«Missionar Ramseyer und seine Frau»: Das Missionarsehepaar Rose Bontems und Fritz Ramseyer. Mit KI koloriert.
«Missionar Ramseyer und seine Frau»: Das Missionarsehepaar Rose Bontems und Fritz Ramseyer. Mit KI koloriert. Universitätsbibliothek Basel

Fritz Ramseyer: Schweizer Missionar und kolonia­ler Agent

Britische Kanonen ebneten der Basler Mission im 19. Jahrhundert den Weg nach Kumase, der Hauptstadt des westafrikanischen Asantereichs. Der Schweizer Fritz Ramseyer spielte dabei eine wichtige Rolle.

Peter Haenger

Peter Haenger

Peter Haenger ist freier Historiker mit Forschungsschwerpunkten in Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.

Der aus Neuenburg stammende Fritz Ramseyer ist 21 Jahre alt, als er seine Ausbildung 1861 in der von pietistischen Kreisen getragenen Basler Missionsgesellschaft beginnt. Drei Jahre später reist er als Missionar an die westafrikanische Goldküste aus. Er leitet Bauarbeiten in Christiansborg, der ehemaligen dänischen Festung nahe Accra, lernt Englisch und die Lokalsprache Ga. Im April 1866 heiratet er die ihm nachgesandte Schweizerin Rose Bontems. Das Ehepaar wird an den Ort Anum am Voltafluss und damit in eine gefährliche politische Konfliktzone versetzt.
Karte der damaligen «Goldküste in Westafrika».
Karte der damaligen «Goldküste in Westafrika». Universitätsbibliothek Basel
Das lokale Königreich von Asante und die Kolonialmacht Grossbritannien haben zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Kriege um die Vorherrschaft über die Goldküste geführt. Ende der 1860er-Jahre verschärft sich die militärische Lage erneut. 1869 versucht eine Asantearmee politischen Einfluss in verlorengegangenen Provinzen im Süden zurückzugewinnen und überfällt die kleine Stadt Anum. Die Asantesoldaten nehmen das Ehepaar Ramseyer, ihren kleinen Sohn und den Missionskaufmann Johannes Kühne gefangen und verschleppen sie nach Kumase. Die Gefangennahme macht Fritz Ramseyer zu einer in weiten Teilen Europas bekannten Figur. Das Schicksal seiner Familie, insbesondere der Tod seines Sohns auf dem erzwungenen Marsch von Anum nach Kumase, wird über alle zur Verfügung stehenden Informationskanäle der Basler Mission bekannt gemacht. Das Ehepaar Ramseyer sowie ihr Begleiter Kühne verbringen ganze vier Jahre in Kumase, da der Asantehene (König von Asante) die Europäer als Faustpfand im Konflikt mit Grossbritannien betrachtet.
Plan von Kumase. Das Schweizer Missionarsehepaar verbrachte vier Jahre hier.
Plan von Kumase. Das Schweizer Missionarsehepaar verbrachte vier Jahre hier. Universitätsbibliothek Basel
Während ihrer Gefangenschaft halten Ramseyer und Kühne ihre Beobachtungen und Erlebnisse in Tagebüchern fest, die 1874 publiziert werden. Diese erfahren eine ungeheure Popularität, bieten sie dem europäischen Publikum doch ungewohnte Einblicke in ein fremdes afrikanisches Königreich. Neben ethnografischen und politischen Beobachtungen vermittelt die Schrift von Ramseyer und Kühne eine offene Botschaft im Sinn der sich ausweitenden britischen Kolonialherrschaft: «Asante muss seine Kniee (sic!) vor dem Herrn beugen, und die Mission muss unter ihnen getrieben werden», so Ramseyer im August 1872. Die gefangenen Europäer sehen die Gefangenschaft als eine von Gott auferlegte Zeit der Prüfungen, auf die Ramseyer eine teleologische Perspektive entwickelt: Das Leiden wird seinen Sinn in einer künftigen Missionierung des Asantevolkes offenbaren. 1872 kaufen die Briten den Holländern die Festung von Elmina ab und ignorieren dabei alte Gebietsansprüche der Asante auf dieses Küstengebiet. Ein direkter Krieg zwischen Kumase und Grossbritannien ist nun unausweichlich. Als sich eine britische Streitmacht in Cape Coast unter dem Befehl von Sir Garnet Wolseley formiert, lassen die Asante die Geiseln frei, ohne dadurch Vorteile erlangen zu können. Nach ihrem Einmarsch in Kumase machen die britischen Truppen die Asante-Hauptstadt dem Erdboden gleich. Der Fall Kumases als der Hauptstadt des «kriegerischsten Volkes ganz Afrikas» bewirkt in der Basler Missionsgemeinde wie auch in England eine Art Kreuzzugsbegeisterung im Hinblick auf eine künftige Missionierung Asantes. Als treibende Kraft hinter einer möglichen «Asantemission» agiert Fritz Ramseyer. Er absolviert eine missionarische Propagandatour durch England, um in kirchlichen Kreisen Geld für die Pläne der Basler Mission zu sammeln.
Das Ehepaar Ramseyer im Kreis britischer Offiziere, Kumase, zwischen 1899 und 1908.
Das Ehepaar Ramseyer im Kreis britischer Offiziere, Kumase, zwischen 1899 und 1908. Archiv der Basler Mission
