«Der Bund» meldet am 9. September 1933 den Tod des Irakischen Königs Faysal I. in Bern.
«Der Bund» meldet am 9. September 1933 den Tod des Irakischen Königs Faysal I. in Bern. e-newspaperachives.ch

Tod eines Königs in Bern

Im September 1933 starb Iraks erster König in Bern im Alter von nur 48 Jahren. Wer war Faysal I. und was bedeutete sein früher Tod für die haschemitische Dynastie im Zweistromland?

Peter Haenger

Peter Haenger

Peter Haenger ist freier Historiker mit Forschungsschwerpunkten in Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.

Auf dem Bundeshaus standen die Fahnen am 9. September 1933 auf Halbmast. In der Nacht zuvor war König Faysal I. von Irak im Hotel Bellevue Palace einem Herzschlag erlegen. Um 18 Uhr begaben sich Vizepräsident des Bundesrates Marcel Pilet-Golaz und der Chef des Politischen Departements, Bundesrat Giuseppe Motta, ins nahe gelegene Luxushotel, um dem dort anwesenden älteren Bruder des Verstorbenen, Exkönig Ali von Hedschas, sowie dem irakischen Aussenminister Nuri Pascha ihr Beileid auszusprechen. Faysals Leichnam wurde noch am selben Tag einbalsamiert. Der bekannte Berner Fotograf Carl Jost machte anschliessend ein Foto vom aufgebahrten König. Am 10. September wurde ein Trauerwagen mit dem Sarg dem internationalen Schnellzug angehängt, der um 8:48 Uhr Bern verliess und über den Simplon nach Genua fuhr. Dort übernahm das britische Kriegsschiff HMS Despatch die sterblichen Überreste Faysals und überführte sie nach Haifa. Ein Militärflugzeug brachte den Sarg schliesslich nach Bagdad, wo am 16. September die Beisetzung stattfand. Bereits sieben Tage zuvor war Faysals damals 21 Jahre alter Sohn Ghazi zum neuen König des Irak proklamiert worden.
Das in Bern von Carl Jost aufgenommene Totenbild von Faysal I.
Das in Bern von Carl Jost aufgenommene Totenbild von Faysal I. Staatsarchiv des Kantons Bern
Am 14. September 1933 werden die sterblichen Überreste von Königs Faysal I. mit einem britischen Kreuzer nach Haifa überführt. Der Sarg von König Feisal wird von britischen Marinesoldaten getragen.
Am 14. September 1933 werden die sterblichen Überreste von Königs Faysal I. mit einem britischen Kreuzer nach Haifa überführt. Der Sarg von König Feisal wird von britischen Marinesoldaten getragen. Library of Congress
König Faysal war nicht zum ersten Mal in der Schweiz gewesen. Schon 1930 und 1931 hatte sich der Monarch einige Wochen in ärztliche Behandlung begeben, und zwar in der Berner Privatklinik von Privatdozent Albert Kocher. Letzterer war der Sohn und gleichzeitig einer der Schüler Theodor Kochers. Vater Kocher war ein Pionier der physiologischen Chirurgie gewesen und hatte 1909 den Nobelpreis für Medizin erhalten. Im Juli 1933 war Faysal erneut erschöpft in der Schweiz eingetroffen. Die englische Evening News wusste später zu berichten, dass die Arbeitstage des Monarchen üblicherweise um die 15 Stunden dauerten. Diesmal stand der Kuraufenthalt in Albert Kochers Privatklinik unter einem denkbar schlechten Stern. Faysal musste noch im Juli seine Kur unterbrechen und eilig in die Heimat zurückkehren, um sich der sogenannten «Assyrischen Krise» zu widmen. Im Norden des Landes hatte die Regierungsarmee im Verbund mit kurdischen Freischärlern Hunderte von christlichen Assyrern und Assyrerinnen unter dem Vorwand ermordet, sie stellten eine Gefahr für die «nationale Einheit» des Landes dar. Erst im späten August konnte Faysal seinen Aufenthalt in Bern fortsetzen.
Faysal I. (links) 1933 zu Besuch in Palästina, kurz vor seiner Reise nach Europa, auf der er den tödlichen Herzinfarkt erlitt. Neben ihm sein Bruder Abdallah I., damals 1933 Emir von Transjordanien.
Faysal I. (links) 1933 zu Besuch in Palästina, kurz vor seiner Reise nach Europa, auf der er den tödlichen Herzinfarkt erlitt. Neben ihm sein Bruder Abdallah I., damals 1933 Emir von Transjordanien. Library of Congress

