Der «fahrbare Landessender» in Melchsee-Frutt 1946
Der «fahrbare Landessender» war beim Réduitsender Melchsee-Frutt stationiert und war zudem als mobiles Backup für die Mittelwellensender im Mittelland vorgesehen. Aufnahme aus Melchsee-Frutt von 1946. Museum für Kommunikation Bern

Radio-Spezial­diens­te

Sei es für den Empfang von Schweizer Radioprogrammen in Übersee oder für den direkten Telefonkontakt zu Grossbritannien oder den USA während des Krieges: Kurzwellen-Antennen leisteten wichtige strategische Dienste. Auch sogenannte «Réduitsender» sollten die Kommunikation im Krisenfall sicherstellen.

Juri Jaquemet

Juri Jaquemet

Dr. phil., Sammlungskurator für Informations- und Kommunikationstechnologie, Museum für Kommunikation, Bern

In erster Linie für die Auslandschweizer strahlte der Kurzwellendienst (später Schweizer Radio International) ab 1935 Spezialsendungen und Musik nach Übersee aus. Für die «Stimme der Heimat» wurde zuerst der Sender des Völkerbundes in Prangins genutzt. 1939 weihte die SRG den Kurzwellensender Schwarzenburg ein. Die in Beromünster und Schwarzenburg ausgestrahlte Sendung «Weltchronik» von Jean Rudolf von Salis war im Zweiten Weltkrieg eine der wenigen unzensierten Informationsquellen zum Weltgeschehen auf dem europäischen Kontinent. Auch in Schwarzenburg manifestierte sich die Technik im Gelände. Der Alpenposten PTT-Reiseführer von 1948 dazu: «Hier fesselt uns ein eigenartiger ‘Wald’, zum einen Teil mit Eichen bestanden, zum andern aus hohen Metallmasten bestehend…». Insbesondere die ab 1948 erstellte Vorhangantennenanlage auf der Hochebene bei Mamishaus hatte imposante Ausmasse. Der Hauptmast hatte eine Höhe von 120 Metern und war in drei Richtungen mit Seitenarmen verbunden, die bis zu 350 Meter lang waren. Von hier aus wurden Kurzwellensignale um die ganze Welt gesendet. Dies war möglich, weil Kurzwellen an der Ionosphäre reflektiert werden. In der lokalen Bevölkerung war die Sendeanlage wenig beliebt – Strahlenangst ist kein neues Phänomen des 5G-Zeitalters! Die starke Leistung des Senders sorgte für spukhafte Phänomene in der Umgebung: An Dachrinnen und in Autochassis liessen sich manchmal Sendungen mithören, Neonröhren leuchteten von selbst und Zahnfüllungen schmerzten jeweils zur Sendezeit. Die Stilllegung des Kurzwellensenders erfolgte 1998, der Antennenwald wurde gefällt. Ausschlaggebend waren bei Bund und SRG in erster Linie wirtschaftliche Überlegungen. Der Infoservice für die Auslandschweizer übernahm später eine Webseite. Heute nutzt das Museum für Kommunikation das Sendegebäude als Museumsdepot.
Antennenwald zu Mamishaus
Antennenwald zu Mamishaus: Der Kurzwellensender Schwarzenburg sendete ab 1939 das Radioprogramm für den Kurzwellendienst und später für Schweizer Radio International aus. Fotografie von Walter Studer, 1963. Museum für Kommunikation
Von den Anfängen in den 1920er-Jahren bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nutzte die Schweiz für die Radiotelefonie die Dienste von ausländischen Stationen. Diese wurden aber alle 1939 eingestellt. Um in erster Linie den direkten Kontakt in die USA und nach Grossbritannien nicht zu verlieren, richtete die PTT im Sender Schwarzenburg eine eigene autarke Sendestation für Telefonie via Kurzwelle ein. Die eingehenden Signale wurden in Châtonnaye im Kanton Freiburg empfangen. Vermittelt und koordiniert wurden die Telefongespräche im Überseeamt in Bern. Dabei war viel Handarbeit von mehrsprachigen Telefonistinnen nötig. Die Nutzung des Angebots war preisbedingt exklusiv: Noch 1960 belief sich die Rechnung für ein dreiminütiges Gespräch auf bis zu 65 Franken – was heute ungefähr 270 Franken entspricht. Nachdem ab 1956 auch für die Telefonie Transatlantikkabel zur Verfügung standen, verlor zumindest die Kurzwellenverbindung in die USA langsam an Bedeutung. Im Sender Schwarzenburg wurde die Radiotelefonie 1980 eingestellt. 1972-1985 diente Schwarzenburg auch für das Übertragen von Flugfunkverbindungen. Die Empfangsstation Châtonnaye nutzt das Bundesamt für Kommunikation BAKOM heute nach eigenen Angaben als «Aussenstelle zur Qualitätssicherung des Frequenzspektrums für die Schweiz und im Rahmen internationaler Verpflichtungen».
