner Farben stammten aus der Schweiz.
1960 gab Churchills Chef de cuisine dem damaligen Berner Tagblatt einen Einblick in seine Arbeit. Eigentlich sei er in zwei Haushaltungen tätig, meinte er. Während der Woche residiere der Ex-Premier in London in einem Haus mit 26 Zimmern beim Hyde Park. Die Wochenenden verbrächten er und seine Gattin Clementine jedoch regelmässig auf dem Landsitz Chartwell südöstlich der Hauptstadt. Dieser umfasse sogar fast 50 Zimmer. An beiden Orten kämen neben Familienmitgliedern auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und sehr oft Kollegen aus dem Parlament zu Besuch. Durch dieses rege gesellschaftliche Leben sei in beiden Domizilen ständig für Abwechslung gesorgt. In Chartwell pflege Churchill nachmittags Spaziergänge durch den Park zu machen, ständig bewacht von einem Kriminalbeamten und einem Polizisten.
Jeden Morgen um 8.30 Uhr lege der Schweizer der Herrin des Hauses die Menüvorschläge vor. Und diese würden meist ohne grosse Korrekturen genehmigt, «sofern Sir Winston zu seinen vier Gängen kommt, auf denen er – obwohl kein grosser Esser mehr – noch immer besteht». Sonst aber sei die im Hause gepflegte französische Küche alles andere als protzig. «So hat mein Brotgeber zum Beispiel ein eher einfaches Leibgericht entdeckt: geschnetzeltes Kalbfleisch.»
Eines der unzähligen Bonmots, die von Churchill überliefert sind, lautet: «Mein Geschmack ist ganz einfach: Ich bin mit dem Besten zufrieden.» Und das Beste scheint ihm Fritz Schmied nicht bloss kulinarisch, sondern auch menschlich geboten zu haben. Jedenfalls genoss der Seeländer, der fliessend Englisch und Französisch sprach, das volle Vertrauen der Churchills. Bemerkenswert ist auch, dass seine sexuelle Ausrichtung den konservativen Politiker und seine Frau offenbar nicht gestört haben.
Nach Churchills Tod am 24. Januar 1965 machte sich Fritz Schmied in London mit einem Partyservice selbstständig. 1974 kehrt er in die Schweiz zurück und wirkte in einem Hotel in Port (BE). Immer mehr zu schaffen machte ihm der Tumor, der sich in seinem Kopf entwickelt hatte. Seine letzten Jahre verbrachte er in einem Heim in Ringgenberg am Brienzersee. 1981 starb er im Spital Interlaken.
Dieser Artikel wurde vom Bieler Tagblatt übernommen. Er ist dort am 20. November 2024 unter dem Titel «Vom Kochlehrling in Biel zum Chef de cuisine bei Churchill» publiziert worden. Die kulinarischen Vorlieben des politischen Schwergewichts sind auch im Buch «Rösti für Winston Churchill» festgehalten. Das Werk von Werner Vogt ist Ende November 2024 im Helvetia Verlag erschienen.


