Ein Polizist sorgt im Fussballstadion für Ordnung, 1961.
Ein Polizist sorgt im Fussballstadion für Ordnung, 1961. Schweizerisches Nationalmuseum / ASL

Vom Landjäger zum Verkehrspolizisten

Wie sich aus der Warenkontrolle auf mittelalterlichen Märkten und dem Vertreiben von Bettlern aus dem Staatsgebiet die moderne Polizei entwickelte.

Alexander Rechsteiner

Alexander Rechsteiner

Alexander Rechsteiner hat Anglistik und Politikwissenschaften studiert und arbeitet bei der Kommunikation des Schweizerischen Nationalmuseums.

Die Geschichte der Polizei in der Schweiz ist auch die Geschichte der Entstehung des modernen liberalen Staates. Der Beruf des Polizisten im modernen Sinn existiert somit erst seit rund 150 Jahren. Mord, Betrug und Diebstahl sind hingegen so alt wie die Menschheit und ebenso die Funktion des Polizisten. Während Jahrhunderten waren die Grenzen zwischen Verwaltung, Militär, Polizei und Justiz fliessend und die Polizeigewalt oft in der Hand der regierenden Elite oder gar eines einzelnen Machthabers.

Bereits im antiken Europa brauchte es Ordnungshüter und Verbrechensbekämpfer. Für die Ordnung auf Märkten und Strassen sorgte im alten Rom vor allem die Armee. Nach dem Untergang Roms kollabierte das Staatswesen in Europa weitgehend. Erst als Karl der Grosse (768-814) Europa neu organisierte, gab es auf dem Gebiet der heutigen Schweiz wieder ein funktionierendes Staatswesen und damit die Funktion einer Polizei.

Im Hochmittelalter bildeten sich in den Städten Ämter heraus, die ordnungserhaltende Aufgaben zu erfüllen hatten. Der Einlass in Städte war streng geregelt und durch Stadtmauern und Stadttore abgesichert. Torwächter kontrollierten, wer ein und aus ging, Nachtwächter patrouillierten in den Gassen während der Dunkelheit. Marktkontrolleure oder «Schaumeister» kontrollierten die Qualität der Ware auf den Märkten, andere Bedienstete die Feuerschutz- oder Gesundheitsvorschriften. Bei Straftaten führten Stadtknechte die Täter dem städtischen Rat vor.

Das Wort «Polizei» entsteht aus dem Begriff «gute Policey». Dieser Begriff bezeichnete anfangs nicht eine Verwaltungseinheit oder eine Funktion, sondern ein Ziel: Das geordnete und geregelte Zusammenleben in einer Gesellschaft. Die immer umfassendere Regulierung aller möglichen Aspekte im Leben eines Untertans gipfelte im absolutistischen Polizeistaat des 17. und 18. Jahrhunderts. Für die Durchsetzung und Kontrolle dieser Regeln war sodann die «Policey» zuständig. Spuren dieser Begriffsentwicklung finden sich in den heute veralteten Bezeichnungen «Fremdenpolizei», «Baupolizei» oder «Feuerpolizei».

Auch die Bewaffnung der Polizei hat sich über die Jahrhunderte verändert. Pistole der Polizei Neuenburg, 1840-1860.
Schweizerisches Nationalmuseum

Der «Landjäger» - kein angesehener Beruf

Räuberbanden, Fahrende und Bettler spielten seit dem 15. Jahrhundert eine wichtige Rolle für die Entwicklung des modernen Polizeiwesens in der Schweiz. Wehrfähige Männer wurden aufgeboten um als sogenannte «Landjäger» das «Gesindel» vom Staatsgebiet zu vertreiben. Die Landjäger waren Soldaten, die im Ausland Kriegsdienst geleitstet hatten. Die Jagd nach Bettlern und Räubern blieb aber weitgehend wirkungslos, da die Grenzen nicht bewacht wurden und sich die Verjagten umgehend wieder einschleichen konnten. Auch waren diese Landjäger, durch ihre Kriegserfahrung rau geworden, nicht für ihr Feingefühl bekannt. Nach und nach übernahmen die Landjäger auch Aufgaben, die vorher von unterschiedlichen Ämtern wahrgenommen wurden.

An den Landjägern haftete bis zur Gründung des Bundesstaates und der Verabschiedung von liberalen Verfassungen in den Kantonen ein schlechter Ruf. Der liberale Zeitgeist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stand im Widerspruch zu den schlecht bezahlten, rauen und oft willkürlich agierenden Landjägerkorps. Der Beruf der Landjäger war nicht angesehen und nichts für einen Bürger, der etwas auf sich hielt. Es herrschte daher «Mangel an ehrlichen Männern, die sich für eine solche Aufgabe hergeben», heisst es in einem Zürcher Rapport 1728. Das wiederum förderte die Korruption und Willkür unter den Ordnungshütern. So wurde beispielsweise im Kanton Zürich bis 1864 ein Grossteil der Mannschaft des Landjägerkorps entlassen, der Sold aufgebessert und strengere Polizeigesetze und Dienstvorschriften erlassen.

Landjäger während der Helvetik, um 1800.
Schweizerisches Nationalmuseum

Landjäger aus Solothurn, um 1813.
Schweizerisches Nationalmuseum

Fahndung und Identifikation

Das grundsätzlich herrschende Misstrauen gegenüber Wandernden und Fremden zu Beginn des 19. Jahrhunderts führte zur Schaffung von Ausweisen und Reisepapieren. Wer unterwegs war, brauchte eine Genehmigung der Behörden. Ausweisschriften legitimierten Zweck und Dauer von Reisen und vorteilhafterweise trug man diese Papiere auf sich, wollte man nicht als Vagant weggewiesen werden. Die Kantone stellten auch Pässe für Reisen ins Ausland oder in andere Kantone aus. Um verdächtige oder bereits abgewiesene Personen identifizieren zu können, kamen Signalement-Bücher auf, die die Kantone untereinander austauschten.

Die Industrialisierung und der technische Fortschritt hatten auch auf das Polizeiwesen entscheidenden Einfluss. Ab 1900 kam die Körpervermessung von Verdächtigen auf, 1913 die Verwendung von Fingerabdrücken. Funk, Telefon und das Aufkommen von Automobilen veränderten die Arbeitsweise der Polizei weiter. Ab den 1950er-Jahren wurden spezialisierte Verkehrspolizeieinheiten geschaffen, ab den 1970er-Jahren Sondereinheiten zur Bekämpfung der Schwerstkriminalität. So wie sich die Gesellschaft und mit ihr das Sicherheitsbedürfnis und die Kriminalität verändert, so muss sich auch die Polizei stetig den Veränderungen anpassen.

Beamte der Kantonspolizei St. Gallen 1937.
Foto: Kantonspolizei SG/Facebook

Ein Waadtländer Polizist überprüft die Papiere eines Autofahrers, um 1946.
ASL/Schweizerisches Nationalmuseum

Ein Zürcher Verkehrspolizist in Aktion, um 1960.
ASL/Schweizerisches Nationalmuseum

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