
Der Computer der alten Griechen
Ein unscheinbares Fundstück, geborgen aus einem römischen Schiffswrack, entpuppte sich nach jahrzehntelanger Forschung als wissenschaftliche Sensation: Die alten Griechen verfügten über mechanische Modelle des Kosmos von ungeahnter Präzision. Der sogenannte «Mechanismus von Antikythera» ist ein analoger Kalendercomputer.
Wer verstehen will, was ein mechanisches Getriebe tut, untersucht als erstes die Zahnräder: ihre Lage, ihren Umfang und vor allem die Anzahl der Zähne. Doch auch mit ersten Röntgenbildern des Mechanismus war das keine einfache Sache. Die Fotos waren nicht sonderlich scharf, die Zahnräder selbst nur in Bruchstücken erhalten. Da war etwa ein Rad, auf dem die Radiologen 128 Zähne zu zählen glaubten. 128 ist eine Potenz von 2 und für die Astronomie ohne Bedeutung. Price dagegen beteuerte, das Rad müsse vielmehr 127 Zähne gehabt haben. «127 ist eine Primzahl», erklärt Freeth. «Sie bezieht sich auf die Umlaufbahn des Mondes. Wenn man den Mond Nacht für Nacht beobachtet, erkennt man, dass er sich über den Sternenhimmel bewegt, einmal in 27,3 Tagen durch den ganzen Tierkreis hindurch. Schon im 5. Jahrhundert vor Christus wussten die alten Babylonier, dass der Mond in 19 Jahren fast genau 254-mal durch den Tierkreis wandert.» 254 ist zweimal 127 – und damit hatte Price diesen präzisen babylonischen Mondkalender gefunden, eingebaut in ein antikes Getriebe mit über 30 Zahnrädern.
Die andere Seite des Apparats zeigte zwei weitere Anzeigen: oben einen grossen spiralförmigen Mondkalender mit dem nach dem griechischen Astronomen Meton benannten 19-Jahre-Mondzyklus. Darunter befand sich die ebenfalls spiralförmige Anzeige eines grossen Eklipsenkalenders zur Darstellung von Sonnen- und Mondfinsternissen. Und schliesslich fand sich innerhalb der Mondkalenderanzeige noch eine kleine Vierjahresanzeige des Olympiadenkalenders, welche die Austragungen der panhellenischen Spiele mitsamt dem jeweils wechselnden Austragungsort angab.


Nachbau des Mechanismus von Antikythera. Ludwig Oechslin ochs und junior
TV-Doku über den Mechanismus von Antikythera. YouTube / Terra X History


