Der erste Nur-Rundspruchsender der Schweiz auf dem Hönggerberg bei Zürich.
Der erste Nur-Rundspruchsender der Schweiz wurde 1924 auf dem Hönggerberg bei Zürich erstellt. Im Häuschen befand sich die Sendetechnik. Im Hintergrund ist die Versuchsantenne zu erkennen. Die Sendeanlage bestand bis 1932. PTT

Sendetür­me in der Radio-Pionierzeit

Ab den 1920er-Jahren wurden in der Schweiz Radiosignale über erste Sendeanlagen verbreitet und empfangen. Die ersten Anwendungen dienten der Radiotelegrafie und dem Flugfunk.

Juri Jaquemet

Juri Jaquemet

Dr. phil., Sammlungskurator für Informations- und Kommunikationstechnologie, Museum für Kommunikation, Bern

Turmhohe Bauten hatten in der Schweiz bis in die 1920er-Jahre hinein Seltenheitswert. Gegen den Himmel strebten ab dem Mittelalter nur Kirchtürme und Bergfriede von Burgen. Im 19. Jahrhundert kamen hohe Schornsteine von Fabriken sowie erste Aussichtstürme dazu. Infrastrukturen für die Eisenbahn, Telegraf- und Telefonnetze und für die Elektrizität trugen zur Technisierung der Landschaft bei – die neuen Technologien prägten Raum und Landschaft mit. Der für die Weltausstellung 1889 erstellte Eiffelturm in Paris setzte als Eisen-Fachwerkbau weltweit den Standard. Dabei war der Eiffelturm nicht bloss Aussichtsturm. Ab 1910 diente der Turm als Zeitzeichensender und im Ersten Weltkrieg als Sendeanlage für die Radiotelegrafie. 1921 wurde erstmals ein Radioprogramm über Paris ausgestrahlt. Landschaftsprägende Fachwerkbauten aus Eisen und Stahl, etwa Aussichtstürme und Bahnviadukte, konstruierten Ingenieure und Architekten auch in der Schweiz. Ab 1920 entstanden neu auch Türme für Radio-Antennenanlagen und ab den 1950er-Jahren hohe Bauten für die Fernsehübertragung.
Die Geschichte des Radios begann in der Schweiz. Der Italiener Guglielmo Marconi führte 1895 einer seiner ersten Funk-Versuche in Salvan im Wallis durch. Beim «Pierre Bergère» (dt. Hirtenstein) hinter der Kirche liess er laut Augenzeugen per Fernauslöser eine Klingel läuten. 1909 erhielt er für seine praktischen Arbeiten zur Funktelegrafie den Nobelpreis für Physik. Marconi legte einen Grundstein für die Entwicklung der drahtlosen Telegrafie, des Sprechfunks und des Rundspruchs. In der Schweiz experimentierte die Armee 1905 erstmals mit der neuen Übermittlungstechnologie. Erste vom Bund konzessionierte Radiowellen-Empfänger standen dann ab 1910 in Uhrengeschäften. Dank dem Zeitzeichen des Eifelturms konnten die Uhrmacher ihre mechanischen Uhren exakt einstellen.
Antenne der Marconi Radio Station AG in Münchenbuchsee
Die zwischen den beiden markanten Türmen aufgehängte Antenne der Marconi Radio Station AG in Münchenbuchsee sendete Telegramme und Depeschen ins Ausland. Erstmals wurde die zivile Nutzung der Radiotechnik in der Landschaft sichtbar. Die mehrfach ausgebauten Sendeanlagen in Münchenbuchsee waren bis 1982 in Betrieb und vermittelten hauptsächlich internationale Fernschreibe- und Telexverbindungen. Aufnahme von ca. 1922. Museum für Kommunikation Bern
Noch bevor Radio als Informations- und Unterhaltungsmedium populär wurde, präsentierte sich die Funktechnik bereits als auffallende Infrastruktur in der Landschaft. Die ersten Antennenanlagen mit einer Höhe von fast 100 Metern markierten in der Schweiz ab 1921-1922 im Raum Bern die Präsenz der neuen Technik. Die Marconi Radio Station AG finanzierte mit britischem Kapital in Münchenbuchsee eine kommerzielle Radiotelegrafie-Sendestation. Zeitgleich entstand auf dem Riedernhubel bei Bümpliz die Empfangsstation. Über die Marconi-Anlagen wurden internationale Telegramme, Depeschen und Börsen-News via Radiotelegrafie versendet und empfangen. Ein guter Kunde war anfangs der Völkerbund in Genf. Anlässlich einer Kapitalerhöhung im Jahr 1924 gelangte die Eidgenossenschaft in den Besitz der Aktienmehrheit und wurde so praktisch zum Besitzer der Marconi-Anlagen in der Schweiz. 1928 erfolgte die Namenänderung in Radio Schweiz AG (heute bekannt unter dem Namen Flugsicherung Skyguide). Ebenfalls in den 1920er-Jahren entstanden auf den Flugplätzen Dübendorf, Cointrin bei Genf sowie auf dem Champ de l’air in Lausanne Flugfunkanlagen. Über Flugfunk konnte mit Morsecodes oder mit Sprechfunk kommuniziert werden. Auch hier manifestierte sich die neue Technik mit hohen Antennenmasten. Auf dem Waffenplatz Kloten stand ab 1921 ein 122 Meter hoher Antennenmast, der vom Flugplatz Dübendorf aus per Direktleitung betrieben wurde. Die schweizerischen Flugfunkanlagen gingen 1931 ebenfalls an die Radio Schweiz AG über. Vorher waren die Besitzverhältnisse unübersichtlich. Die Marconi Radio Station AG, die Armee, einzelne Städte und Kantone sowie Bundessubventionen finanzierten den Flugfunk.
Der zu der Antenne gehörende Sender der Marconi-Radio Station AG in Münchenbuchsee.
Der zu der Antenne gehörende Sender war im Gebäude der Marconi-Radio Station AG in Münchenbuchsee untergebracht. Aufnahme von ca. 1922. Museum für Kommunikation Bern
Bereits 1922 sicherte sich der Bund per Gesetz als Konzessions- und Oberaufsichtsbehörde die Macht über das neue Medium. Die Regulierungsaufgaben wurden dem Postdepartement (später PTT) übertragen. Im selben Jahr hatte Radio als Unterhaltungsmedium in der Schweiz Premiere. Vom Champ de l’air in Lausanne aus, strahlte der Flugfunksender neben Wetterberichten und Nachrichten erstmals auch Musik aus. 1923 bewilligte der Bund dann erste Rundfunkversuche mit den Flugfunksendern. Daraus bildeten sich mehrere Radioveranstalter heraus. 1923 ging Lausanne auf Sendung, 1924 Zürich, 1925 Bern und Genf sowie 1926 Basel. Der erste Nur-Rundspruchsender der Schweiz stand oberhalb Höngg bei Zürich. Die Infrastruktur des Senders war bescheiden: ein Häuschen beherbergte die Sendetechnik und die Antennenanlage war anfangs nicht höher als 15 Meter. In den 1920er-Jahren war Radiohören noch kein Genuss – Rauschen und Knacken im Äther prägten das Hörerlebnis. Zudem kamen Lautsprecher erst nach 1925 auf den Markt – vorher galt es, mit Kopfhörern den spärlichen Programmen zu lauschen. Trotz diesen Mängeln fanden die Radiosender schnell eine Hörerschaft. Die Faszination für das neue Medium verdeutlicht ein Zitat von Emil Meier. 1971 gab der frühe Radiotechniker im Schweizer Spiegel rückblickend zu Protokoll: «Doch eines Nachts zwischen zwei und drei Uhr hörte ich im Kopfhörer die Worte: ‹Hier ist der Sender Eberswalde, wir senden Tanzmusik.› Dann folgte Musik, klar und deutlich, und meine Ohren schlürften sie, wie ein Verdurstender das Wasser.» Ende 1923 hatte das Postdepartement 1000 Empfangskonzessionen vergeben. 1930 bezahlten bereits über 100'000 Hörerinnen und Hörer Empfangsgebühren.

