Mit den Jahren wurde Fritz Schmied zu einer grossen Stütze für Winston Churchill.
Mit den Jahren wurde Fritz Schmied zu einer grossen Stütze für Winston Churchill. Privatarchiv Ueli Gutknecht

Ein Mann für Churchills leibli­ches Wohl

Winston Churchill war ein politisches Schwergewicht. Für sein kulinarisches Wohl war für einige Jahre Fritz Schmied, ein junger Koch aus der Freiburger Provinz, zuständig.

Beat Kuhn

Beat Kuhn

Beat Kuhn ist Regionalredaktor beim Bieler Tagblatt und bereitet dort gelegentlich auch spannende Geschichten aus der Geschichte auf.

Webseite: Bieler Tagblatt
Das freiburgische Ried hat es mit der Weltpolitik. Barack Obama hat hier Wurzeln mütterlicherseits, und Winston Churchill hatte einen Haushaltsangestellten von hier: Fritz Schmied, der von 1958 bis zu dessen Tod 1965 erst Butler, dann Koch und persönlicher Betreuer des Politikers war. Der Rieder Ortschronist Ueli Gutknecht hat die Lebensgeschichte von Fritz Schmied nach seinen eigenen Erinnerungen für den Freiburger Volkskalender von 2005 niedergeschrieben. Demnach kam Fritz Schmied 1921 in Ried zur Welt. Als Vierjähriger wurde er Halbwaise, weil seine Mutter starb. Von da an wuchs er bei seiner Tante und deren Mann auf, die ebenfalls in Ried wohnten und keine eigenen Kinder hatten.
Das beschauliche Ried bei Kerzers im Kanton Freiburg. Luftaufnahme von 1954.
Das beschauliche Ried bei Kerzers im Kanton Freiburg. Luftaufnahme von 1954. e-pics
Nach einer Bäckerlehre in Täuffelen (BE) machte Fritz im Bieler Bahnhofbuffet eine Zweitausbildung zum Koch. Anfang der 1950er-Jahre ging er zusammen mit seinem Freund Ernst Liechti – Kellner von Beruf – ins Ausland. Homosexualität war in der Schweiz zwar seit 1942 legal, aber gesellschaftlich noch lange geächtet. Vielleicht war also nicht nur Abenteuerlust oder Karrierestreben das Motiv für diesen Schritt. Nach drei Jahren in Südfrankreich und Schweden, liess sich das Paar in London nieder. Dort war Fritz zunächst fünf Jahre als zweiter Küchenchef in einem Restaurant tätig. Die Anstellung als Butler im Hause Churchill bekam er 1958 durch Vermittlung seines Vorgängers, der ebenfalls Schweizer und mit ihm gut bekannt war. Winston Churchill beschäftigte bevorzugt Hausangestellte aus der Schweiz. Er kannte das Land seit seiner Jugend und hatte es schnell schätzen gelernt. Auch sein Mallehrer und der Lieferant seiner Farben stammten aus der Schweiz.
Winston Churchill beim Malen in Bursinel am Genfersee, 1946. Schweizerisches Nationalmuseum
Es muss dem Rieder klar gewesen sein, dass er mit seiner Anstellung bei Winston Churchill einen gewaltigen Karriereschritt machte. Denn der Mann, der England als Premierminister durch den Zweiten Weltkrieg geführt und von 1951 bis 1955 noch einmal regiert hatte, war schon zu Lebzeiten eine Legende. Auch deswegen, weil er ein namhafter Autor politischer und historischer Werke war und für sein 4000-seitiges Werk Der Zweite Weltkrieg 1953 sogar den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte.
Churchills Frau nahm 1953 den Nobelpreis für ihren abwesenden Mann entgegen. YouTube / British Pathé
