Unterwegs mit Rosmarie Tissi
Rosmarie Tissi (*1937) ist seit fast 60 Jahren Grafikerin. Aktuell arbeitet sie an ihrem neuen Buch, das im Frühling 2018 erscheinen wird. Kuratorin Daniela Schwab hat Rosmarie Tissi in einem Gespräch zu Arbeiten, Erlebnissen und Ansichten befragt.
Aktuell werden in der Ausstellung «10 x Swiss Graphic Design. Vom Entwurf zu Druck» Werke von Ihnen ausgestellt. Mir persönlich gefallen der Entwurf und das Plakat zur «World City Expo Tokyo 1996» sehr gut. Wie ist diese Idee entstanden?
Rosmarie Tissi: Es handelte sich dabei um eine Plakatkampagne. In Abständen konnten Japaner, Europäer, und Amerikaner ein Plakat gestalten um auf die geplante Musterstadt auf einer künstlichen Insel in der Bucht von Tokyo aufmerksam zu machen. Ich fand es erst schwierig, eine Plakatidee für eine Stadt zu entwickeln, die es noch nicht gibt. Eines Abends stand ich in unserem Atelier an der Schipfe (in Zürich) am Fenster und sah auf die Lichter, die sich in der Limmat spiegelten. Der schwarze japanische Textblock war gegeben und ich stellte mir diesen als Umriss der imaginären Stadt vor, deren Lichter sich im Meer spiegeln.
Gibt es auch zu den anderen Objekten in der Ausstellung auch Entstehungsgeschichten?
Im Plakat zu Ausstellung in der Ginza Graphik Gallery in Tokyo 1997 werden dem O und dem T aus dem lateinischen Alphabet ein O und ein T aus der japanischen Schrift zur Seite gestellt. Ich wollte noch etwas Farbe hinein bringen und so gab es für Sigi Odermatt ein rotes Quadrat und für mich einen grünen Punkt. Obwohl Sigi meinte, grün hätte eher zu ihm gepasst.
Sie sind oft gereist und das alleine und in einer Zeit, in der manche Länder noch viel weniger touristisch erschlossen waren als heute. Sie haben rund 70 Länder bereist. Ich stelle mir vor, dass Sie viele Abenteuer erlebt haben?
Ich habe sehr viele Erinnerungen. Zum Beispiel: Beim Besuch des Kakadu-Nationalparks in Australien war ich mit drei weiteren Touristen mit einem kleinen Flugzeug unterwegs. Als wir nach der Besichtigung von Höhlenmalereien wieder abgeholt werden sollten, hiess es, das Flugzeug sei abgestützt. Obwohl niemand ums Leben gekommen war, machte eine solche Nachricht dennoch grosse Angst. Aber es gibt auch wunderbare Naturschauspiele, an die ich mich erinnere: Die Sonnenuntergänge in Tikal, wenn auf ein unbekanntes Startzeichen hin hunderte von grünen Papageien gleichzeitig aus dem Urwald aufflogen. Oder als in Borneo am Ufer des Kinabatangan plötzlich eine Gruppe von Waldelefanten mit einem Jungen auftauchte. Oder das Schwimmen mit Stachelrochen vor den Kaimaninseln.
Sie reisten für Workshops an Hochschulen nach Kanada, USA, China oder für Jurierungen nach Japan, Mexiko, Finnland, Bulgarien und in den Iran. Gibt es Gespräche, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind?
Im Anschluss an einen Vortrag fragte mich einmal eine Studentin, ob ich jemals Kompromisse mache und Arbeiten ändere, wenn ein Kunde das wolle. Ich sagte ja. Wenn ein Kunde etwas anderes wollte, dann probierte ich es aus und dann ergaben sich jeweils zwei Möglichkeiten. Entweder der Kunde sah, dass seine Idee nicht gut war, oder er hatte Recht und es war nun tatsächlich besser. Dann muss man das auch zugeben können. Und die Freude beim Kunden ist in solchen Fällen besonders gross.
Und manchmal überzeugt man den Kunden, wie im Fall der Textilfirma Mettler, für die ich ein Logo entwickelte. Ich hatte mit dem Sohn Kontakt, aber der Vater war passionierter Reiter und wünschte sich ein Pferd als Firmensignet. Ich war von Anfang an der Meinung, dass ein Pferd nicht recht zu der Textilfirma passte und schuf daher noch ein alternatives Logo: Ein schraffiertes M, das so den Eindruck von gewebtem Stoff vermittelt. Zuerst zeigte ich dem Kunden das Signet mit dem Pferd. Als ich danach das andere Logo hervor holte, war er total begeistert. Und es ist ihm dann auch gelungen, den Vater zu überzeugen.
Gab es auch Arbeiten, die Sie abgelehnt haben?
Nein. Aber ich habe auch gezielt Arbeit gesucht, die interessant zu werden versprach. Wir, die Ateliergemeinschaft Odermatt & Tissi, hatten uns beispielsweise beim Lehrmittelverlag gemeldet und geschrieben, wir wären interessiert an der Gestaltung von Lehrbüchern. So ist mein Auftrag für das Chemie-Lehrbuch entstanden. Das war damals eine riesige Arbeit, gerade auch die Suche nach passenden Fotografien zu den verschiedenen Themen, zum Beispiel das Bild einer Schwefelsäurefabrik oder die Fotos von künstlichen Herzklappen. Auf der Suche nach Bildern war ich in unzähligen Fabrik-Archiven. Und man musste sich auch inhaltlich in eine neue Materie einarbeiten. Aber es war auch enorm spannend.
Wenn Sie die aktuelle Ausstellung mit weiteren Arbeiten von Ihnen ergänzen könnten, welche wären das?
Vermutlich die Serenaden 95 und 96. Das sind zwei meiner Lieblingsplakate. Bei den Serenaden gestaltete ich oft mehrere Plakate zu einem bestimmten Thema. Bei den Serenaden 92 und 93 war das Thema «Abendstimmung», bei den Serenaden 95 und 96 war es «Musik». Ich mochte die Serenaden-Aufträge. Wenn ich mit einem Plakat fertig war, hatte ich bereits Ideen für das nächste und begann schon zu pröbeln. Mir gefiel auch die Musik, ich ging sehr gerne zu den Konzerten.