Die Goldküste wird nach dem militärischen Sieg der Briten zwar zur Kronkolonie erklärt. Die britische Macht reicht aber nicht über den Grenzfluss Pra hinaus, und so bleibt das Asantereich vorerst unabhängig. Der Asantehene lehnt eine Niederlassung von Missionaren in Kumase ab. Denn diese wird vom Hof des Königs als fünfte Kolonne der britischen Kolonialmacht wahrgenommen. Es ist Fritz Ramseyer, der den Blick seiner Vorgesetzten in Basel nun nach Kwawu, einer Hochebene ausserhalb des Machtbereichs der Kronkolonie, richtet. Wichtige Chiefs von Kwawu haben die Schwäche Kumases 1874/75 genutzt und sich vom Asantereich losgesagt. Die sezessionistisch gesinnten Chiefs stimmen der Eröffnung einer Missionsstation in ihrem Einflussgebiet zu. Erster Präses wird Fritz Ramseyer, der die Station in Abetifi als Sprungbrett zur eigentlichen Missionsarbeit in Kumase versteht. In den folgenden Jahren wird sich die Mission zu einer inoffiziellen politischen Kraft in Kwawu entwickeln. Ramseyer nutzt sein Prestige, um auf die Unterzeichnung eines Protektoratsvertrages zwischen der einstigen Asanteprovinz und der Kolonialmacht hinzuarbeiten. Ende der 1880er-Jahre ist es soweit: im Beisein von District Commissioner Dr. Smith wird der Protektoratsvertrag von den lokalen Chiefs feierlich unterzeichnet. Als Zeuge unterschreibt Ramseyer den Vertrag ebenfalls und hält den historischen Moment im Bild fest.
Unterzeichnung des britischen Protektoratsvertrags mit Kwawu im Beisein von District Commissioner Dr. Smith, einem Krio aus Sierra Leone, und Fritz Ramseyer.
Unterzeichnung des britischen Protektoratsvertrags mit Kwawu im Beisein von District Commissioner Dr. Smith, einem Krio aus Sierra Leone, und Fritz Ramseyer. Archiv der Basler Mission
Die beschleunigte koloniale Aufteilung Afrikas gefährdet die Unabhängigkeit des Reichs von Asante ab 1890 grundlegend. Ramseyer hält Verbindungen zu dissidenten Asantechiefs und versorgt so die Briten mit Informationen über die politische Lage in Kumase. Den britischen Gouverneur jener Tage fordert er offen zu einer interventionistischen Politik auf: «For humanity’s sake, for the welfare of the country… to do the finishing stroke and bring Kumase and all that is remaining of Ashantee under the British Flag». Im November 1895 entscheiden sich die Briten für eine militärische Lösung des «Asanteproblems». Eine britische Armee erreicht Kumase ohne nennenswerte Gegenwehr am 17. Januar 1896. Einen Tag später befindet sich Gouverneur Maxwell ebenfalls in der Hauptstadt des Asantereichs und eröffnet dem Asantehene, dass sein Reich unter britischen «Schutz» gestellt werde. Asantehene Agyeman Prempe wird für abgesetzt erklärt und schliesslich mit seinem Hof auf die fernen Seychellen im Indischen Ozean verbannt.
«Zimmer im Missionshaus von Abetifi. Goldküste», zwischen 1891 und 1899.
«Zimmer im Missionshaus von Abetifi. Goldküste», zwischen 1891 und 1899. Archiv der Basler Mission
Nicht ohne Stolz vermerkt der offizielle Historiograph der Basler Mission, Wilhelm Schlatter, der britische Gouverneur habe sofort nach der Besetzung Kumases Ramseyer eine Mitteilung zukommen lassen: «Kumasi will henceforth be open to missionaries». Am 22. Februar trifft Ramseyer in Kumase ein. Allerdings wird Missionar Mohr, zeitweise Generalpräses in Asante, vier Jahre später kritisch anmerken, dass «es ein grosser Fehler» gewesen sei, «mit den Eroberern zugleich in Kumase erschienen zu sein». Die Menschen in Asante identifizieren die Missionare mit der Kolonialregierung und die Christianisierung erfolgt nur schleppend. Der Nationalstolz der Asante, den Ramseyer stets als «Hochmut» bezeichnet hat, ist selbstverständlich nicht über Nacht verschwunden. Im Jahr 1900 kommt es zum letzten nationalen Aufstand der Asante, und zwar unter der Führung einer Frau, der Königinmutter Yaa Asantewaa.
Yaa Asantewaa, die « Queen Mother» des Königreichs von Asante gilt bis heute als Vorbild für den afrikanischen antikolonialen Widerstand.
Yaa Asantewaa, die «Queen Mother» des Königreichs von Asante gilt bis heute als Vorbild für den afrikanischen antikolonialen Widerstand. yaaasantewaa.co.uk
Die europäischen Missionare, darunter Fritz und Rose Ramseyer, finden Zuflucht im britischen Fort ausserhalb Kumases. Nach einer achtwöchigen Belagerung wagen die eingeschlossenen Europäer den Ausbruch und erreichen 25 Tage später die Küste. Der Aufstand wird von den Briten schliesslich militärisch niedergeschlagen, Asante wird formell Teil der Gold Coast Colony und damit britischem Kolonialrecht unterstellt. Im Dezember desselben Jahres steht Ramseyer vor den Ruinen seiner Station in Kumase und beginnt mit dem Wiederaufbau. Zum zweiten Mal hat die Kolonialmacht der Basler Mission den Zugang nach Kumase freigeschossen.
Das Missionarsehepaar Rose Bontems und Fritz Ramseyer, undatierte Aufnahme.
Das Missionarsehepaar Rose Bontems und Fritz Ramseyer, undatierte Aufnahme. Archiv der Basler Mission
Rose Ramseyer muss die Goldküste 1904 aus gesundheitlichen Gründen verlassen und stirbt zwei Jahre später in der Schweiz. Fritz wird noch vier weitere Jahre in Kumase verbringen. Er stirbt 1914 ebenfalls in der Schweiz. Dass die Briten im Ersten Weltkrieg alle deutschen Mitarbeiter der Basler Mission in Internierungslager abtransportieren, erlebt Ramseyer nicht mehr. 1928 wird die Missionskirche, inzwischen nach schottischem Vorbild neuorganisiert, als Presbyterian Church of the Gold Coast unabhängig werden.

