Liebe über den Tod hinaus: Ehering mit Totenkopf- und Skelett-Motiv aus dem späten 16. Jahrhundert.
Liebe über den Tod hinaus: Ehering mit Totenkopf- und Skelett-Motiv aus dem späten 16. Jahrhundert. Schweizerisches Nationalmuseum / Sammlung Alice und Louis Koch

Totenkopf und Skelett

Skelette und Totenköpfe wurden durch Kunstschaffende und Rockbands zu Kultsymbolen. Die Darstellung von Leben und Tod haben jedoch eine viel ältere Tradition.

Beatriz Chadour-Sampson

Beatriz Chadour-Sampson

International anerkannte Schmuckhistorikerin aus England. Ihre Publikationen reichen von der Antike bis in die Gegenwart, wie beispielsweise 2000 Fingerringe der Alice und Louis Koch Sammlung, Schweiz (1994), für die sie als Beraterin des Schweizerischen Nationalmuseums tätig ist.

In der Gegenwartskultur haben Totenköpfe viele Bedeutungen: Als Sinnbild für den Tod sind sie eine Warnung vor Gewalt oder Gefahr, vor giftigen oder toxischen Substanzen. In den 1960er-Jahren waren die Totenköpfe ein beliebtes Designmotiv der Popkultur, als das sie oft Widerstand oder das Brechen von traditionellen Tabus symbolisierten. 1969 begann der Popkünstler Andy Warhol seine schreiend bunte Gemäldereihe mit Schädeln, die möglicherweise von seiner Nahtoderfahrung in einem Schussattentat ein Jahr zuvor ausgelöst wurde. Rockmusikgruppen wie Grateful Dead oder Motörhead verwendeten in ihren Grafiken häufig Totenkopf- und Skelettbilder und in den letzten Jahren ist vor allem der Totenkopf immer häufiger in der Mode- und Schmuckwelt anzutreffen. Diese heutigen Nutzungen sind das Erbe einer viel älteren Geschichte des Totenkopfs und des Skeletts als Designmotiv in der europäischen Kunst und Schmuck, wobei die Symbolik mehr Zwischentöne hatte als ein einfaches Vorzeichen des Todes und sie einen philosophischeren Ansatz der menschlichen Übergangsriten darstellten.
Andy Warhols Totenköpfe beeinflussten nicht nur Rockbands, sondern auch die Modebranche.
Andy Warhols Totenköpfe beeinflussten nicht nur Rockbands, sondern auch die Modebranche. Wikimedia
Lemmy Kilmister, Frontmann von Mötorhead schwor auf Totenköpfe.
Lemmy Kilmister, Frontmann von Mötorhead schwor auf Totenköpfe. Wikimedia
Der Ring, das intimste aller Schmuckstücke, erinnert an spezielle Ereignisse im Leben und trägt oft persönliche Botschaften. Rubine und Diamanten, die Liebe und Tugend symbolisieren, waren und sind die beliebtesten Schmucksteine für Verlobungs- und Eheringe, wie das Beispiel mit den ineinander verschlungenen Zwillingsringen zeigt. Diese werden Zwillingsringe genannt und waren im späten 16. und 17. Jahrhundert populär. Im Ringkopf des einen Rings ist eine emaillierte Miniaturskulptur eines Kindes in Windeln verborgen, die nur sichtbar wird, wenn die beiden Ringe auseinandergenommen werden. Im entsprechenden Fach des Zwillingrings befindet sich ein Skelett, das möglicherweise als Memento mori gedacht ist, als Erinnerung an die Unvermeidbarkeit des Todes und die Notwendigkeit des sittlichen Lebens. Mit der Gravur eines Teils des Ehegelübdes in die Ringinnenseite erinnern die Ringe auch an dessen dauerhafte Natur: «QUOD DEUS CONNIUNXIT, HOMO NON SEPARAT» (Was Gott zusammengefügt hat, darf der Mensch nicht trennen). Solche Ringe wurden in ganz Europa getragen, mit ähnlichen umgangssprachlichen Gravuren in Englisch, Niederländisch, Deutsch oder Französisch. Die beiden rechten Hände, welche den Ringkopf stützen, gehören zum Schliessmechanismus und stellen das Vertrauen und die Treue des Ehelebens dar.
Dieser Ehering besteht aus zwei Reifen.
Dieser Ehering besteht aus zwei Reifen. Schweizerisches Nationalmuseum / Sammlung Alice und Louis Koch
