Karte des Fürstentums Lichtenstein von Johann Jacob Heber, 1721
Karte des Fürstentums Liechtenstein von Johann Jacob Heber, 1721 LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

Wie das Fürsten­tum Liechten­stein entstan­den ist

Mehr als 300 Jahre schon gibt es das Fürstentum Liechtenstein. Das kleine Land zwischen der Schweiz und Österreich ist kein erobertes Gebiet und auch nicht aus einem Friedensschluss nach einem Krieg hervorgegangen, sondern wurde von den Fürsten von Liechtenstein gekauft, die dem Land ihren Namen gaben.

Günther Meier

Günther Meier

Günther Meier war Chefredaktor des Liechtensteiner Volksblatts. Er schreibt aus Liechtenstein für die Neue Zürcher Zeitung.

Europa im Absolutismus, ein Kontinent mit Kaiser- und Königreichen, Fürsten und Herzogen. Unter ihnen die Fürsten von Liechtenstein, ausgestattet mit Reichtum, aber ohne Stimmrecht im Reichstag des Heiligen Römischen Reiches. Zwar hatte Kaiser Ferdinand II. (1587-1637) dem Fürsten Karl von Liechtenstein schon 1620 die Auszeichnung Reichsfürst verliehen, doch wer im Reichstag mitentscheiden wollte, musste im Besitz eines reichsunmittelbaren Gebietes sein. Die zahlreichen Besitzungen der Fürsten in Böhmen, Mähren, Schlesien und Österreich unterstanden jedoch nicht dem Kaiser, sondern gehörten in das Königsreich der Habsburger.
Der Habsburger Kaisers Ferdinand II. ernannte...
Der Habsburger Kaisers Ferdinand II. erhob... Wikimedia
...Karl von Liechtenstein 1620 zum Reichsfürsten.
...Karl von Liechtenstein 1620 zum Reichsfürsten. Wikimedia
Bei der Suche nach einem reichsunmittelbaren Gebiet stiess Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein (1657-1712) am Alpenrhein auf ein Territorium, das diese Voraussetzungen erfüllte. Die Herrschaft Schellenberg und die Grafschaft Vaduz befanden sich in einem wirtschaftlich desolaten Zustand, weshalb ein Käufer für die beiden Gebiete gesucht wurde. Wenn das Haus Liechtenstein in den Besitz der Herrschaft und der Grafschaft gelangen könnte, so die Überlegung des Fürsten, wäre das Ziel erreicht: Nämlich der Einzug mit Sitz und Stimme im Reichstag.

Kauf der Herrschaft Schellenberg

Das 17. Jahrhundert gehört zu den schwierigsten Zeitabschnitten in der Geschichte des heutigen Fürstentums Liechtenstein. Die Pest breitete sich aus und forderte viele Todesopfer, der Dreissigjährige Krieg brachte Hungersnöte und mehr als 300 Todesurteile wurden während des Hexenwahns vollstreckt. Landesherren waren zu dieser Zeit die Grafen von Hohenems, deren Gebaren den wirtschaftlichen Niedergang der Gegend beschleunigte. Der Historiker Peter Kaiser schrieb schon im 19. Jahrhundert über den Willkürherrscher Graf Ferdinand Carl von Hohenems:

Zur Verschwen­dung, zu Willkür und Gewalt­tä­tig­keit geneigt, achtete er kein Recht und folgte nur den Stimmun­gen seines heftigen und leiden­schaft­li­chen Temperaments.

Sein Bruder Jakob Hannibal, der 1668 die Nachfolge antrat, war im Volk ebenso unbeliebt, was zu einer Klage beim Kaiser führte. Dieser enthob den Grafen seiner Funktion, stellte das Herrschaftsgebiet unter Zwangsverwaltung und beauftragte den Fürstabt von Kempten, Rupert von Bodman, mit der Verwaltung der Herrschaft Schellenberg und der Grafschaft Vaduz. Eine Kommission unter der Leitung des Fürstabtes gelangte zum Schluss, nur ein Verkauf der beiden Gebiete könne die Situation noch retten. Daraufhin wurden Verkaufsverhandlungen geführt, um die Schulden der Grafen von Hohenems zu tilgen. Weltliche wie kirchliche Vertreter interessierten sich für das Gebiet, darunter der Fürstabt von St. Gallen und der Bischof von Chur. Am 12. Juni 1697 richtete Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein ein Schreiben an den Kaiser und meldete sich als Interessent für die Herrschaft Schellenberg an. Der Fürst, der auf der Suche nach einem reichsunmittelbaren Gebiet war, bot die höchste Summe und erhielt den Zuschlag. Der Kaufpreis von 115'000 Gulden lag weit über dem wirtschaftlichen Wert des von Krieg, Pest und Hexenverfolgung gebeutelten Gebietes.
Goldmedaille mit dem Porträt des Fürsten Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein, 1694.
Goldmedaille mit dem Porträt des Fürsten Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein, 1694. LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna
Zur Huldigungsfeier am 16. März 1699 durch das Volk kam der Fürst nicht persönlich, sondern schickte einen Vertreter seines Hofstaates. Der Käufer, der 1712 starb, hatte das erworbene Gebiet von lediglich 35 Quadratkilometern Fläche nie persönlich gesehen. Auch die direkten Nachfolger nicht, denn erst 1842 besuchte mit Fürst Alois II. der erste Herrscher den Besitz am Alpenrhein.

