Der Zürcher Ehelöffel

Seit Jahrzehnten steigt die Zahl der Scheidungen in der Schweiz. Versöhnung liegt nicht im Trend. Vielleicht auch, weil keine Ehelöffel mehr im Einsatz sind...

Claudia Walder

Claudia Walder

Claudia Walder ist Autorin und Redaktorin, unter anderem für das Schweizer Reisemagazin Transhelvetica und das Magazin des Schweizerischen Nationalmuseums.

Wenn zwei sich streiten … dann sperrt man sie zusammen ein, mit nur einem Bett, einem Stuhl, sogar nur einem Löffel! Als neues Sprichwort taugt das zwar nicht, aber zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert war dies vielerorts in der Schweiz der letzte Versuch, zerstrittene Eheleute zur Versöhnung zu zwingen und so die Scheidung zu verhindern. Der Zürcher Ehelöffel in der Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums ist zwar nicht wie der von Gottfried Keller 1877 in seiner Novelle «Der Landvogt von Greifensee» erwähnte aus Lindenholz geschnitzt, sondern aus Ahorn, aber genau wie der von Keller beschriebene Doppellöffel hat er «zwei Kellen am selben Stiele, doch so beschaffen, dass die eine aufwärts, die andere abwärts gekehlt war». Und wenn man Keller Glauben schenken darf, diente das Metallkettchen dazu, den Löffel im Gerichtslokal an der Wand aufzuhängen. Die dritte und kleinste Kelle des im 16. Jahrhundert gefertigten Zürcher Ehelöffels stellt symbolisch ein Kinderlöffelchen dar und diente wohl, wie die auf den grösseren beiden Kellen eingeschnitzten Zürcher Wappen, als Verzierung. Ob der Ehelöffel tatsächlich genützt hat, wissen wir nicht, aber immerhin kann man sagen, dass damals mit grosser Kelle angerichtet wurde – der Löffel misst in der Länge nämlich 27 Zentimeter.

Der aus Ahorn geschnitzte Zürcher Ehelöffel stammt aus dem 16. Jahrhundert. Foto: Schweizerisches Nationalmuseum

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