Der «Smog Free Ring». Foto: Studio Roosegaarde

Smog Free Ring

Ein Schmuckstück aus Smog das einen Beitrag an sauberere Luft leistet? Der niederländische Künstler Daan Roosegarde macht es mit seinem einmaligen Konzept möglich.

Beatriz Chadour-Sampson

Beatriz Chadour-Sampson

International anerkannte Schmuckhistorikerin aus England. Ihre Publikationen reichen von der Antike bis in die Gegenwart, wie beispielsweise 2000 Fingerringe der Alice und Louis Koch Sammlung, Schweiz (1994), für die sie als Beraterin des Schweizerischen Nationalmuseums tätig ist.

Der Name dieses Rings, entworfen und geschaffen vom niederländischen Künstler Daan Roosegarde und seinem Designerteam im Studio Roosengaarden in Rotterdam, mag auf den ersten Blick verwirren. Schmuck wird selten mit ökologischen Themen in Verbindung gebracht, was aber die Geschichte hinter diesem Ring umso spannender macht und – in einer idealen Welt – vom Schmuck der Zukunft erzählt. Die heutige Gesellschaft wird sich immer bewusster, wie fragil die Umwelt ist und welche Verantwortung wir gegenüber künftigen Generationen tragen. Klimaerwärmung, Freihandel und Nachhaltigkeit sind die geläufigsten Schlagwörter in diesem Zusammenhang. Diese Themen sind eher im Gespräch, wenn es um die Naturkräfte, architektonische Konzepte und Alltagsobjekte geht. Doch wer denkt hier schon an einen Fingerring?

Die Alice und Louis Koch Sammlung besteht aus fast 2600 Fingerringen, die heute im Schweizerischen Nationalmuseum aufgehoben werden. Die Sammlung hat ihren Ursprung im frühen 20. Jahrhundert und wurde in der Familie durch die Generationen weitergegeben. Jede Generation hat sie auf ihre Art bereichert. Schliesslich war es die vierte Generation, die in den letzten 20 Jahren die Sammlung ins 21. Jahrhundert führte. Fast 600 Objekte aus dem 20. und 21. Jahrhundert, von Schmuckkünstlerinnen und Schmuckkünstlern aus der ganzen Welt, dokumentieren mutige Designs, moderne Konzepte von traditionellem Handwerk, die Entwicklung von neuen Materialien und modernste Herstellungstechnik. Die Sammlung bezieht nicht nur neue künstlerische Entwicklungen mit ein, sondern beschäftigt sich auch mit aktuellen Themen. Dazu gehört beispielsweise ein Ring der deutschen Künstlerin Beate Leinz aus einem frühen Ankauf vor 1994, hergestellt aus recycelten Abwaschmittelflaschen. Zu dieser Zeit war die Diskussion um Nachhaltigkeit noch wenig verbreitet, schon gar nicht im Bereich des Schmucks.

Der «Smog Free Tower» in Peking. Foto: Derrick Wang

Es überrascht daher nicht, dass der «Smog Free Ring» von Daan Roosegarde den Weg in die Alice und Louis Koch Sammlung gefunden hat. Die Fassung des Rings besteht aus einem Glaswürfel, der Smogpartikel aus dem «Smog Free Tower» in Peking enthält. Der «Smog Free Tower» ist eine preisgekrönte Konstruktion, geschaffen vom Studio Roosengarde und unterstützt von der Chinesischen Regierung. Es handelt sich dabei um einen rund sieben Meter hohen, sechseckigen Luftreiniger, der als «grösster elektronischer Smog-Staubsauger» beschrieben wird. Die Aussenseite besteht aus Silberplatten, die aussehen wie Jalousien. Im Inneren verbirgt sich der auf einer patentierten Ionen-Technologie basierende Luftfilter. Der «Smog Free Tower» reinigt rund 30‘000 Kubikmeter Luft pro Stunde, wird von erneuerbarer Energie betrieben und kann die Umgebungsluft um bis zu 75 Prozent sauberer machen. Während des Reinigungsprozesses wird der Smog aus der Luft gefiltert und komprimiert. Als Abfallprodukt entstehen so jeden Tag eine Handvoll Smog-Würfel.

Der «Smog Free Ring». Foto: Studio Roosegaarde

Ein solcher Würfel wird in den Ring integriert und bildet das dekorative Element des Schmuckstücks. Die Trägerin oder der Träger ist im Besitz eines einzigartigen Juwels und leistet gleichzeitig einen Beitrag an jeweils 1000 Kubikmeter saubere Luft. Aus schmuckhistorischer Sicht ironisch ist die Tatsache, dass gemäss der Forschung des Studio Roosegaarde das vom «Smog Free Tower» gesammelte Material zu 42 Prozent aus Kohlenstoff besteht. Auch Diamanten – über Jahrhunderte das Objekt der Begierde und «a girls’ best friend» – sind im Grunde nichts anderes als Kohlenstoff. Der Glaswürfel mit der Smog-Kohlenstoff-Einlage ist vielleicht kein Ersatz für einen funkelnden Diamanten, doch er ermöglicht einen Blick in die Zukunft für jene, die den Planet und dessen Ressourcen schützen möchten. Die Besitzerin oder der Besitzer trägt das moderne Design mit Stolz und, passend zur eigentlichen Funktion des Schmucks, setzt ein Zeichen gegen die Luftverschmutzung.

In den vergangenen Jahrzehnten haben Schmuckkünstlerinnen und Schmuckkünstler recyceltes Material genutzt, um zeitgenössischen Schmuck herzustellen. Dazu gehören beispielsweise Peter Chang aus Grossbritannien, der recycelten Plastik für seine opulenten Armreife verwendet oder die Schweizerin Verena Sieber-Fuchs, die aus Eierkartons Kaffeerahmdeckeli und Metzgereipapier sanft fliessende Halsketten herstellt. Julia Manheim aus London verwebt Zeitungspapier mit Draht, Nolia Shakti aus der Tschechischen Republik kombiniert entsorgte Nespresso-Kapseln mit Edelmetallen zu komplexen Schmuckstücken und Rosalie McMillan aus London stellt aus Çurface, einem Material aus Kaffeesatz, Luxusschmuck her.

Die Nachfrage nach ethisch verantwortungsvoll gewonnenen Rohstoffen für Schmuck steigt laufend. Diamanten, Smaragde, Rubine oder andere Edelsteine benötigen einen Herkunftsnachweis. Viele Schmuckhersteller, wie Ute Decker aus London, betonen die exklusive Verwendung von Fairtrade-Gold und Silber in ihren Werken.

Der «Smog Free Ring» macht nicht nur Freude, sondern erinnert uns auch daran, wie wir als Trägerinnen und Träger einen Beitrag an den Umweltschutz leisten können. Er ermöglicht uns auch einen Denkanstoss über den Wert eines Schmuckstücks und wie Kunst und Wissenschaft zusammenkommen für eine bessere Welt.

Offizielles Projektvideo des Studio Roosegaarde

Schmuck. Material Handwerk Kunst

19. Mai – 22. Oktober
Landesmuseum Zürich

In einer Sonderausstellung zeigt das Schweizerische Nationalmuseum die besten Stücke aus seiner Schmucksammlung, ergänzt mit wichtigen Leihgaben. Neben Material und Handwerk beleuchtet die Ausstellung zentrale Themen im Schmuck, wie Liebe, Revolte oder Tradition. Ein Raum ist dem 20. Jahrhundert gewidmet, von Lalique über Max Bill bis hin zu zeitgenössischen Schmuckkünstlern.

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