«Doch eines Nachts zwischen zwei und drei Uhr hörte ich im Kopfhörer die Worte: ‹Hier ist der Sender Eberswal­de, wir senden Tanzmusik.› Dann folgte Musik, klar und deutlich, und meine Ohren schlürf­ten sie, wie ein Verdurs­ten­der das Wasser.»

Emil Meier, Radiotechniker
Die kleinen Sendeanlagen der Radioveranstalter verschwanden bereits vor dem Zweiten Weltkrieg wieder. Im Raum Bern wurde die Infrastruktur der Radio Schweiz AG weiterhin für die Radiotelegrafie genutzt. Erst 1982 wurde der Betrieb in Münchenbuchsee eingestellt. Internationale Fernschreibe- und Telexverbindungen wurden nun über Kabel und Satellit vermittelt. Das Gebäude an der «Radiostrasse» stuft die Berner Denkmalpflege als erhaltenswert ein. Heute findet sich darin eine Musikschule und der Jugendtreff «On Air». Ab etwa 1970 diente der Riedernhubel bei Bern als Empfangsstation für den schweizerischen Küstenfunk, der vorher in Dübendorf beheimatet war. Via dem «Bern Radio» genannten Funkdienst betreute die Radio Schweiz AG 1941-2016 die unter Schweizer Flagge fahrenden Hochseeschiffe. Gesendet wurde für diesen Service lange Zeit von Prangins aus. «Bern Radio» war die weltweit einzige Küstenfunk-Institution, die in einem Binnenland stationiert war. Das Riedernhubel-Gelände gehört heute dem VBS. Seit 2017 werden die Antennenanlagen schrittweise rückgebaut.
Zürcher Sender auf dem Hönggerberg 1926
Im Jahr 1926 wies der Zürcher Sender auf dem Hönggerberg bereits eine beachtliche Infrastruktur auf. Die beiden 1932 rückgebauten Gittermasten der Antennenanlage hatten eine Höhe von 65 Meter. ETH-Bibliothek
Eine Art Ersatz für Münchenbuchsee war eine auffällige Infrastruktur im Wallis. Die PTT nahm 1974 die schweizerische Satelliten-Bodenstation Leuk Brentjong in Betrieb. Von hier aus wurden via Satellitenverbindung internationale Telefongespräche und Fernmeldedienstleistungen vermittelt. Die Swisscom verkaufte die Anlage im Jahr 2000. Seither hatte die Anlage verschiedene Besitzer – einige der Antennen sollen seither auch von ausländischen Geheimdiensten und deren Subunternehmen genutzt werden.
Satelliten-Bodenstation Leuk Brentjong
Internationale Telekommunikationsverbindungen wurden ab den 1960er-Jahren zunehmend via Erd- oder Tiefseekabel und via Satellit vermittelt. Eine Art Ersatz für Münchenbuchsee war die 1974 eröffnete schweizerische Satelliten-Bodenstation Leuk Brentjong. Sie wurde für internationale Telefongespräche und Fernmeldedienstleistungen via Satellitenverbindung genutzt. Museum für Kommunikation Bern

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