
Ein aussergewöhnlich erfolgreiches Paar
Sie war eine der ersten habilitierten Naturwissenschafterinnen des Landes, er prägte die Sozialpolitik der Schweiz: Irma und Hans Peter Tschudi-Steiner erzielten Spitzenleistungen – und blieben dennoch bescheiden.
Seine Ehefrau Irma Tschudi-Steiner erzählte selbst haarsträubende Ungerechtigkeiten leidenschaftslos und ihren Lebenslauf mit viel Understatement: «Für mich gab es keine Probleme. Es ist mir alles mehr oder weniger in den Schoss gefallen.» Dabei war es nicht nur aussergewöhnlich, dass sie als Frau Naturwissenschaften studierte, sondern auch, dass sie eine wissenschaftliche Karriere verfolgte.
Das Studium als zweite Wahl
Doch Irma Tschudi warf sich nicht mit vollem Elan auf die wissenschaftliche Laufbahn – im Gegenteil. Eigentlich wollte sie Pianistin werden. Sie hatte Klavier am Konservatorium studiert, das Klavierdiplom erhalten und war hin und wieder aufgetreten. Da ihr eine musikalische Laufbahn nach Rücksprache mit ihrem Vater aber als sehr unsicher, ja brotlos, erschien und sie sich nicht kümmerlich mit Klavierstunden durchs Leben schlagen wollte, entschied sie sich als Verlegenheitslösung für das wissenschaftliche Studium.
Von Basel nach Bern
Als am 17. Dezember 1959 die Gesamterneuerungswahl des Bundesrates mit vier Ersatzwahlen anstand, zirkulierte Hans Peter Tschudis Name nur im Hintergrund. Er selbst unterstützte den offiziell nominierten SP-Parteikollegen Walther Bringolf, der wegen seiner kommunistischen Vergangenheit keine Chance hatte und vor dem dritten Wahlgang auf die Kandidatur verzichtete. Mit Hans Schaffner stand Tschudi nur noch ein Gegner gegenüber, der den Sitz für den Freisinn erobern wollte. Doch Hans Peter Tschudi gewann für die SP und diese Bundesratswahlen endeten erstmals mit der sogenannten Zauberformel: Nun sassen je zwei Mitgliedern der Freisinnig-Demokratischen Partei, der Konservativ-Christlichsozialen Volkspartei (heute Die Mitte), der Sozialdemokratischen Partei und ein Mann der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (heute Schweizerische Volkspartei) in der Exekutive.
Ihre Umhabilitierung von Basel nach Bern, wo das Paar nun wohnte, war Irma problemlos ermöglicht worden. Der Frau eines Bundesrates «durfte man doch keine Steine in den Weg legen.» Während sie schliesslich als nebenamtliche ausserordentliche Professorin mit nun bezahltem Lehrauftrag in Bern und Basel lehrte, suchte ihr Ehemann im zügigen «Tschudi-Tempo» die Schweiz zu modernisieren. Nachhaltig war sein Einsatz für den sozialen Ausbau der Altersvorsorge mit den Revisionen der AHV, der Einführung von Ergänzungsleistungen und dem Dreisäulenprinzip. Während seiner 14-jährigen Amtszeit engagierte er sich als sozialdemokratischer Konkordanzpolitiker für den Autobahnbau und die Atomkraftwerke. Beides waren Projekte, die damals als progressiv galten. Sie sollten die Schweiz im internationalen Vergleich und als Werkplatz der Arbeitenden vorwärtsbringen.
Irma Tschudi-Steiner war nicht nur beruflich eine aussergewöhnliche Frau. Sie pflegte Zigarren zu rauchen und war eine begeisterte Autofahrerin mit speziellen Sportwagen. Ihr Gatte hingegen, als Vorsteher des Departements des Innern auch zuständig für den Nationalstrassenbau, besass nicht einmal den Führerausweis.
Hans Peter Tschudi gewann grosse Sympathien, als er nach seiner Pensionierung für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB gratis das Buch zum Schweizerischen Arbeiterschutzrecht verfasste. Irma Tschudi stellte sich den Seniorenuniversitäten in Basel und Bern als Dozentin zur Verfügung und behandelte erfolgreich Themata, die den älteren Menschen interessierten.


