Der Traum vom schnellen Geld ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Illustration von Marco Heer
Der Traum vom schnellen Geld ist fast so alt wie die Menschheit selbst. Illustration von Marco Heer.

Von Gier und Geistern

In der Frühen Neuzeit strebten viele Menschen nach Reichtum und gruben nach Schätzen. Doch Betrüger und Geister kreuzten ihren Weg, und nicht wenige landeten vor Gericht.

Christoph Kummer

Christoph Kummer

Christoph Kummer ist Historiker und freier Journalist und interessiert sich für Personen und Ereignisse abseits des allgemeinen Geschichtsbewusstseins.

Es war eine kühle Herbstnacht im Jahre 1736, als vier Männer im Schein einer Öllampe in der Scheune eines Bauernhofs in der Region Willisau zusammenkamen. Der Wind pfiff durch die Holzbalken, während einer der vier, ein «Herr aus Konstanz», mit ernster Miene einen Kreis in die Erde zog. Bauer Kaspar Müller und seine Begleiter Rochi Zeder und Hans Bättig standen unsicher daneben. «Ein verborgenes Vermögen, unberührt seit Jahrhunderten – wer sich als würdig erweist, wird es in Händen halten», flüsterte der Fremde geheimnisvoll. Schatzgräberei war in der Schweiz zwischen 1500 und 1800 weit verbreitet. Sie war mehr als eine blosse Suche nach Reichtümern – sie spiegelte die Unsicherheiten der Menschen wider. Kriege hatten die Gesellschaft erschüttert, die Reformation alte Glaubenssätze in Frage gestellt. Die Schätze, von denen man sich vielerorts erzählte, waren auch eine Art Hoffnung. Auf ein besseres Leben, auf etwas Glück oder ein Thema, auf das man sich konzentrieren konnte.
Die Region Willisau auf einem Kupferstich von Matthäus Merian, 17. Jahrhundert.
Die Region Willisau auf einem Kupferstich von Matthäus Merian, 17. Jahrhundert. Wikimedia
Die Schatzgräberei war ein Symptom der wirtschaftlichen Denkweise: In der agrarisch geprägten Gesellschaft, in der Besitz als begrenzt galt, konnte Reichtum nur durch die Umverteilung bereits existierender Güter entstehen. Wer gewann, nahm anderen etwas weg – so dachte man. Gefundene Schätze waren daher eine Art von «erlaubtem Reichtum», etwas, das ausserhalb der gesellschaftlichen Ordnung lag. Hinzu kamen ökonomische Umwälzungen: Die Geldwirtschaft wuchs, doch der Bankensektor hinkte hinterher. Viele Menschen versteckten daher ihre Ersparnisse.

