Mit den Tieren leben
Zoodirektor Dr. Alex Rübel verbrachte alle seine Sommerferien und Landdienstaufenthalte im Alter von 12-20 Jahren auf der Braunwaldalp. Das enge Verhältnis zu den Tieren prägt ihn bis heute.
Rauch steigt mir in die Nase, das Zeichen aufzustehen. Ich drehe mich nochmals auf dem Heu, dann heisst es schnell dem Rauch entfliehen, die Hosen anziehen und vom Triel über dem Chälbergaden hinunter zu steigen in die Alphütte. Fritz Schuler, der Besitzer und Senn der Alp ist schon daran, Feuer zu machen und die Magermilch im grossen Kessi für die Schweine aufzuheizen. Ich schlüpfe in die innen noch etwas feuchten Stiefel und steige den Berg an, die ganze Abendweide hinauf bis unter die letzten Felsabbrüche und Schutthalden des Eggstocks. Ich geniesse den werdenden Tag, wecke die Kühe und treibe sie mit lauten Rufen hinunter zur Hütte. Selbstverständlich kenne ich sie und so weiss ich auch bald, dass alle auf dem Weg an ihren festen Platz im Hüttenstall sind. Die meisten legen sich dort hin, eine grosse Ruhe breitet sich im Stall aus. Neben den Geräuschen des Wiederkauens der Kühe ist nur die leise Ländlermusik aus dem kleinen Batterieradio zu hören.
Zu zweit beginnen wir die Kühe anzurüsten und zu melken. Für mich als Stadtzürcher ist es jedes Jahr schwierig, die Krämpfe in meinen Händen zeugen davon, dass mein letzter Alpaufenthalt bereits ein Jahr zurückliegt. Elektrizität gibt es keine. 90 Minuten dauert das Melken, den Kopf gegen die Lende der Kuh gelehnt, für mich eine meditative Erfahrung, in der ich richtiggehend mit der Kuh verschmelze. Auf unserer Hütte zentrifugiere ich die Milch und mache den Rahm für den Transport mit der Seilbahn ins Tal für die Butterproduktion bereit. Die Zentrifuge besteht aus fast 50 Teilen, die nach jedem Gebrauch in ihre Teile zerlegt und mit brühend heissem Wasser von Hand gewaschen werden muss. Mein Senn füttert draussen die Schweine mit der aufgewärmten Magermilch, der etwas alter Ziger und Grüsch zugesetzt wird.
Noch bleibt etwas Znüni-Zeit mit Milch, Kaffee, Käse, Speck und Brot, bis wir mit den Kühen auf die Tagesweide «fahren». Ich bleibe noch kurz zurück, um den Mist aus dem Stall zu entfernen. Die Kühe zieht es ins frische Gras und immer höher hinauf zu den jüngsten Kräutlein. Auch wenn es gilt, die Herde so zu lenken, dass gefährliche Stellen gemieden werden und keine Unruhe in der Herde entsteht, bleibt doch Zeit, sich manchmal ins Gras zu legen, die nahen Munggen und die Natur zu beobachten. Am späteren Nachmittag wird es Zeit an die Rückkehr zu denken. Einer von uns geht zurück zur Hütte, um für die Schweine anzufeuern und sie zu füttern. Der andere bringt die Herde langsam wieder zurück zu den Hütten. Nochmals ein kleiner Imbiss oder Kaffee und dann wird der Melkvorgang vom Morgen wiederholt.
Früh dunkelt es ein, auf dem Holzherd ensteht ein Fenz, das typische Rahm-Mehlgericht aus dem Glarnerland, den wir zusammen in der nur von einer Petrollampe beleuchteten Hütte aus der Pfanne löffeln. Die Sonne ist bereits hinter dem Ortstock verschwunden. Wir setzen uns noch für ein paar Minuten auf den Stein vor der Hütte und geniessen die Abendbrise bei Gesprächen über Gott und die Welt, bevor wir müde von der Tagesarbeit erfüllt über die Leiter wieder auf unser Heulager über den Kälbern kriechen.