Kurzwellensender Schwarzenburg 1956.
Vom Kurzwellensender Schwarzenburg aus wurden auch Übersee-Telefonate gesendet. Die zurückkommenden Signale wurden in der hier abgebildeten Station Châtonnaye im Kanton Freiburg empfangen. Vermittelt und koordiniert wurden die Anrufe im Überseeamt in Bern, Aufnahme von 1956. Museum für Kommunikation
Kurzwellen-Antennenanlagen standen nicht nur in Schwarzenburg. Andere Standorte übernahmen teilweise die Ausstrahlung für Radio Schweiz International oder Radiotelefonie-Aufgaben. In Beromünster war ab 1959 eine Kurzwellen-Sendeanlage in Betrieb, in Sottens nahm 1973 eine starke Drehstandantenne den Betrieb auf und in Sarnen war ab 1973 auch ein Kurzwellensender in Betrieb. An der Lenk ging 1974-1988 eine weitere Anlage auf Sendung und verbreitete das Programm von Radio Schweiz International. Die Sendeanlage kam wie in Sarnen in einer unterirdischen Bunkeranlage unter. Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit wurde die Abwärme des Senders für die Produktion von Warmwasser im Lenker Schwimmbad verwendet. Die Antennenanlagen standen auf freiem Feld östlich des Rohresees. Heute ist einzig die Bunkeranlage erhalten. Die Lenk Milch AG betreibt darin ihren Käsekeller und lässt unter Tage zwölf verschiedene Käsesorten reifen.
Die Sendeanlagen von Prangins wurden für unterschiedliche Zwecke genutzt. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1960. Damals diente Prangins unter anderem als Zeitzeichensender.
Die Sendeanlagen von Prangins wurden für unterschiedliche Zwecke genutzt. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1960. Damals diente Prangins unter anderem als Zeitzeichensender. Museum für Kommunikation
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Zur Sendeanlage Prangins gehörte die Empfangsstation Colovrex beim Flughafen Genf Cointrin. Aufnahme aus der Nachkriegszeit.
Museum für Kommunikation
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Der bereits erwähnte Sender in Prangins bei Genf nutzte in den 1930er Jahren hauptsächlich der Völkerbund und verbreitete Programme unter dem Namen «Radio-Nations». 1942 ging die Anlage an die Radio Schweiz AG über. Diese nutzte den Standort für verschiedene Spezialdienste. Im Zweiten Weltkrieg gelangten via Funk-Bildtelegrafiedienst alliierte Pressefotos von den Kriegsschauplätzen in die von den Achsenmächten umzingelte Schweiz. Für die Weltgesundheitsorganisation wurden epidemiologische Bulletins empfangen und weitergeleitet und ab 1955 strahlte der Sender Prangins Nachrichten für die Vereinten Nationen (UNO) aus. Der schweizerische Seefunk nutzte Prangins ebenfalls als Sendeanlage. 1958-2011 diente Prangins hauptsächlich als Zeitzeichensender, der von einer sehr präzisen Atomuhr getaktet wurde. Nach der Aufgabe des Zeitzeichensenders wurden die beiden Antennenmasten von 1928 gesprengt. Heute nutzt der Zivilschutz von Nyon das Gebäude der ehemaligen Sendestation und einige der noch bestehenden Antennen werden durch Funkamateure verwendet. Eine zur Sendestation Prangins gehörende Empfangsstation lag in Colovrex in der Nähe des Flughafens Genf. Diese Anlage diente später auch für den Empfang von Wetterdaten. Heute sind die dortigen Antennenanlagen rückgebaut und eine private Maschinenbau-Firma nutzt das Gebäude, welches wie Prangins in die Zeit um 1928 datiert.
Die Sendetechnik der Réduitsender war jeweils unterirdisch oder verbunkert untergebracht. Sichtbar blieben die Antennenanlagen. Diese Aufnahme zeigt den 85 Meter hohen Mittelwellen-Antennenturm auf der Klewenalp um 1946.
Die Sendetechnik der Réduitsender war jeweils unterirdisch oder verbunkert untergebracht. Sichtbar blieben die Antennenanlagen. Diese Aufnahme zeigt den 85 Meter hohen Mittelwellen-Antennenturm auf der Klewenalp um 1946. Museum für Kommunikation
