Britischer Materialabwurf mit einer Dakota C-47 für norditalienische Partisanen, Frühling 1945.
Britischer Materialabwurf mit einer Dakota C-47 für norditalienische Partisanen, Frühling 1945. Imperial War Museums

Alliierte Hilfe für die Partisa­nen im Ossola

Ohne die Hilfe der Briten und Amerikaner wäre der Widerstand gegen die deutschen und faschistischen Besatzer zwecklos gewesen. Die Partisanen des Ossola hatten sich allerdings mehr Unterstützung erhofft.

Raphael Rues

Raphael Rues

Raphael Rues ist Historiker und spezialisiert auf das Tessin und die deutsch-faschistische Präsenz in Norditalien.

Ohne die Hilfe der Alliierten wäre der Widerstandskampf im Ossolagebiet chancenlos gewesen. Die Unterstützung durch die Briten und Amerikaner hatte in erster Linie mit der geopolitischen Lage der neutralen Schweiz zu tun. Diese Lage verändert sich Ende 1942 radikal. Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in Vichy-Frankreich im November wurde der letzte freie Korridor zwischen der Schweiz, Spanien und Portugal geschlossen. Für viele Menschen, darunter auch zahlreiche flüchtige alliierte Kriegsgefangene, blieb somit nur noch ein Weg, um den deutsch-faschistischen Truppen zu entkommen: die Flucht in die Schweiz.

Partisa­nen als Fluchthelfer

Nach dem Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten vom 8. September 1943 konnten einige hundert alliierte Kriegsgefangene aus den für einen Moment unbewachten Lagern in Novara, Biella und Varese entkommen. Sie suchten sich einen Weg in die Schweiz, deren Südgrenze in diesen Wochen nur schwach bewacht wurde. Die Routen verliefen durch die Monte-Rosa-Region, die Alpenkette am Passo Moro oder über den Lago Maggiore. Für dessen Überquerung brauchten die Flüchtenden jedoch unbedingt Hilfe. Diese erhielten sie von italienischen Widerstandskämpfern. Frühe Partisanengruppen wie die Brigate Cesare Battisti ermöglichten gegen eine Gebühr die Überfahrt in die Schweiz. Diese an den Ufern des Lago Maggiore aktive Partisaneneinheit hat den Vorteil, dass ihr Anführer Armando Arca Calzavara gut Englisch sprach. Gratis war dieser «Service» jedoch nicht. Aus Protokollen der Schweizer Behörden geht hervor, dass der heimliche Grenzübertritt etwa 10’000 italienische Lira pro Person gekostet hat. Das entspricht dem Monatslohn eines einfachen Arbeiters zu dieser Zeit.
Partisanenkommandant Armando Arca Calzavara konnte seine Englischkenntnisse gewinnbringend einsetzen.
Partisanenkommandant Armando Arca Calzavara konnte seine Englischkenntnisse gewinnbringend einsetzen. repubblicadellossola.it
Finanziell war das Einschleusen von alliierten Kriegsgefangenen in die Schweiz für die Partisanen weniger lohnend als etwa jenes von wohlhabenden Juden. Logistisch waren diese Dienste jedoch immens wichtig, denn nicht selten erfolgte die Bezahlung durch Materiallieferungen, welche von den Alliierten abgeworfen wurden. In erster Linie profitierten gemässigte Partisaneneinheiten von diesem Handel. Die kommunistischen Garibaldi-Einheiten wurden im Allgemeinen davon ausgeschlossen und erhielten weniger Luftabwürfe als ihre politisch gemässigteren Kollegen. Das hat nicht zuletzt mit der politischen Gesinnung der Materiallieferanten zu tun, welche mehr oder wenig antikommunistisch war.

