
Pistolen pfeifen das Lied vom Tod
Warum duellieren sich zwei angesehene Schaffhauser Patriziersöhne an einem eiskalten Januarnachmittag im Jahr 1659? Und das in Solothurn? Die Geschichte einer langjährigen Familienfehde.
Bei den Reitern handelt es sich um Major Heinrich Im Thurn (*1621) und Hauptmann Christoph Ziegler (*1616). Beide Männer entstammten einflussreichen Familien der Stadt Schaffhausen und standen zum Zeitpunkt des Duells im Dienst der französischen Krone. Zwischen den Familien der Im Thurns und der Ziegler schwelte schon seit geraumer Zeit ein Konflikt, wobei es sich vor allem um Macht und Ämter in der Rheinstadt drehte.
Beide Familien stellten im 17. Jahrhundert Vertreter in den wichtigsten politischen Gremien Schaffhausens. So war der Vater von Christoph, Johann Jakob Ziegler (1587 – 1656) unter anderem Bürgermeister der Stadt. Auch die Familie Im Thurn stellte mit Hans Im Thurn-Peyer (1579 – 1648) einen einflussreichen Bürgermeister in den Jahren 1632 bis 1648. Der Kampf um Einfluss in der Politik und Gesellschaft der Herrschaft Schaffhausen zwischen den Ziegler und den Im Thurn führte zu gegenseitigen Anschuldigungen wegen Korruption, Bestechlichkeit, illegaler Bereicherung auf Kosten der Staatskasse...
Tätliche Auseinandersetzungen waren ebenfalls Programm. So wurde beispielsweise ein Verwandter von Heinrich Im Thurn, der Patrizier Hans Friedrich Im Thurn (1610 – 1681), auf offener Strasse angegriffen. Nachdem dieser 1654 den Bürgermeister Johann Jakob Ziegler während einer Ratssitzung offen angeklagt hatte, wurde er auf dem Heimweg von den Söhnen des Bürgermeisters überfallen und mit Stöcken und Degen brutal verprügelt. Unter den Angreifern befand sich auch Christoph Ziegler, der spätere Kontrahent von Heinrich Im Thurn. Obwohl diese Tat zu einer Anklage führte, nahm der Bürgermeister Ziegler seine Söhne in Schutz. Dies führte zu neuen Konflikten.

Beschimpfungen per Bote
Das brachte das Fass zum überlaufen. Mit seinem Diener, dem Aargauer Jakob Guggerli, ritt Christoph Ziegler nach Solothurn, wo er am 15. Januar 1659 ankam. Gleichentags wurden mehrere Briefe zwischen den beiden Schaffhauser Offizieren ausgetauscht, worin sie sich in französischer Sprache heftig beschimpften. Dieser schriftliche Austausch befindet sich heute im Staatsarchiv Solothurn. Die Briefe wurden durch zwei Diener hin und her getragen, dem eben erwähnten Guggerli und Hans oder Klaus Grau aus dem heutigen Kanton Freiburg, welcher im Dienst von Heinrich Im Thurn stand.

Doppeltes Duell
Beide Offiziere ritten also in Begleitung ihrer Diener, welche wohl die Rollen der Sekundanten zu übernehmen hatten, gegen Nachmittag des 15. Januar 1659 aus der Stadt. Bei Riedholz, in der unmittelbaren Nähe einer Hofstatt trafen sie sich. Ob im Vorfeld des Kampfes die Gepflogenheiten eines höfischen Duells stattfanden, wie die Absprache der Sekundanten, Anzahl Schüsse und Schussabgabe, Kontrolle der Waffen oder die Auswahl des Duellplatzes bleibt unbekannt. Der Kampf mit den Radschlosspistolen, wie sie auch auf dem Gemälde zu sehen sind, war nur auf nahe Distanz möglich, da die Treffsicherheit dieser Waffen gering war. Somit mussten die Duellanten ihr Feuer zurückhalten, bis sie möglichst nahe aneinander vorbeiritten.

Durch den Feuerwechsel aufgeschreckt, trat der Besitzer der nahen Hofstatt ins Freie und sah, wie das Pferd mit dem zusammengesunkenen Heinrich Im Thurn bis zum Zaun des Gehöfts gelaufen kam. Dort fiel der Schaffhauser vom Pferd. Während Christoph Ziegler das Weite suchte, kam nun Grau in die Hofstatt geritten und verlangte nach Hilfe für seinen Dienstherren. Doch jede Hilfe kam zu spät. Der 38-jährige Major Heinrich Im Thurn, frisch verheiratet und Vater eines drei Monate alten Buben war bereits tot. Die Magd der Hofstatt musste den Leichnam ins Innere des Hauses bringen.

Die Rache der Familie Im Thurn
Die Solothurner Obrigkeit, darauf bedacht, solche Ehrenhändel hart anzugehen, strengte eine Strafuntersuchung an und verurteilte beide Familien zu hohen Geldstrafen, wobei die Opferseite milder bestraft wurde. Neben der Strafuntersuchung verursachte das Duell ein weiteres Problem. Wohin mit dem Leichnam von Heinrich Im Thurn? Als Protestant konnte und durfte Im Thurn im katholischen Solothurn nicht nach reformiertem Ritus begraben werden. Unter Mithilfe des französischen Ambassadors konnte der Leichnam schlussendlich in bernisches Gebiet überführt und in der Kirche Oberbipp begraben werden. Dort ist noch heute eine Grabplatte zu Im Thurns Ehren zu sehen. Die Familie Im Thurn liess sich diese Gefälligkeit viel Geld kosten und stiftete der Kirche aus Dankbarkeit eine neue Kanzel, welche das Familienwappen der Schaffhauser zeigt.
Christoph Ziegler, wegen des Duells über längere Zeit aus der Stadt und der Herrschaft Schaffhausens verbannt, wurde später weitgehend begnadigt und durfte sich wieder auf seinen Landsitz bei Thayngen begeben. Doch der Tod Heinrich Im Thurns war nicht vergessen und Neffen Heinrichs, zwei Teenager, schworen Blutrache. Am 7. September 1661 lauerten sie Christoph Ziegler vor dessen Herrensitz auf. Als dieser gegen den frühen Nachmittag aus der Türe trat, streckten sie ihn mit zwei Pistolenkugeln nieder.
