Prinz Philip auf dem Kutscherbock: mehr ein Gentleman als ein Sportler. Aufnahme von der Eröffnung der Vierspänner-Weltmeisterschaften in den Niederlanden im August 1982.
Prinz Philip auf dem Kutscherbock: mehr ein Gentleman als ein Sportler. Aufnahme von der Eröffnung der Vierspänner-Weltmeisterschaften in den Niederlanden im August 1982. Niederländisches Nationalarchiv

Der Prinz, der die Abkürzung nahm

Prinz Philip, der Ehemann der Queen und der Vater des heutigen Königs von England, war immer mal wieder in der Schweiz, viel häufiger als seine Frau. 1981 zum Beispiel nahm er an der Vierspänner-Europameisterschaft in Zug teil. Dabei brachte er die Jury in eine heikle Situation.

Michael van Orsouw

Michael van Orsouw

Michael van Orsouw ist promovierter Historiker, Bühnenpoet und Schriftsteller. Er veröffentlicht regelmässig historische Bücher.

Prinz Philip, der Duke of Edinburgh, wurde weltbekannt als der Gatte von Queen Elizabeth II. und als Vater des heutigen Königs Charles III. Er hielt in seiner Rolle 5496 Ansprachen, nahm 22'219 Termine wahr und unternahm 637 Auslandsreisen, wie man im englischen Königshaus peinlich genau mitgezählt hat. Was man nicht gezählt, aber peinlich berührt hat, waren seine zahlreichen Tritte in die Fettnäpfe. Über Journalisten meinte er, als er glaubte, dass ihn niemand hörte: «Da sind sie wieder, diese Reptilien!» Als er in Ungarn einen Engländer traf, meinte er: «Sie können noch nicht so lange hier sein, Sie haben keine Wampe.» Und in China sagte er zu britischen Studenten: «Wenn Sie länger hier bleiben, bekommen Sie Schlitzaugen.»
Prinz Philip wurde im Verlauf seines langen Lebens zur Kultfigur: hier sein Porträt als Ölbild von Bryan Organ, 1983.
Prinz Philip wurde im Verlauf seines langen Lebens zur Kultfigur: hier sein Porträt als Ölbild von Bryan Organ, 1983. © National Portrait Gallery, London

Die Mutter in einer Schweizer Klinik

Diese Anekdoten gingen um die Welt, und Philip bekam den Spitznamen «Prinz Fettnapf». Worüber jedoch nur wenige Bescheid wissen, ist Philips Beziehung zur Schweiz. Offensichtlich war, dass er 1980 seine Gattin auf dem offiziellen Staatsbesuch in die Schweiz begleitete. Weniger bekannt hingegen ist sein früher Bezug zur Schweiz, bereits in seiner Kindheit, der allerdings eher der traurigen Art war. Seine Mutter Alice von Battenberg litt an Schizophrenie, die ihr kein Geringerer als der Psychoanalytiker Sigmund Freund diagnostiziert hatte. Die adelige Mutter wurde deshalb gegen ihren Willen ins «Asyl Bellevue» in Kreuzlingen eingewiesen. Das war ein Sanatorium für «Nerven- und Geisteskranke», wie es damals hiess, unter der Leitung von Ludwig Binswanger und mit vielen prominenten Patientinnen und Patienten wie der Kunstmaler Ernst Ludwig Kirchner oder der Schauspieler Gustaf Gründgens. Für den kleinen Philip bedeutete dies, dass er in den folgenden zweieinhalb Jahren bei verschiedenen Verwandten unterkommen musste. Seine Mutter durfte er nur wenige Male in der Schweizer Klinik besuchen. Dennoch bekam sein Schweiz-Bild keine Risse. Denn er bereiste die Schweiz x-mal, zum Beispiel war er 1974 an einem Pferdewettkampf in Frauenfeld, zudem kam er immer wieder, weil er zwei wichtige Mandate übernahm: Er war von 1964 bis 1986 Präsident der Fédération Equestre Internationale (FEI), der Dachorganisation der Reitsportfans, damals mit Sitz in Bolligen und Ostermundigen. Und er war von 1981 bis 1996 Präsident des WWF mit Hauptsitz in Gland am Genfersee.
Engagement für Tier- und Naturschutz: Philip (rechts) präsidierte den WWF International mit Sitz in der Schweiz. Hier in einer Aufnahme vom 26. Juni 1980 am Hauptsitz des WWF in Gland VD.
Engagement für Tier- und Naturschutz: Philip (rechts) präsidierte den WWF International mit Sitz in der Schweiz. Hier in einer Aufnahme vom 26. Juni 1980 am Hauptsitz des WWF in Gland VD. Keystone

