Handzeichnung eines schlafenden Senns.
Das Bett ist für den Menschen das wichtigste Möbelstück überhaupt. Handzeichnung eines schlafenden Senns von Ludwig Georg Vogel, 19. Jahrhundert. Schweizerisches Nationalmuseum

Bettge­schich­ten

Wir verbringen rund ein Drittel unseres Lebens im Bett. Das wichtigste Möbel der Menschheit hat eine ganze eigene Vergangenheit.

Andrej Abplanalp

Andrej Abplanalp

Historiker und Kommunikations-Chef des Schweizerischen Nationalmuseums.

Das Bett ist etwas Privates. Die meisten Menschen schliessen die Schlafzimmertür, wenn sie Gäste empfangen. Das war nicht immer so. Am Hof des französischen Königs Ludwig XIV. war das Schlafzimmer nicht nur ein öffentlicher Ort, sondern eine grosse Bühne für die Machtdemonstrationen des Herrschers. Ludwig verstand sich als Personifikation der Sonne, die auf- und untergeht. Und wie in der Natur, waren seine Untertanen gezwungen, sich diesem Zyklus unterzuordnen. Wenn der Sonnenkönig aufstand, wurde er gehuldigt. Wenn er zu Bett ging, wurde ein ausgewähltes Publikum Zeuge des «Sonnenuntergangs». Das Bett von Ludwig XIV. wurde zum Repräsentationsobjekt und neben dem Thron zum Inbegriff royaler Macht. Viele europäische Fürsten übernahmen die Gepflogenheiten des Sonnenkönigs und hielten in ihren prunkvollen Schlafzimmern Hof.
Reich verziertes Ehebett von 1767.
Reich verziertes Ehebett von 1767. Schweizerisches Nationalmuseum
Die Eidgenossenschaft hatte zwar keinen König, der monarchische Prunk und der repräsentative Auftritt im Schlafgemach eroberten aber nach und nach auch die Häuser der reichen Stadtbürger. Um zu beeindrucken, wurde gerne das kunsthandwerkliche Können zu Schau gestellt. Glücklicherweise sind zahlreiche Objekte erhalten geblieben und gehören nun zur Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums.

Das Bett als Wärmequelle

Auch in der Unterschicht waren die Schlafstätten öffentlich, allerdings aus ganz anderen Gründen. Noch bis ins 18. Jahrhundert war es selbstverständlich, dass viele Menschen – Frauen und Männer, Erwachsene und Kinder, Angestellte und Gäste – gemeinsam nächtigten. Der Grund ist simpel: Neben dem Herd war das Bett die einzige Wärmequelle im Haus. Ein Jahrhundert später führte die Industrialisierung zu einem Mangel an Schlafplätzen in grossen Städten. Arme Familien begannen deshalb ihre Betten zu teilen. Sie vermieteten ihren Schlafplatz tagsüber an sogenannte Schlafgänger, beispielsweise Schichtarbeiter, und verdienten sich damit einen kleinen finanziellen Zustupf. Dies hatte allerdings Folgen. Die Schlafgänger waren einer der Hauptgründe, wieso sich Krankheiten und Ungeziefer wie Läuse oder Milben rasend schnell verbreiteten konnten.
Mit dem wachsenden Bewusstsein für Hygiene im 19. Jahrhundert veränderte sich das Verhalten im Schlafzimmer erneut: Weg vom öffentlichen Raum hin zum privaten Ort. Einen erneuten Richtungswechsel brachte die Jugendbewegung in den 1960er-Jahren. Angeführt von John Lennon und Yoko Ono wurde die Schlafstätte erneut öffentlich. Das Paar demonstrierte 1969 im Bett gegen den Krieg. Aber das ist eine andere (Bett)geschichte…
Bettgeschichten mit den Kuratorinnen Christina Sonderegger und Joya Indermühle. Youtube / Landesmuseum Zürich

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