Die Landessender sowie die Radiotelegrafie- und Radiotelefonie-Anlagen gehörten zu den kritischen Infrastrukturen. Erstaunlicherweise waren die Anlagen aber baulich praktisch nicht gegen Sabotageakte oder Bombardierungen geschützt. Der Bunker auf dem Gelände des Landessenders Beromünster hätte höchstens dem Personal Deckung geboten. Nachdem die Armee 1940 das Réduit bezogen hatte, richtete sie in den Alpen sogenannte Réduitsender als strategische Rückfallebene ein. In Melchsee-Frutt wurde ein erster Landessender-Ersatz eingerichtet. Als essenzieller Teil dieser Sendeanlage war der von der Firma Hasler AG aus Bern gebaute «fahrbaren Landessender» in einer Felskaverne am Melchsee stationiert. In sieben mobilen Anhängern waren eine Sendeanlage und ein Dieselaggregat untergebracht. Die Wagen konnten für die Ausstrahlung von Radiosendungen und für die drahtlose Telegrafie und Telefonie genutzt werden, wobei man auf einen externen Antennenmast angewiesen war. Ein zweiter Mittelwellen-Réduitsender mit ortsfester eingebunkerter Sendetechnik befand sich auf der Klewenalp südlich von Beckenried am Vierwaldstättersee. Eine Ersatz-Anlage für den Kurzwellensender Schwarzenburg kam in einem mit viel Beton verstärktem Chalet auf dem Hirzenboden südlich von Bürglen unter. Neben der Ausstrahlung des Programms des Kurzwellendienstes, konnte von dort aus auch via Kurzwellen telefoniert werden.
Réduitsender Hirzenboden
Réduitsender Hirzenboden
Im Jahr 1992 baute die PTT den Réduitsender Hirzenboden zurück. Im Chalet war die Sendeanlage verbunkert untergebracht. Heute befindet sich der Sender in der Sammlung Historisches Armeematerial Führungsunterstützung HAMFU in Uster, Fotografie von Ernst Seemann, 1992. Museum für Kommunikation
Gänzlich geheim halten liessen sich die Anlagen nicht. Die Sendetürme in Melchsee-Frutt und Klewenalp waren zwar mit ca. 80 Meter weniger hoch als die der Landessender, blieben aber gleichwohl auffällige Objekte. Diskreter war das in einer unterirdischen Kommandoposten-Anlage untergebrachte Notstudio bei Silenen UR. Hier hätte die Kriegsabteilung für Presse und Rundspruch (KAPF) Sendungen für die Réduitsender produziert und via Telefonleitungsnetz den Sendeanlagen zugespielt. Bei rückblickenden Analysen von 1949 kamen Armee und PTT zum Schluss, dass es mit den bestehenden Anlagen nicht möglich war, die ganze Schweiz aus dem Réduit heraus mit Radioempfang zu versorgen. Verhindert hatte dies die gebirgige Topografie der Schweiz.
Ohne sichtbare Antennenanlagen kamen auch die Backup-Anlagen für die Radiotelegrafie und -telefonie nicht aus. Ganz in der Nähe des Hirzenbodens unterhielt die Radio Schweiz AG die Sendeanlage Haldiberg für die drahtlose Kommunikation der Landesregierung in Richtung Grossbritannien und Nordamerika. Als weitere Backups für die internationale Kommunikation auf höchster Ebene diente eine verbunkerte Senderanlage bei Emmeten am Vierwaldstättersee und eine Empfangsstation in einer Kaverne bei Wald nahe Seelisberg. In erster Linie setzte die Landesregierung dabei auf die Kommunikation via Radiotelegrafie. Obwohl vorgesehen, waren bei Kriegsende die Anlagen nicht für den Übersee-Telefonverkehr ausgerüstet.
Réduitsender 2.0 im Berner Oberland
Réduitsender 2.0: Antenne von «Die Stimme die durch Beton geht» im Berner Oberland. Über solche aus einem Bunker ausfahrbaren Notantennen, kann die Bevölkerung seit den späten 1970er-Jahren via UKW-Radio im Krisenfall informiert werden. Dank der starken Sendeleistung von UKW 77 / IBBK wäre der Empfang auch in Schutzräumen garantiert. Museum für Kommunikation
Die Réduitsender wurden grösstenteils nach dem Krieg weiter unterhalten. In der Tradition der Réduitsender standen die bereits erwähnten Sendeanlagen Sarnen und Lenk aus dem Kalten Krieg. Zeitgemäss waren diese Sender gegen Nukleare Elektromagnetische Impulse (NEMP) geschützt. In Führungsanlagen der Armee kamen neue Notstudios unter Tage dazu. Die fixen Sendetürme der Réduitsender demontierte die PTT erst um 1990. Als Ersatz diente nun das «UKW 77»-Notsendernetz. (heute «Information der Bevölkerung durch den Bund in Krisenlagen mit Radio» IBBK). Diese leistungsstarken UKW-Sender mit NEMP-Schutz können mit einem Dieselaggregat autonom betrieben werden. Die Antenne lässt sich bei Bedarf aus dem Untergrund ausfahren. Deren starke Signale durchdringen auch die dicken Betonwände von Schutzräumen.

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