Der Prinz auf dem Kutscherbock

Einiges ist über Prinz Philips Teilnahme an den Europameistermeisterschaften im Viererzugfahren im August 1981 in Zug überliefert. Für Nicht-Pferdefans sei kurz erklärt: Ein Viererzug ist eine Kutsche, die vier Pferde ziehen, auch Vierspänner genannt. Die Pferde sind dabei in zwei Zweiergruppen hintereinander gespannt. Prinz Philip nahm in doppelter Funktion am Grossanlass teil: als Präsident der FEI und gleichzeitig als Spitzensportler und amtierender Weltmeister im Teamwettbewerb des Viererzugfahren. Kaum in Zug angekommen, schwang sich der blaublütige Pferdenarr auf sein Vierergespann und trabte über die General-Guisan-Strasse in Richtung Lorze. Dabei drängten seine Pferde gefährlich nach links, weil sie von England her Linksverkehr gewohnt waren. Zum Glück wusste der Prinz sie auf die rechte Seite zu lenken. Das Zuger Tagblatt zitierte Zaungäste: «So nahe werden wir Philip wohl nie mehr sehen.» Philip wirkte sehr entspannt und fuhr für fünf Viertelstunden über die Lorzenebene. Reporter befragten ihn, wie ihm der Kanton Zug gefallen habe? In seiner typischen, undiplomatischen Direktheit meinte die königliche Hoheit: «Ein bisschen wenig Platz für meinen Geschmack.» Die Pferde kamen zurück in die Stallungen, wo der Prinz jedem von ihnen ein Zückerchen zusteckte und danach beim Ausschirren und Putzen selber Hand anlegte. Bei den Stallungen und auf dem Festgelände beim Zuger Stierenmarkt-Areal sah der Prinz aus wie ein Stallknecht. Als er einmal in gebrochenem Deutsch um Einlass begehrte, blieb er unerkannt, und der Wachmann wies ihn schroff ab. Denn Philip hatte die Festrosette, die ihm den Zugang ermöglicht hätte, im Range Rover liegenlassen.
Auch der Royal musste sich der Kontrolle unterziehen: hier 1981 in Niederwil im Kanton Zug.
Auch der Royal musste sich der Kontrolle unterziehen: hier 1981 in Niederwil im Kanton Zug. Josef Grob

Der Kafi Kirsch in der Landbeiz

An den kommenden Tagen vor dem Wettkampf tauchte der Prince of Edinburgh am Morgen als Erster auf dem Festgelände auf, doch verschwand er regelmässig mit seinem Gefährt Richtung Norden. Viele in Zug rätselten, welch geheimen Trainingsplatz der Prinz gefunden habe? Bald sickerte durch, dass er die Gastwirtschaft Löwen in Steinhausen entdeckt habe, wo er sich jeweils ein Café creme mit Kirsch genehmigte. An den Wettkämpfen nahmen 40 Gefährte aus 13 Nationen teil. Der Prinz fuhr eine Kutsche, die er 1975 mit Metallrädern erbauen liess. Er selber hatte mit dem Viererzugfahren angefangen, weil er aufgrund von Beschwerden im Handgelenk mit dem Polospiel aufhören musste. «Ich glaubte, dass Fahren den Platz von Polo einnehmen könnte, und so war es. Es war eine grosse Herausforderung, und es hat mir ausserordentlich viel Vergnügen und Befriedigung gegeben. Ich bin speziell darüber erfreut, dass ich immer noch mit Pferden arbeiten kann.»
Der Royal dinierte in Sihlbrugg und verewigte sich im Gästebuch.
Der Royal dinierte in Sihlbrugg und verewigte sich im Gästebuch. Krone Sihlbrugg
Das tat er sehr gekonnt, auch in Zug. Bei der Eröffnungszeremonie zuckten 5000 Menschen auf den Rängen und viele Pferde zusammen, als die Beresina-Grenadiere mit ihren Vorderladern buchstäblich den Startschuss zu der Europameisterschaft gaben. Nur Philips Pferde ertrugen die Bollerschüsse mit Gelassenheit, schliesslich waren sie kurz zuvor inmitten von Hunderttausenden im Einsatz gewesen, nämlich bei der Heirat von Prinz Charles und Lady Diana. Jetzt aber stand Philip im Stadion Herti bei seinen Pferden, «der ob der Sympathiewelle, die ihm entgegenschlug, seine Rührung kaum unterdrücken konnte», wie der Reporter des Luzerner Tagblatts festzustellen meinte.
Prinz Philip in Zug im Einsatz: Er gewann mit seinem Team die Bronzemedaille.
Prinz Philip in Zug im Einsatz: Er gewann mit seinem Team die Bronzemedaille. Luzerner Tagblatt