Wenn man die beiden Reifen auseinandernimmt, kommt ein Skelett zum Vorschein, das an die Vergänglichkeit des Lebens erinnert.
Wenn man die beiden Reifen auseinandernimmt, kommt ein Skelett zum Vorschein, das an die Vergänglichkeit des Lebens erinnert. Schweizerisches Nationalmuseum / Sammlung Alice und Louis Koch
Dieser Ring (spätes 16. bis frühes 17. Jahrhundert) führt diese erstaunliche Verbindung des Totenkopfs mit der Ehe weiter. Sein Ringkopf besteht aus einem Totenkopf, der von zwei Skeletten getragen wird. Auf der Unterseite des Rings ist das Fede-Motiv (Italienisch für Vertrauen) mit verschränkten rechten Händen zu sehen, das auf zahlreichen römischen, mittelalterlichen und Renaissance-Ringen zu finden ist. Das Fede-Motiv erinnert an das Ineinandergreifen der rechten Hände während der Trauung und steht auf den Verlobungs- oder Trauringen symbolisch für die Treue. Ebenso unerwartet ist ein emaillierter Goldring aus dem frühen 18. Jahrhundert in Form eines diamantbesetzten Schädels und gekreuzten Knochen. Auch wenn das Design nur der Dekoration zu dienen scheint, waren Diamanten seit dem späten 15. Jahrhundert beliebte Schmucksteine für Verlobungsringe: Sie symbolisierten Beständigkeit und Tugend.
Facettierte Diamanten bilden die Augen und die Nase des Totenkopfes dieses Verlobungs- oder Eherings. Das Stück stammt aus den Jahren 1700-1710.
Facettierte Diamanten bilden die Augen und die Nase des Totenkopfes dieses Verlobungs- oder Eherings. Das Stück stammt aus den Jahren 1700-1710. Schweizerisches Nationalmuseum / Sammlung Alice und Louis Koch
Memento-mori-Symbole – Lateinisch «Gedenke des Todes» – spielten auf die Unvermeidbarkeit des Todes an und waren eine Ermahnung, den christlichen Werten zu folgen. Sowohl in der europäischen Kunst, als auch in Europas Literatur und Musik diente die Darstellung des Todes der Moralisierung. Im frühen 17. Jahrhundert tauchte in den Niederlanden das Genre der Vanitas-Stillleben auf, wie jenes von Adriaen van Utrecht (1599–1652) und breitete sich rasch auf ganz Europa aus. Diese Gemälde erinnerten die Mäzenen, die das Kunstwerk in Auftrag gaben, an ihre Sterblichkeit und die Belanglosigkeit von weltlichem Reichtum oder Eitelkeit. Neben dem Totenkopf beginnt das Blumenbouquet zu welken, die Taschenuhr und das Stundenglas symbolisieren das Zerrinnen der Zeit und das Buch suggeriert die Vergeblichkeit des intellektuellen Strebens. Die aufwändigen Weingläser, der kunstvolle Goldbecher und die Tonpfeife mit losem, in Papier gewickeltem Tabak sind Symbole für die weltlichen Freuden des Trinkens und Rauchens und die Münzen, die Perlen- und Goldkette, der Ring und die Ohrringe stehen für die menschliche Eitelkeit. Die Moral der Gemälde und des Schmucks mit ähnlichen Motiven ist klar: Das Leben ist vergänglich und irdisches Glück flüchtig.
Stillleben von Adriaen van Utrecht, um 1642.
Stillleben von Adriaen van Utrecht, um 1642. Wikimedia
Totenköpfe wurden auch verwendet, um religiöse Überzeugungen zu vermitteln. Zwei Schlangen, die sich um einen leuchtend hell emaillierten Totenkopfring aus dem frühen 18. Jahrhundert winden, betonen die Verwobenheit von Leben und Tod. Die Schlange mit ihrem giftigen Biss stellt den Tod dar; gleichzeitig symbolisiert die natürliche, regelmässige Häutung die Auferstehung Christi.
Dieser Ring aus dem 18. Jahrhundert symbolisiert die Verbundenheit von Leben und Tod. Die Schlangenköpfe an den Seiten stehen für Tod und Wiedergeburt in Kombination mit dem Totenkopf.
Dieser Ring aus dem 18. Jahrhundert symbolisiert die Verbundenheit von Leben und Tod. Die Schlangenköpfe an den Seiten stehen für Tod und Wiedergeburt in Kombination mit dem Totenkopf. Schweizerisches Nationalmuseum / Sammlung Alice und Louis Koch