Nach einem Jahr als Butler bot sich Fritz Schmied die Gelegenheit, in seinen eigentlichen Beruf zu wechseln, und so wurde er vom Butler zum Küchenchef befördert. Ihm standen drei Hilfskräfte zur Verfügung. Das war keine Luxuslösung, denn neben dem Bekochen des Ehepaars Churchill und seinen Gästen galt es auch, die 22 Hausangestellten täglich zu verköstigen. 1960 gab Churchills Chef de cuisine dem damaligen Berner Tagblatt einen Einblick in seine Arbeit. Eigentlich sei er in zwei Haushaltungen tätig, meinte er. Während der Woche residiere der Ex-Premier in London in einem Haus mit 26 Zimmern beim Hyde Park. Die Wochenenden verbrächten er und seine Gattin Clementine jedoch regelmässig auf dem Landsitz Chartwell südöstlich der Hauptstadt. Dieser umfasse sogar fast 50 Zimmer. An beiden Orten kämen neben Familienmitgliedern auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und sehr oft Kollegen aus dem Parlament zu Besuch. Durch dieses rege gesellschaftliche Leben sei in beiden Domizilen ständig für Abwechslung gesorgt. In Chartwell pflege Churchill nachmittags Spaziergänge durch den Park zu machen, ständig bewacht von einem Kriminalbeamten und einem Polizisten.
Winston Churchill auf seinem Landsitz Chartwell, 1950er-Jahre.
Winston Churchill auf seinem Landsitz Chartwell, 1950er-Jahre. Britannica/Press Association
«Meine Stellung bringt mich mit Sir Winston und Lady Churchill immer wieder in höchst erfreulichen persönlichen Kontakt», erzählte Schmied weiter. Ein Sir war Churchill übrigens seit April 1953, als ihn die Queen in den Ritterstand erhoben hatte. Seine Frau Clementine liess sich als Lady ansprechen, schliesslich stammte ihre Mutter aus dem Hochadel. Jeden Morgen um 8.30 Uhr lege der Schweizer der Herrin des Hauses die Menüvorschläge vor. Und diese würden meist ohne grosse Korrekturen genehmigt, «sofern Sir Winston zu seinen vier Gängen kommt, auf denen er – obwohl kein grosser Esser mehr – noch immer besteht». Sonst aber sei die im Hause gepflegte französische Küche alles andere als protzig. «So hat mein Brotgeber zum Beispiel ein eher einfaches Leibgericht entdeckt: geschnetzeltes Kalbfleisch.» Eines der unzähligen Bonmots, die von Churchill überliefert sind, lautet: «Mein Geschmack ist ganz einfach: Ich bin mit dem Besten zufrieden.» Und das Beste scheint ihm Fritz Schmied nicht bloss kulinarisch, sondern auch menschlich geboten zu haben. Jedenfalls genoss der Seeländer, der fliessend Englisch und Französisch sprach, das volle Vertrauen der Churchills. Bemerkenswert ist auch, dass seine sexuelle Ausrichtung den konservativen Politiker und seine Frau offenbar nicht gestört haben.
Fritz Schmied (ganz hinten) begleitete Winston Churchill auch oft auf Reisen.
Fritz Schmied (ganz hinten) begleitete Winston Churchill auch oft auf Reisen. Privatarchiv Ueli Gutknecht
Zweimal im Jahr besuchte Fritz Schmied seine Verwandten und Bekannten in Ried. Und auch in umgekehrter Richtung fanden Besuche statt. Am meisten beneidet wurde er von ihnen und anderen dafür, dass er Churchill auch auf die Kreuzfahrten mit der Jacht des griechischen Reeders Aristoteles Onassis begleiten durfte. Nach Churchills Tod am 24. Januar 1965 machte sich Fritz Schmied in London mit einem Partyservice selbstständig. 1974 kehrt er in die Schweiz zurück und wirkte in einem Hotel in Port (BE). Immer mehr zu schaffen machte ihm der Tumor, der sich in seinem Kopf entwickelt hatte. Seine letzten Jahre verbrachte er in einem Heim in Ringgenberg am Brienzersee. 1981 starb er im Spital Interlaken.
Dieser Artikel wurde vom Bieler Tagblatt übernommen. Er ist dort am 20. November 2024 unter dem Titel «Vom Kochlehrling in Biel zum Chef de cuisine bei Churchill» publiziert worden. Die kulinarischen Vorlieben des politischen Schwergewichts sind auch im Buch «Rösti für Winston Churchill» festgehalten. Das Werk von Werner Vogt ist Ende November 2024 im Helvetia Verlag erschienen.

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