Der Gentleman an den Zügeln

Am Samstag stand die lange Ausfahrt auf dem Programm, der Marathon Zug–Maschwanden retour. Auf den 32 Kilometern waren sieben Hindernisse eingebaut. Nicht weniger als 50'000 Menschen säumten die Strassen, die vor allem einen sehen wollen: den englischen Prinzen! Er war standesgemäss gekleidet, in weissem Hemd mit nach hinten gekrempelten Ärmeln, mit Lederhandschuhen, Schiebermütze, dunkler Sonnenbrille und Krawatte. Anders als die wagemutigen Ungaren mit ihren feurigen Pferden lenkte der 60-jährige Philip sein Gefährt sehr konzentriert und kontrolliert, sodass ein Journalist notierte: «Man hatte das Gefühl, dass hier nicht ein Sportler, sondern ein Gentleman am Werk war.» Nach der Fahrt durch die Umgebung von Zug kam es zu einer heiklen Situation: Der mit Abstand populärste Teilnehmer, der englische Prinz, soll gemogelt und beim Äbnetwald in Niederwil eine Abkürzung gewählt haben.
Der Prinz inspirierte sogar einen Zuger Illustrator: Eine Karikatur aus der Lokalzeitung.
Der Prinz inspirierte sogar einen Zuger Illustrator: Eine Karikatur aus der Lokalzeitung. Zuger Nachrichten
Die Jury geriet in die Zwickmühle: Konnte sie es sich leisten, das adlige Publikumsmagnet zu verurteilen? Nach langer Beratung kam sie zum salomonischen Schluss: Der Prinz habe zwar eine Abkürzung genommen, aber er trage keine Schuld daran, denn die Markierung sei nicht genau so gewesen, wie sie hätte sein sollen. Der Schweizer Fahrer Christian Iseli war erzürnt: «Die Engländer finden immer wieder eine Lücke im Reglement, um sich Vorteile zu verschaffen. Daran haben wir uns längst gewöhnt.» Damit reichte es dem Gentleman zum 10. Platz bei 40 Teilnehmern und sein britisches Team gewann beim Mannschaftswettbewerb die Bronze-Medaille. Prinz Philip und seine Kollegen feierten ihren Erfolg ausgelassen mit einem spontanen Feuer auf dem Festgelände, zu dem sie sich im Schneidersitz auf den Boden setzten und Whiskyflaschen im Kreis herumreichten. Zu später Stunde schwangen die Engländer zur Musik von drei Handörgelern die Tanzbeine, auch Prinz Philip, wussten die Zuger Nachrichten, war «ganz ausgelassen und tanzte fast ununterbrochen». Damit dürfte der Prinz seine düsteren Kindheitserinnerungen an die Schweiz weit hinter sich gelassen haben.

Royals zu Besuch – von Sisi bis Queen Elizabeth

13.06.2025 09.11.2025 / Landesmuseum Zürich
Obwohl die Schweiz keine royale Tradition hat, faszinieren die Geschichten der Königshäuser auch hierzulande. Ob Kaiserin, Königin oder Prinzessin: Eines hatten die königlichen Besuche gemeinsam, egal ob sie aus politischen, wirtschaftlichen oder privaten Gründen erfolgten. Sie lösten – damals wie heute – eine immense Begeisterung und Faszination in der Schweizer Bevölkerung aus. Dies zeigt die Ausstellung anhand von zahlreichen Bildern und exklusiven Objekten der Blaublütigen.

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