
Die Grossmutter der Uni Zürich wird 500
Im Juni 1525 wurden in Zürich erstmals öffentliche Vorlesungen gehalten. So begann die Geschichte der höheren Bildung in der Limmatstadt, die 300 Jahre später zur Gründung der Universität führte.
Allmächtiger, ewiger und barmherziger Gott, dessen Wort eine Leuchte für unsere Füsse und ein Licht auf unseren Wegen ist, öffne und erleuchte unseren Geist, damit wir deine Offenbarungen rein und heilig verstehen, und in das, was wir recht verstanden haben, umgestaltet werden, wodurch wir deiner Majestät in keinem Teil missfallen, durch Jesus Christus, unseren Herrn. Amen.
Das Interesse daran war gross, fast zu gross: Weil nicht ganz klar war, wann genau die deutsche Predigt beginnen würde, kamen viele Menschen schon deutlich früher ins Grossmünster – und störten damit die Gelehrten bei der Arbeit. Zwingli regte deswegen schon im November 1525 an, dass die Glocken gegen Ende des wissenschaftlichen Treffens läuten sollten. Damit sollte signalisiert werden, wann es Zeit war, zum deutschsprachigen Teil zu kommen.
Die Bibelauslegung in lateinischer Sprache wurde als «öffentliche Vorlesung» (lectio publica) bezeichnet. Öffentlich war sie nicht nur, weil jeder teilnehmen durfte, der Latein verstand, sondern auch deshalb, weil die Besucher dafür nichts bezahlen mussten. Die Finanzierung war durch Mittel des Grossmünsterstiftes gesichert: Als einzige mittelalterliche religiöse Einrichtung Zürichs war dieses nicht aufgelöst worden, sondern hatte sich als Institution reformiert. So würde es noch drei Jahrhunderte lang weiterbestehen.
Ab 1541 begann man das Curriculum um weitere Fächer – wie etwa Naturphilosophie (physica), Ethik und Neues Testament – zu erweitern. 1559 wurde der höhere Unterricht im Rahmen einer Schulordnung erstmals detailliert geregelt. 42 Jahre später erfolgte sodann im Rahmen einer grossangelegten Schulreform die Gründung des Collegium Humanitatis als Mittelstufe zwischen den Lateinschulen und den öffentlichen Vorlesungen. Für diese bürgerte sich wiederum die Bezeichnung Collegium Carolinum ein.
Das Grossmünsterstift wurde erst 1832 endgültig aufgehoben und mit ihm endete auch die Geschichte des Collegium Carolinum. Bereits ein Jahr später wurde jedoch die Universität Zürich als Tochterinstitution gegründet. Wenn aber das Carolinum als Mutter der Universität Zürich betrachtet werden kann, so dürfte es inzwischen klar geworden sein, was deren Grossmutter war: jene «öffentlichen Vorlesungen», die an einem Montagmorgen im Sommer vor 500 Jahren erstmals stattfanden.
500. Geburtstag
Die Tradition von 1525 wird an der Universität Zürich vor allem durch die Theologische und Religionswissenschaftliche Fakultät fortgesetzt. Dort forschen und lehren heute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit neusten Methoden zu aktuellen Themen rund um Theologie, Religion und Spiritualität. Der inoffizielle 500. Geburtstag wird mit zahlreichen Veranstaltungen gefeiert.