Alliierte Nachrich­ten­diens­te in der Schweiz

Die alliierte Unterstützung für die Partisanen in Ossola kam ausschliesslich vom amerikanischen Nachrichtendienst Office of Strategic Services (OSS) und seinem britischen Pendant, der Special Operations Executive (SOE). Beide Dienste agierten aus der Schweiz und genossen dort ziemlich viele Freiheiten. Gleiches gilt für ihre Autonomie, da das Land ab November 1942 ganz von den Achsenmächten umgeben und praktisch vom Rest der Welt isoliert war. Allerdings bestand eine gewisse Konkurrenz zwischen dem OSS, der von Allen Dulles, dem späteren ersten CIA-Direktor geleitet wurde und der SOE, deren Schweizer Chef John McCaffery war. Das führte immer wieder zu Koordinationsproblemen, welche ihren Ursprung im fehlenden Austausch von Informationen zwischen Amerikanern und Briten hatte. Da beide Nachrichtendienste anfangs unabhängig voneinander nicht an einen starken italienischen Widerstand geglaubt hatten, kam die Unterstützung ausserdem nicht über ein Niveau hinaus, das es erlaubt hätte, sich längerfristig gegen die deutschen und faschistischen Besatzer zu behaupten.
Porträt von Allen Dulles, der 1953 Direktor der CIA wurde.
Allen Dulles zog für das OSS in Bern die Fäden. Wikimedia
Neben Materialabwürfen und Geldzahlungen unterstützten die Alliierten die Widerstandskämpfer vor allem mit Informationen und Know-How. Letzteres wurde ihnen durch amerikanische und britische Agenten vermittelt, welche sich den Partisanengruppen anschlossen. Die Geschichtsschreibung der Resistenza hat diese Präsenz der Alliierten in Ossola oft aufgebauscht. In Wirklichkeit waren die alliierten Vertreter nicht mehr als geländeerfahrenen Soldaten, die «vor Ort» in den Offiziersrang erhoben wurden. Mit dieser Täuschung sollte der Eindruck erweckt werden, dass die Partisanen hochgeschätzte Partner waren. Das waren sie nur bis zu einem gewissen Grad. Und das auch nur, wenn sie nach dem Willen und im Dienste der Alliierten agierten. Hier zeigt sich ein weiteres Problem des Widerstandskampfes im Ossolagebiet: Die Alliierten hatten kein Interesse, in Italien eine zweite Front ganz im Norden zu eröffnen. Ebenso wenig wollten sie ein starkes, politisch links stehendes Partisanenheer aufbauen. Viele Briten wären nicht unglücklich gewesen, die Monarchie in Italien wieder zu installieren. Das war so ungefähr das Gegenteil dessen, wofür viele Partisanen kämpften.
Britische Soldaten packen Material für eine Lieferung an Partisanen, Frühling 1945.
Britische Soldaten packen Material für eine Lieferung an Partisanen, Frühling 1945. Imperial War Museums
Zwei Partisanen aus der Region Cuneo-Alba warten bereits auf das britische Material, Frühling 1945.
Zwei Partisanen aus der Region Cuneo-Alba warten bereits auf das britische Material, Frühling 1945. Imperial War Museums
Dass die beiden Nachrichtendienste überhaupt so aktiv in Norditalien und besonders im Ossolagebiet agieren konnten, hat auch mit der Schweizer Auslegung der Neutralität zu tun. Einige italienische Partisanenkommandeure, diverse Politiker sowie Vertreter der Alliierten konnten die Grenze ohne Probleme passieren. Dies machte die Hilfe für den Widerstand im Nachbarland erst möglich, zeigt aber auch die völlige Abhängigkeit der ossolanischen Partisanen von der Schweiz und den Alliierten auf. Am 7. September 1944 machte Bern einen weiteren Schritt auf die Widerstandskämpfer zu. In der Weisung der Armeeleitung betreffend Aufnahme einzelner fremder Wehrmänner wurde festgelegt, dass Partisanengruppen nun auf Schweizer Gebiet zugelassen werden konnten, solange sie nicht kriminell waren, es sich also nicht um «Räuberbanden» handelte. Das war bemerkenswert, nützte der Republik Ossola jedoch wenig. Nicht zuletzt wegen ausbleibender Materiallieferungen der Alliierten.
Für die Partisanen im Ossola wurden zwischen Frühling 1944 und April 1945 rund 30 Materialabwürfe getätigt. Ausserdem fanden in dieser Zeit drei Verbindungsmissionen statt: Alliierte Agenten kamen per Fallschirm in die Region, um danach weiter nach Varese oder Mailand zu gehen. Von dort aus koordinierten sie die Informationen innerhalb der verschiedenen alliierten Truppen. Insgesamt war die materielle Hilfe sehr bescheiden. Kommt hinzu, dass ein Grossteil der erwähnten Abwürfe von den Besatzern abgefangen wurde oder an unerreichbaren Orten landete. Moralisch hat die Unterstützung jedoch dazu beigetragen, die ossolanischen Partisanen aufzurütteln und den Kampf gegen die deutschen und faschistischen Besatzer bis zum Ende des Krieges im April 1945 weiterzuführen.

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