Blick in die Niederlassung der Firma Ziegler in Sultanabad, 188oer-Jahre.
Blick in die Niederlassung der Firma Ziegler in Sultanabad, 1880er-Jahre. Wikimedia, Museum Rietberg

Teppich­händ­ler aus Winterthur

Johann Philipp Ziegler war ein Kaufmann aus Winterthur. Seine Firma war am Ende des 19. Jahrhunderts der grösste Exporteur von Orientteppichen aus dem heutigen Iran.

Dominik Landwehr

Dominik Landwehr

Dominik Landwehr ist Kultur- und Medienwissenschafter und lebt in Zürich.

Dass Schweizer Kaufleute ihr Glück im Ausland suchten, war auch im 19. Jahrhundert keine Seltenheit. Nur im Fall des Winterthurer Kaufmann Johann Philipp Ziegler (1833-1880) hatte die Emigration einen recht ungewöhnlichen Grund: Protektionistische Massnahmen erschwerten in der Textilindustrie den Handel mit dem benachbarten Ausland. Dieser Missstand konnte erst gegen Ende des erwähnten Jahrhunderts behoben werden. Ziegler wanderte deshalb nach Manchester aus, einem der Zentren der britischen Textilindustrie im 19. Jahrhundert. Hier waren Handelsaktivitäten wesentlich einfacher. Dieser Schritt sollte sich bald als eigentlicher Glücksfall herausstellen und dem Schweizer Horizonte eröffnen, von denen er davor nicht zu träumen gewagt hätte.
Porträt von Johann Philipp Ziegler, aufgenommen 1879.
Porträt von Johann Philipp Ziegler, aufgenommen 1879. Wikimedia
Dieses Glück zeigte sich 1876 ein erstes Mal. Ziegler erhielt den Auftrag die Firma Dinner & Hanhart in Täbris, dem damaligen Persien, zu liquidieren. Der Schweizer hatte bis dahin keine Kontakte mit Persien, umso grösser war deshalb seine Neugier. Und sie wurde noch grösser, als er dort einen anderen Schweizer traf: Emil Alpiger (1841-1905). Alpiger hatte in Täbris jahrelange Erfahrung gesammelt und so war es für Ziegler naheliegend, ihn gleich zu engagieren. Textilspezialist Ziegler erkannte das Potenzial des Handels mit Persien sofort. Seit der Weltausstellung von London im Jahr 1851 stiegen das Interesse und die Nachfrage nach Orientteppichen. Und diese Nachfrage, das war dem Winterthurer sofort klar, konnte nicht alleine durch den Handel gedeckt werden. Er begann deshalb, selbst zu produzieren. Als Schwerpunkt für seine Aktivitäten wählte er die erst 1808 gegründete Stadt Sultanabad (heute Arak). Ziegler stützte sich auf die vielen Klein- und Kleinstproduzenten, die nicht nur in der Stadt, sondern auch in den verstreuten Dörfern zu finden waren. Sie alle begannen für ihn zu produzieren. Koordiniert wurde diese Tätigkeit von Emil Alpiger. Das Wachstum war eindrücklich: Ziegler startete Mitte der 1870er-Jahre mit 40 Webstühlen. Um 1894 bestand seine Produktion in Sultanabad aus insgesamt 1200 Webstühlen, in der Umgebung der Stadt wurde an weiteren 1500 Webstühlen für die Manufaktur Ziegler gearbeitet.
Teppichknüpferinnen in Sultanabad. Die Webstühle befanden sich in der Regel in Privathäuser. Das Teppichknüpfen war Handarbeit und wurde von Frauen verrichtet. Die Teppiche wurden dazu in Webstühlen eingespannt. Das Bild entstand in den 1880er-Jahren.
Teppichknüpferinnen in Sultanabad. Die Webstühle befanden sich in der Regel in Privathäusern. Das Teppichknüpfen war Handarbeit und wurde von Frauen verrichtet. Die Teppiche wurden dazu in Webstühlen eingespannt. Das Bild entstand in den 1880er-Jahren. Museum Rietberg