Erwerb der Grafschaft Vaduz

Der Reichsfürstenrat in Regensburg öffnete sich für das Fürstenhaus Liechtenstein mit dem Kauf der Herrschaft Schellenberg noch nicht, denn das kleine Gebiet wurde als zu unbedeutend angesehen. Fürst Johann Adam Andreas hatte offenbar damit gerechnet, denn in weiser Voraussicht hatte er bei diesem Erwerb ein Vorkaufsrecht für die Grafschaft Vaduz miterworben. Dieses Vorkaufsrecht konnte das Fürstenhaus aber erst 13 Jahre später ausüben, als die wirtschaftlich ebenfalls mit grossen Problemen behaftete Grafschaft zum Erwerb anstand. Die relativ hohe Kaufsumme von 290'000 Gulden war aber schon mit dem Vorkaufsrecht ausgehandelt worden.
Am 07. März 1712 ratifiziert Kaiser Karl VI. den Vertrag über den Kauf der Reichsgrafschaft Vaduz durch Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein
Am 7. März 1712 ratifiziert Kaiser Karl VI. den Vertrag über den Kauf der Reichsgrafschaft Vaduz durch Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna
Nachdem der Kaufhandel abgeschlossen war, wurde auf den 9. Juni 1712 eine sogenannte Huldigungsfeier anberaumt. Die männlichen Untertanen im wehrfähigen Alter trafen sich mit dem neuen Landvogt des Fürsten, der aus dem fernen Wien in die Grafschaft Vaduz – anstelle des Regenten – entsandt worden war. Reibungslos ging die Huldigungsfeier nicht über die Bühne, wie schon 1699 bei der Herrschaft Schellenberg. Die Untertanen waren zur Eidesleistung auf den neuen Landesherrn erst bereit, als ihnen die alten, unter den Hohenemser Grafen zugestandenen Rechte und Freiheiten zugesichert wurden.

1719 – Vereini­gung von Schellen­berg und Vaduz zum Fürstentum

Das Fürstenhaus Liechtenstein war nach dem Kauf der Herrschaft Schellenberg und der Grafschaft Vaduz im Besitz von zwei kleinen, aber reichsunmittelbaren Gebieten. Dennoch dauerte es ein paar Jahre, bis es zur Vereinigung kam. Der Hauptgrund dafür war ein Besitzerwechsel im Hause Liechtenstein: Fürst Joseph Wenzel, der als Minderjähriger Schellenberg und Vaduz geerbt hatte, erhielt bei einem Tausch die Herrschaft Rumburg, Fürst Anton Florian wurde Besitzer der von den Hohenemsern übernommenen Besitztümer. Bei diesem Besitzerwechsel fand am 5. September 1718 erneut eine Huldigung durch das Volk statt – wiederum ohne die Anwesenheit des Fürsten.
Porträt des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein (1696–1772)
Porträt des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein (1696–1772) LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna
Porträt des Fürsten Anton Florian I. von Liechtenstein (1656–1721)
Porträt des Fürsten Anton Florian I. von Liechtenstein (1656–1721) LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna
Das Ziel, ein neues Fürstentum zu schaffen, war kurze Zeit später erreicht. Kaiser Karl VI. vereinigte mit einem kaiserlichen Erlass die beiden Teile Schellenberg und Vaduz zum Reichsfürstentum, das mit «Fürstentum Liechtenstein» den Namen des Herrschergeschlechts erhielt. Das 1719 neu errichtete Fürstentum wurde zum 343. Staat des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Als Napoleon im Jahr 1806 den Rheinbund gründete, eine Vereinigung von 16 Teilstaaten, die sich damit vom Heiligen Römischen Reich verabschiedeten, sicherte er diesen Ländern die staatliche Selbständigkeit zu. Liechtenstein erhielt damit die Souveränität als eigenständiger Staat – und ist stolz darauf, diese Souveränität bis heute erhalten zu können.

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