
Intimität des Terrors
Es gab eine Zeit vor dem Handy, eine Zeit, in der Pressefotografen die Augen einer ganzen Nation waren. Viele ihrer Bilder sind heute in Vergessenheit geraten. Ihre Wirkung aber haben sie nicht verloren – so auch das Bild eines in der Schweiz erschossenen Attentäters.
Bei dem am Boden liegenden Mann handelt es sich um Abdel Mohsen Hassan. Er war Mitglied der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), einer 1967 gegründeten Organisation, die für einen demokratischen und sozialistischen palästinensischen Staat kämpft. Dabei schreckt sie bis heute selbst vor terroristischen Aktionen nicht zurück. Ein bereits in den Anfängen oft anvisiertes Ziel war die zivile Luftfahrt Europas. So auch an diesem 18. Februar 1969, an dem sich Abdel Mohsen Hassan, zwei weitere Männer und eine Frau in einem geliehenen VW Käfer zum Flughafen Kloten begaben. Vom öffentlichen Parkplatz aus nahmen sie eine auf das Startfeld rollende Boeing 720B, die Zürich in Richtung Tel Aviv verlassen wollte, unter Beschuss. Ihr Ziel: Die Maschine der israelischen Airline El Al zu stoppen, zu räumen und in die Luft zu jagen, wobei die ganze Aktion laut Marschbefehl ohne menschliche Opfer hätte ablaufen sollen.
Bei den 200 Schüssen, welche die Attentäter abfeuerten, ist wenig überraschend, dass es dennoch zu sechs Verletzten und einem Todesfall kam. Und auch sonst scheiterte der Plan, denn mit an Bord befand sich ein bewaffneter israelischer Sicherheitsmann. Dieser setzte vom Cockpit aus zum Gegenfeuer an, glitt über die Notrutsche aufs Rollfeld hinunter, näherte sich den Attentätern und erschoss Abdel Mohsen Hassan. Die drei anderen Angreifenden konnten von der Flughafenfeuerwehr entwaffnet und der später eintreffenden Polizei übergeben werden.
Schock für die offizielle Schweiz
Durch den Einsatz des Blitzlichts, das die Szene nach dem Eindunkeln ausleuchtet, haftet der Fotografie eine Prise Surrealismus an. Die kleinen Schneehäufchen wirken wie eine Kraterlandschaft. Sie werfen verhältnismässig grosse Schatten in Richtung des Leichnams, der den seinigen wiederum nach hinten auf die Polizisten wirft. Deren Gesichter sind mehrheitlich vom Bildrand abgeschnitten, sie bleiben anonym. Im Umfeld der Männer sind es vielmehr die hellen und glatten Objekte wie Scheinwerfer, Pistolenholster und Lederstiefel, welche die Aufmerksamkeit erregen. Die reflektierenden Oberflächen tragen zur Kälte bei, die in der Luft liegt und von der Teilnahmslosigkeit des schon gesicherten Tatorts noch weiter gesteigert wird.
TV-Beitrag über das Attentat am Flughafen Zürich im Februar 1969 in Zürich. SRF
Die Pressebildagentur ASL
Actualités Suisses Lausanne (ASL) wurde 1954 von Roland Schlaefli gegründet und galt bis zur Schliessung 1999 als wichtigste Westschweizer Pressebildagentur. 1973 übernahm Schlaefli zudem das Archiv der 1937 gegründeten Agentur Presse Diffusion Lausanne (PDL). Die Bestände der beiden Agenturen umfassen ungefähr sechs Millionen Bilder (Negative, Abzüge, Diapositive). Im breiten Themenspektrum lassen sich die Schwerpunkte Bundespolitik, Sport und Westschweiz ausmachen. Den Schritt ins digitale Zeitalter machte die Agentur nicht mehr mit. Seit 2007 befinden sich die Archive von ASL und PDL im Besitz des Schweizerischen Nationalmuseums. Der Blog präsentiert in einer losen Abfolge Bilder und Bildserien, die bei der Aufarbeitung der Bestände besonders aufgefallen sind.