Im späten 17. und 18. Jahrhundert spielte Schmuck mit abgebildeten Särgen und Skeletten weniger auf das moralische Konzept des Memento mori an, als vielmehr auf den Verlust einer geliebten Person. Der sargförmige Ringkopf aus schwarz-weisser Emaille eines zierlichen Rings des späten 17. Jahrhundert verbirgt ein Skelett. Das weisse Kreuz auf dem Schaubett des Sargs deutet darauf hin, dass er als Zeichen der Trauer getragen wurde. Dies wird noch verstärkt durch das Auge auf der Ringschulter, aus dem drei Tränen fallen. Trauerringe wurden insbesondere in England als Andenken an die Verstorbenen gefertigt und wurden in Testamenten oft als Erinnerungsgeschenk für Freunde und Familie aufgeführt. Diese waren nicht selten mit dem Namen der verstorbenen Person, ihrem Alter und Todesdatum beschriftet, wie auf einem englischen Ring von 1734, auf dem in einer Mischung von Englisch und Lateinisch steht: Mary Friend, verstorben am 12. Juni 1734, im Alter von 18. Trauerringe enthielten oft ein Haar der verstorbenen Person, wie es bei diesem Beispiel unter dem Kristall hinter einem winzigen weissen Totenkopf auf dem Ringkopf zu sehen ist.
Ein Sarg mit einem Miniaturskelett bildet den Ringkopf dieses Fingerrings, der zwischen 1690 und 1700 hergestellt wurde.
Ein Sarg mit einem Miniaturskelett bildet den Ringkopf dieses Fingerrings, der zwischen 1690 und 1700 hergestellt wurde. Schweizerisches Nationalmuseum / Sammlung Alice und Louis Koch
Trauerkranz mit Totenkopf-Motiv unter Bergkristall, mit Haaren des Verstorbenen. Der Ring wurde 1734 in England hergestellt.
Trauerkranz mit Totenkopf-Motiv unter Bergkristall, mit Haaren des Verstorbenen. Der Ring wurde 1734 in England hergestellt. Schweizerisches Nationalmuseum / Sammlung Alice und Louis Koch
Ein spätviktorianischer Goldring mit plastischen Figuren und gotischen Architekturelementen wurde wohl nie getragen, sondern als Liebhaberstück aufbewahrt. Die Themen einer weiter zurückliegenden Symbolik – wobei die Gestaltung wohl einer literarischen Quelle folgt – sind Vergänglichkeit und Erlösung. Auf einem aufwändig mit Quasten geschmückten Tischtuch thront als Memento-mori-Symbol ein weiss emaillierter Totenkopf. Eine lebensnahe, sich an den Tisch krallende Eule symbolisiert die Nacht, den Schlaf und den Tod. Der darunter schwebende bunte Schmetterling ist das Symbol für die widerauferstandene menschliche Seele. Auf der gegenüberliegenden Seite stellt die liegende Engelsfigur mit zum Gebet gefalteten Händen die Erlösung dar. Die Faszination für den Totenkopf und das Skelett als Symbole für den Kreislauf von Leben und Tod ist in der ganzen europäischen Schmuckgeschichte präsent.
Viktorianischer Ring mit der Miniatur-Stillleben-Skulptur eines Schädels auf einem Tisch, umgeben von einem Engel und einer Eule sowie einem Schmetterling. Der Ring stammt aus der Zeit um 1890 bis 1900.
Viktorianischer Ring mit der Miniatur-Stillleben-Skulptur eines Schädels auf einem Tisch, umgeben von einem Engel und einer Eule sowie einem Schmetterling. Der Ring stammt aus der Zeit um 1890 bis 1900. Schweizerisches Nationalmuseum / Sammlung Alice und Louis Koch

Die Sammlung

Die Ausstellung zeigt über 7000 Exponate aus der eigenen Sammlung und beleuchtet das handwerkliche und kunsthandwerkliche Schaffen der Schweiz über einen Zeitraum von rund 1000 Jahren. Die Ausstellungsräume sind ebenfalls wichtige Zeitzeugen und verbinden sich mit den Objekten zu einer historisch dichten Atmosphäre, die ein tiefes Eintauchen in die Vergangenheit erlaubt.

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