Mit der Wünschel­ru­te zum grossen Reichtum

«Ihr steht an der Schwelle zu eurem Schicksal», raunte der Fremde, während er, mit einem geweihten Palmzweig in der Hand, den Kreis betrat. Mit eindringlicher Stimme drängte er Müller, sich seinem Auftrag zu unterwerfen: «Es ist deine Pflicht vor Gott, diese Seele zu erlösen! Willst du ihre Verdammnis auf deinen Schultern tragen?» Schatzgräberei war untrennbar mit Religion und Aberglauben verbunden. Verborgenen Schätzen wurden magische Eigenschaften zugeschrieben: Man glaubte, sie könnten gezielt vor den Suchenden fliehen oder sich als wertloses Material tarnen. Die Schatzsucher bedienten sich daher okkulter Praktiken, um sie aufzuspüren: Die Wünschelrute war ein beliebtes Instrument, ebenso die Alraunenwurzel, spezielle Spiegel und Zauberbücher. Gebete wurden gesprochen, Heilige angerufen und Dämonen beschworen, um den Schatz zu finden – und mit Geistern in Kontakt zu treten.
Im 18. Jahrhundert wurde oft mit Wünschelruten nach versteckten Schätzen gesucht. Illustration von Thomas Pennant, 1781.
Im 18. Jahrhundert wurde oft mit Wünschelruten nach versteckten Schätzen gesucht. Illustration von Thomas Pennant, 1781. Wikimedia
Oft wurden diese Schätze von unruhigen Seelen bewacht. Die Gespenster waren nicht zufällig da: Ihre Existenz wurde als Busse für eine unerfüllte Aufgabe im Leben gesehen. Wer einen Schatz vergrub, hatte sich möglicherweise der Todsünde der Habgier schuldig gemacht oder es versäumt, sein Vermögen einem guten Zweck zuzuführen. Der Schatz musste gehoben werden, um den Toten zu erlösen. «Er ist hier», flüsterte der Fremde, «ich werde mit ihm sprechen.» Mit bedächtigen Schritten verschwand der Herr aus Konstanz aus der Scheune in die Dunkelheit. Eine quälend lange Stunde verstrich, in der die drei Luzerner im frostigen Schweigen ausharrten. Als der Fremde zurückkehrte, verkündete er: «Es sind zwei Geister – Brüder. Der eine ist verdammt, doch der andere kann erlöst werden. Und er wird uns den Schatz zeigen.» Der Schatz bestehe aus 25’000 oder 35’000 Zecchinen und ebenso vielen Dublonen – und «drei goldenen Ketten, die einem vierfach um den Leib gehen».
Oft wurden Schätze von Geistern bewacht. So auf jeden Fall wurde es im 18. Jahrhundert erzählt. Druckgrafik von Rudolf Jettmar, 1905.
Oft wurden Schätze von Geistern bewacht. So auf jeden Fall wurde es im 18. Jahrhundert erzählt. Druckgrafik von Rudolf Jettmar, 1905. Albertina, Wien
Doch bevor der Schatz gehoben werden konnte, stellte der Schatzfinder vom Bodensee eine Bedingung: Jeder der Männer musste drei Goldmünzen beisteuern – als notwendiges Opfer, um den Schatz empfangen zu können. Es sei ein Zeichen ihrer Ernsthaftigkeit, erklärte der Fremde. Am nächsten Freitag erschienen Bättig und Zeder wieder auf Müllers Hof, jeder mit drei Goldmünzen. Der Fremde nahm ihr Geld, nähte es sorgfältig in drei Säcklein ein und legte sie in die Mitte des magischen Kreises. «Bald werden sie sich füllen», versprach er. Doch noch war eine letzte Aufgabe zu erledigen. «Der Schatz zeigt sich nur reinen Herzen», mahnte er. «Ihr müsst euch erst von euren Sünden befreien, bevor er sich euch offenbart.» Also machten sich die Männer auf nach Sursee, um zu beichten.
Schatzgräber hofften auf schnellen Reichtum. Berner Golddublone aus dem Jahr 1793.
Schatzgräber hofften auf schnellen Reichtum. Berner Golddublone aus dem Jahr 1793. Schweizerisches Nationalmuseum
Hoffnungsvoll kehrten sie auf den Hof zurück. Doch der Fremde war nirgends zu sehen. Sie warteten eine Weile, danach betraten sie die Scheune und öffneten die Säcklein. Sie erstarrten. Anstelle des ersehnten Goldschatzes enthielten sie nur wertlose Bleistücke. Doch ihr Unglück endete damit nicht. Schon bald wurden die Drei vor das Gericht in Willisau gestellt. Die Kunde von ihren nächtlichen Machenschaften hatte sich verbreitet.
In vielen Gegenden war Schatzgräberei streng verboten, galt sie doch als mit Aberglauben und Zauberei verknüpft – Vergehen, die manchmal auch im Rahmen von Hexenprozessen verfolgt wurden. Gerichtsprotokolle aus verschiedenen Kantonen zeugen von den Strafen. Allein in Luzern sind im 18. Jahrhundert rund 200 Fälle dokumentiert. Die Urteile reichten von Geldbussen über Gefängnisstrafen und körperliche Züchtigungen bis hin zu öffentlicher Schande und Verbannung. Müller wurde für zwei Jahre, Bättig für drei und Zeder für ein Jahr aus der Region verbannt, wie aus den Gerichtsakten hervorgeht. Und der Herr aus Konstanz? Der blieb spurlos verschwunden – vermutlich auf dem Weg zu einem nächsten Opfer.
Am Schandpfahl mussten sich die Menschen in aller Öffentlichkeit verspotten lassen.
Am Schandpfahl mussten sich die Menschen in aller Öffentlichkeit verspotten lassen. Wikimedia
Mit der Aufklärung und dem Rückgang des Aberglaubens im 19. Jahrhundert verlor die Schatzsuche ihre magische Dimension. Im Mittelpunkt standen nun Geschichte und Technik, nicht mehr Geister und Zauberformeln. Die Schatzsuche blieb populär, doch der Erfolg basierte nun auf weltlicher Deduktion: Woher stammte der Schatz? Wer hatte ihn versteckt? Eine Schlüsselrolle spielte dabei die Schatzkarte, die erstmals die Bedeutung erhielt, die sie noch heute in der Populärkultur hat.

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