Rasanter Aufstieg am Bodensee
Am 2. Juli 1900 schaute die Welt gebannt zum Bodensee. Um 20 Uhr schwebte das erste Luftschiff von Ferdinand Zeppelin in den Himmel. Trotz kleiner Mängel begeisterte das Gefährt rund um den Globus.
Als Graf Zeppelin sein erstes Luftschiff am 2. Juli 1900 von der Manzeller Bucht aus aufsteigen liess, muss ihm klar gewesen sein, dass es sich um ein sehr bedeutendes Ereignis handelte. Deshalb hatte er auch schon im Vorhinein ordentlich die Werbetrommel gerührt. Einen großen Knall gab es trotz des explosiven Wasserstoffs, dem damals einzig möglichen Traggases, glücklicherweise nicht, aber mit Sicherheit dröhnten und stampften die Motoren lautstark.
Aus den verschiedensten Ländern Europas waren die Schaulustigen an den Bodensee geströmt. Prominente und wichtige Persönlichkeiten der europäischen Luftschifffahrt, der Wissenschaft, der Politik, der Wirtschaft und des Adels waren ebenso anwesend wie hohe Militärs aus Württemberg und Preussen. Die Kleinstadt Friedrichshafen platzte aus allen Nähten. Es herrschte Volksfeststimmung.
Auch vom gegenüberliegenden schweizerischen Ufer aus wollten Menschen den Erstaufstieg verfolgen. Dort warteten auch einige Wissenschaftler, die ermitteln wollten, wie hoch das neuartige Luftfahrzeug aufsteigen würde. Allein schon die schwimmende Halle war derart riesig, dass alle Welt gespannt war, wie wohl das geheimnisumwitterte Luftfahrzeug aussehen würde. Die technischen Arbeiten am Luftschiff waren zumeist im Verborgenen geschehen und nur von Fachleuten oder Geldgebern «besichtigt» worden. Erst Ende Juni hatten einige Menschen es sehen können, da der Graf mit dem Fahrzeug schon ein paar Mal aus der Halle hinaus- und wieder hineingefahren war. Wie mochte es wohl in der Luft aussehen? Würde es tatsächlich fliegen können? War es nicht zu gefährlich?
Probleme beim Start
Graf Zeppelin hatte seine Mannschaft ausgewählt: Neben ihm waren Baron Konrad von Bassus und Ingenieur Burr in der einen Gondel. In der zweiten Gondel befanden sich Maschinist Groß sowie der Journalist und Afrikareisende Eugen Wolf. Die Haltemannschaft bestand aus Mitgliedern der Feuerwehr und des Sportvereins.
Die Anspannung, unter der wohl alle gestanden haben, ist kaum vorstellbar. Der Start, auf 13 Uhr festgelegt, verzögerte sich noch bis 20 Uhr. Dann hielt Graf Zeppelin eine kurze Ansprache und verrichtete ein Schutzgebet. Danach ging es los! Das Aushallen aus der schwimmenden Halle verlief glatt, aber dann gab es plötzlich Probleme, wie Graf Zeppelin berichtete:
«Infolge zu langen Festhaltens zweier Haltetaue am hinteren Ende blieb letzteres beim Aufstieg des Fahrzeugs in der Aufwärtsbewegung zurück. Sobald die Taue losgelassen waren, wurde das Laufgewicht nach vorwärtsgebracht. Dadurch schwang das Fahrzeug gegen die waagrechte Lage zurück und erreichte, in derselben angelangt, da nun auch die Schrauben vorwärts arbeiteten, seine größte Geschwindigkeit während dieses Versuchs. Es kam gegen den ihm gerade entgegenstehenden 5,5 Meter-Sekunden Wind (Messung am Beobachtungs-Fesselballon) in diesem Augenblick rasch vorwärts. Dieser Augenblick war aber viel zu kurz, um ihm zu gestatten, auch nur annähernd seine wirkliche größte Geschwindigkeit anzunehmen.
Das Fahrzeug schoss nämlich, weil bei dem Bemühen, das Laufgewicht wieder in die Mittellage zurückzubringen die Kurbel für dasselbe brach, alsbald mit der Spitze nach unten. Es folgte dabei noch einem durch eine leichte Krümmung der Längsachse (etwa 27 cm bei 128 Mtr. Fahrzeuglänge) hervorgerufenen Drehmoment, welchem eben wegen des Kurbelbruchs mit dem Laufgewicht auch nicht entgegengewirkt werden konnte. Nun musste der drohenden Gefahr des Ueberschlagens alsbald durch Stoppen und Rückwärtslauf der Schrauben begegnet werden. Von da ab bestand das ganze Fahren in einem Wechsel von Vor- und Rückwärtsgang der Schrauben, um damit zu große Neigung zu hemmen.»
Probleme auch bei der Landung
Für den Grafen war auch wichtig, herauszufinden, wie viel Gas und Benzin das Luftfahrzeug verbrauchte. Für alle anderen war es ein Spektakel. Wer besonders viel Glück hatte, konnte einen Platz auf einem der vielen Begleitschiffe ergattern, um dem Luftschiff und der schwimmenden Halle so nah wie möglich zu kommen. Alle Übrigen standen dicht gedrängt am Ufer. Einige fotografierten, andere zeichneten, was alles passierte. Und das war eine Menge, denn auch die Landung des Luftschiffs war etwas problematisch, wie die regionale Zeitung Seeblatt feststellte:
«Beim Abstieg nach etwa 20 Minuten, scheint an der Steuerung etwas versagt zu haben und erfolgte derselbe, um nicht auf das Land zu kommen, schnell. […] Unweit des Ufers bei Immenstaad kam der Ballon, resp. die beiden Gondeln auf den See. Hierbei berührte der Ballon einen zur Sicherung der Dampfbootfahrten gesetzten Pfahl und erhielt die Hülle einen Riß.»
Die Kollision mit dem Pfahl hatte das Luftschiff leicht beschädigt. Trotzdem wurde Graf Zeppelin für diesen Erstaufstieg nicht nur in der Bodenseeregion, sondern auch in der internationalen Presse in den höchsten Tönen gelobt. Von einer Schwärmerin wurde er sogar als bedeutendster Mann des Jahrhunderts bezeichnet. Aber es zeigt, wie begeistert die Menschen von diesem technischen Wunderwerk waren.
Für den internationalen Bodenseeraum hatte dieser Urknall zur Folge, dass sich eine bis heute bedeutende Industrieregion entwickelt hat, die zu Recht auch als ein «Mekka der Ingenieurskunst» bezeichnet wird. Auch die Stadt Friedrichshafen profitierte von diesem denkwürdigen Tag und vervielfachte ihre Bevölkerungszahl. Heute leben über 60'000 Menschen aus 128 Nationen dort. Der Graf hätte seine helle Freude daran!