Bezahlung in Opium

Bezahlt wurde nicht mit Geld, sondern mit Waren: Die Baumwollstoffe aus der Schweizer Textilindustrie waren in Persien beliebt und deshalb als Tauschmittel willkommen. Anstelle von Geld erhielt Ziegler auch Opium, das sich in anderen Ländern Asiens wiederum gewinnbringend verkaufen liess. Das mag aus heutiger Sicht befremdlich wirken, aber Opium war damals eine Handelsware. So einfach war der Handel aber nicht, denn die Produkte mussten durch das schlecht erschlossene Landesinnere transportiert werden und nicht alle Transporte kamen glücklich an. Die Händler mussten ein ansehnliches Risiko selbst tragen.
Emil Alpiger (vorne links) und Theodor Philipp Ziegler, der Sohn des Firmengründers (vorne rechts), auf einem Gruppenfoto der Ziegler-Niederlassung in Sultanabad, 189oer-Jahre.
Emil Alpiger (vorne links) und Theodor Philipp Ziegler, der Sohn des Firmengründers (vorne rechts), auf einem Gruppenfoto der Ziegler-Niederlassung in Sultanabad, 1890er-Jahre. Wikimedia, Museum Rietberg
Über das private Leben von Johann Philipp Ziegler ist nur wenig bekannt. Ausser, dass sein Sohn Theodor Philipp nach dem Tod des Vaters dessen Stelle in der Firma eingenommen hatte. Mehr Informationen gibt es hingegen zu seinem Geschäftspartner Emil Alpiger. Dieser war neben seiner Tätigkeit für Ziegler ein begeisterter Sammler und interessierte sich für die damals noch junge Fototechnologie. Alpiger erwarb rund 400 Fotografien des armenischen Fotografen Antoin Sevruguin, der in Teheran ein prosperierendes Fotostudio betrieb. Sevruguins Fundus war ursprünglich viel grösser. Es soll über 7000 Bilder auf Glasplatten besessen haben. Der grösste Teil davon wurde jedoch 1908 während der Konstitutionellen Revolution zerstört. Emil Alpigers Schätze werden heute im Museum Rietberg aufbewahrt und ermöglichen einen Blick ins Persien des 19. Jahrhunderts.
Ländliche Szene aus Sultanabad, aufgenommen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Ländliche Szene aus Sultanabad, aufgenommen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Museum Rietberg
Blick auf das Wohnhaus von Emil Alpiger in Sultanabad, aufgenommen in den 1890er-Jahren.
Blick auf das Wohnhaus von Emil Alpiger in Sultanabad, aufgenommen in den 1890er-Jahren. Wikimedia, Museum Rietberg
Auch wenn der Name der Firma Ziegler zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschwunden ist, so begründete der umtriebige Kaufmann aus Winterthur doch eine Aktivität, die noch lange nachhallen sollte: Noch in den 1960er-Jahren war die Schweiz nach Grossbritannien der weltweit zweitgrösste Exporteur von Perserteppichen aus dem Iran. Aber Ziegler produzierte nicht einfach Orientteppiche, sondern berücksichtigte den Geschmack des europäischen Publikums und entwickelte einen eigenen Stil. Man spricht deshalb auch heute noch von sogenannten Ziegler-Teppichen. «Sie sind weniger komplex und hatten häufig andere Dimensionen als die traditionellen Perserteppiche, sodass sie in europäische Häuser passten», erklärt Axel Langer, der Iran-Spezialist des Museums Rietberg.
Beispiel eines kleinen Ziegler-Teppichs, wie er in den Manufakturen in Sultanabad im 19. Jahrhundert hergestellt wurde.
Beispiel eines kleinen Ziegler-Teppichs, wie er in den Manufakturen in Sultanabad im 19. Jahrhundert hergestellt wurde. Museum Rietberg

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