kolonial — Globale Verflech­tun­gen der Schweiz

13.09.2024 19.01.2025 / Landesmuseum Zürich
Ab dem 16. Jahrhundert waren Personen und Unternehmen aus der Eidgenossenschaft mit dem kolonialen System eng verflochten. Einzelne Schweizer Firmen sowie Privatpersonen beteiligten sich am transatlantischen Sklavenhandel und verdienten am Handel mit Kolonialprodukten und durch die Ausbeutung versklavter Menschen ein Vermögen. Schweizerinnen und Schweizer waren als Missionare auf der ganzen Welt unterwegs. Andere dienten, getrieben von Armut oder Abenteuerlust, als Söldner in europäischen Heeren, die koloniale Eroberungen machten und den Widerstand der indigenen Bevölkerungen bekämpften. Aber auch Fachleute aus der Schweiz stellten ihr Wissen in den Dienst der Kolonialmächte. An den Universitäten Zürich und Genf wurde zudem rassistisches Denken gelehrt, das international verbreitet wurde und der Legitimation des kolonialen Systems diente. Basierend auf neusten Forschungsresultaten, anhand von konkreten Beispielen und illustriert mit Objekten, Kunstwerken, Fotografien und Dokumenten bietet die Ausstellung im Landesmuseum Zürich erstmals einen umfassenden Überblick über die koloniale Verflechtungsgeschichte der Schweiz. Mit Aktualitätsbezügen geht sie ausserdem der Frage nach, was das koloniale Erbe für die Schweiz der Gegenwart bedeutet.

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