
Sisis Attentäter
Am 10. September 1898 ermordete Luigi Lucheni die österreichische Kaiserin Sisi in Genf. Nach seiner Verhaftung wollte er geköpft werden. Die Schweizer Justiz lehnte dies ab. Am Ende verlor der Anarchist seinen Kopf doch noch...
Als Kaiserin Elisabeth, besser bekannt als «Sisi», um 13.30 Uhr vom Hotel Beau Rivage in Richtung Schiffsanlegestelle promeniert, prescht Lucheni auf sie zu und rammt ihr eine spitzige, dreckige Feile in die Brust, die er schnell wieder herauszieht und flieht. Die Kaiserin geht zu Boden, rappelt sich aber wieder auf und beklagt sich über Schmerzen in der Brust. Sie ist durch die ständigen Diäten, einschnürende Korsette und durch das Stechen eines Tattoos einiges an körperlichem Schmerz gewohnt, beisst die Zähne zusammen und erreicht das Dampfschiff, das sie nach Montreux bringen soll. Aber kurze Zeit nach Abfahrt des Schiffs bricht die Monarchin auf dem Oberdeck ohnmächtig zusammen. Ihre Hofdame entdeckt Blut, das aus einer winzigen Stichwunde oberhalb der linken Brust tropft. Zwei Stunden später stirbt die Kaiserin an ihren Verletzungen.


Lucheni wurde unehelich geboren und von der Mutter ausgesetzt. Der Junge wuchs bei Pflegeeltern und in Heimen auf. Sobald er konnte, schlug er sich als Taglöhner durch, lebte aber immer in grosser Armut. Nach seiner Festnahme zeigt er sich merkwürdig gut gelaunt: «Ich habe sie gut getroffen, sie muss tot sein.» Im Verhör nennt er als Motiv: «Weil ich Anarchist bin, weil ich arm bin, weil ich die Arbeiter liebe und mir den Tod der Reichen wünsche.» Für einen Revolver oder einen Dolch hat ihm das Geld nicht gereicht, weshalb er sich mit der Feile begnügte, die auf drei Seiten geschliffen war.


Bis heute ist nicht ganz geklärt, ob der Italiener wirklich alleine gehandelt hat, oder von anderen Personen oder gar einem anarchistischen Netzwerk unterstützt wurde. Bereits im Telegramm von Alfred de Claparède, das sich auf Angaben der Polizei stützt, ist von zwei weiteren Personen die Rede: «Der Mörder wurde mit zwei weiteren Personen gesehen.» Auch Untersuchungsrichter Charles Léchat glaubte dies, steht aber mit dieser Ansicht alleine da. Vielleicht auch, weil die Schweiz wegen ihrer liberalen Haltung gegenüber politischen Aktivisten in der Kritik steht und den Fall so schnell wie möglich abschliessen will.
Kopf aufgesägt, Hirn untersucht
1985 wird der Glasbehälter nach Wien gebracht, allerdings mit der Auflage, dass die gruselige Reliquie nicht öffentlich ausgestellt werden darf. Endlich findet im Februar 2000 das bizarre Hin und Her ein Ende: Der Schädel Luchenis wird in aller Stille auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt – genau acht Kilometer von der Kaisergruft entfernt, wo sich der Sarkophag von Kaiserin Elisabeth befindet.
TV-Beitrag über Luigi Luchini. SRF