Ein hinder­nis­rei­cher Weg zum Thron

Das Massaker an einer religiösen Minderheit warf ein Schlaglicht auf die verworrene Situation im modernen irakischen Staat, der auf dem Reissbrett der britischen Kolonialherren entworfen worden war und somit ein künstliches Gebilde darstellte. 1920 hatten die Briten drei ethnisch und religiös völlig unterschiedliche Provinzen, nämlich das sunnitisch geprägte Bagdad, das kurdische Mossul und das schiitische Basra, aus dem untergegangenen Osmanischen Reich herausgelöst und zu einem Mandatsgebiet des Völkerbunds unter ihrer Kontrolle vereinigt. Ein Aufstand von Schiiten und Kurden wurde von britischen Truppen 1921 unter Einsatz von Giftgas brutal niedergeschlagen. Im März 1921 versammelte Kolonialminister Winston Churchill Britanniens Nahostexperten in Kairo, um über die Zukunft des Irak zu beraten. Zu Churchills Amüsement wurde dem Expertenkreis, darunter Gertrude Bell, die «Mutter des Irak», und der legendäre T. E. Lawrence «von Arabien», sehr schnell der Spitzname «die vierzig Räuber» verliehen. Die Konferenz bestätigte die Einsetzung des Haschemitenprinzen Faysal ibn al-Husayn ibn Ali als König des Irak. Faysal war der dritte Sohn von Scherif al-Husayn von Mekka aus der Familie der Haschemiten, die ihre Abstammung direkt auf die Ehe von Fatima, der Tochter des Propheten Mohammed, und Ali zurückführten.
Gruppenbild der Kairo Konferenz vom März 1921. Gertrude Bell ist die einzige Frau. T. E. Lawrence steht rechts hinter Churchill mit schwarzem Anzug.
Gruppenbild der Kairo Konferenz vom März 1921. Gertrude Bell ist die einzige Frau. T. E. Lawrence steht rechts hinter Churchill mit schwarzem Anzug. Wikimedia
In einem Briefwechsel zwischen Faysals Vater und dem britischen Hochkommissar Henry MacMahon in Kairo während des Ersten Weltkriegs, hatte letzterer Husayn 1916 die Bildung einer arabischen Monarchie im Vorderen Orient in Aussicht gestellt, falls es zu einem arabischen Aufstand gegen die Türken kommen sollte. Im selben Jahr teilten jedoch Briten und Franzosen mit Blick auf einen bevorstehenden Sieg der Entente über die Mittelmächte und dem mit ihnen verbündeten Osmanischen Reich das gleiche Gebiet im sogenannten Sykes-Picot Abkommen unter sich auf. Der arabische Aufstand gegen die türkische Herrschaft führte Faysal 1918 zusammen mit seinem britischen Verbindungsoffizier T. E. Lawrence nach Damaskus, wo er kurzfristig zum malik al-Arab, zum König der Araber, ausgerufen wurde. 1920 vertrieben die Franzosen, denen im Sykes-Picot-Abkommen Syrien zugesprochen worden war, Faysal aus Damaskus. Der Archäologin Gertrude Bell hatte es Faysal zu verdanken, dass er von den Briten als künftiger König des Irak auserkoren wurde. Damit erwies sich der Haschemitenprinz als Opfer und Nutzniesser europäischer Kolonialpolitik zugleich. Faysals Herrschaft stützte sich auf die Briten, auf lokale Grossgrundbesitzer und vor allem auf eine kleine Schicht von irakischstämmigen Veteranen des arabischen Aufstands gegen die Türken, die nun in der staatlichen Verwaltung, dem Bildungswesen sowie dem Offizierskorps eine zentrale Rolle spielten. In der Bevölkerung stiess der König auf breite Skepsis, insbesondere in den Reihen kurdischer Aktivisten und schiitischer Gelehrter. Als Spross der Haschemitenfamilie wurde Faysal im Irak als Fremdherrscher von britischen Gnaden betrachtet. Die offizielle Unabhängigkeit des Irak im Jahre 1932 änderte letztlich wenig an den Machtverhältnissen. Britische Truppen und Firmen verblieben weiterhin im Zweistromland.

Faysals glücklose Nachfolger

Faysals Tod in Bern war ein Menetekel für die haschemitische Monarchie im Irak. Seinen jugendlichen Nachfolgern auf dem irakischen Thron sollte kein Glück beschieden sein. König Ghazi I. starb 1939 knapp 30-jährig an den Folgen eines Autounfalls. Wie schon beim Tod seines Vaters sechs Jahre zuvor kursierten auch diesmal wieder Mordgerüchte im Irak. Nachfolger Ghazis wurde dessen damals vierjähriger Sohn Faysal II., für den Prinz Abdullah, ein Onkel mütterlicherseits, die Regentschaft übernahm.
Der junge König Faysal II beim Besuch der Moschee, 1943.
Der junge König Faysal II beim Besuch der Moschee, 1943. Library of Congress
Nach dem Zweiten Weltkrieg verschärften sich die sozialen Spannungen innerhalb der irakischen Gesellschaft. Forderungen nach einer Landreform und der Ausweitung des Wahlrechts waren nicht mehr zu überhören. Der kurdische Aufstand gegen den Zentralstaat flammte erneut auf, und der schiitische Widerstand gegen die fortdauernde sunnitische Dominanz verstärkte sich. Die steigenden Einnahmen aus dem Erdölexport wurden zu einem beträchtlichen Teil zur Aufrechterhaltung des Klientelsystems genutzt, welches die Monarchie an der Macht hielt. Im Juli 1958 putschte sich eine Gruppe nationalistisch gesinnter Offiziere um General Abd al-Karim Qasim an die Macht. Die Königsfamilie und führende Politiker der haschemitischen Periode wurden erschossen. Die Republik wurde ausgerufen und die politische Anbindung an den Westen zu Gunsten enger Beziehungen zur Sowjetunion aufgekündigt. Was Schweizer «Gesellschaftsnachrichten» betrifft, so sind dieser Geschichte zwei Anmerkungen hinzuzufügen. Am selben Tag wie Faysal starb auch der Direktor des Berner Bellevue Palace, Fritz Eggimann. Angelsächsische Blätter berichteten, der Hotelmanager sei einer der ersten gewesen, der den toten König in seinem Bett vorgefunden habe. Vor Schreck sei Eggimann kollabiert und drei Stunden später verschieden. Schweizer Zeitungen äusserten sich zurückhaltender. Gemäss dem Journal du Jura beispielsweise sei Eggimann zwar ebenfalls am 8. September gestorben, aber vielmehr an den Folgen einer «Broncho-pneumonie». Die Historikerin Madeleine Herren wiederum schreibt in ihrem Artikel «ein transatlantischer Blick auf die Berner Ärzte», die New York Times habe zum Tode von Privatdozent Albert Kocher im Jahre 1941 eine Todesanzeige veröffentlicht, in der ausdrücklich auf dessen berühmtesten Patienten hingewiesen wurde, nämlich auf Iraks König Faysal I.
Das Hotel Bellvue Palace (rechts) liegt direkt neben dem Bundeshaus. Postkarte um 1935.
Das Hotel Bellvue Palace (rechts) liegt direkt neben dem Bundeshaus. Postkarte um 1935. ETH-Bibliothek

Royals zu Besuch – von Sisi bis Queen Elizabeth

13.06.2025 09.11.2025 / Landesmuseum Zürich
Obwohl die Schweiz keine royale Tradition hat, faszinieren die Geschichten der Königshäuser auch hierzulande. Ob Kaiserin, Königin oder Prinzessin: Eines hatten die königlichen Besuche gemeinsam, egal ob sie aus politischen, wirtschaftlichen oder privaten Gründen erfolgten. Sie lösten – damals wie heute – eine immense Begeisterung und Faszination in der Schweizer Bevölkerung aus. Dies zeigt die Ausstellung anhand von zahlreichen Bildern und exklusiven Objekten der Blaublütigen.

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