Tür zu!
Im Landesmuseum Zürich befindet sich eine der ältesten erhaltenen Türen Europas. Die Tür von Robenhausen ist über 5500 Jahre alt.
Da muss er nicht schlecht gestaunt haben, der Herr Messikommer, Landwirt und Pfahlbauarchäologe aus Stegen bei Wetzikon, als er Mitte Juni 1868 im Robenhauserried bei Ausgrabungen auf ein grosses Holzbrett stiess. Das was er zunächst für einen Kistendeckel oder eine Bank hielt, erwies sich bei näherem Hinsehen als eine Türe.
Wir befinden uns in der Anfangszeit der prähistorischen Forschung in der Schweiz. 1854 werden die Holzpfähle, Ton- und Steinobjekte, die an den Ufern der Mittellandseen zu finden sind, von Ferdinand Keller, Präsident der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, erstmals mit vorgeschichtlichen Dörfern in Verbindung gebracht. Es entsteht ein regelrechtes «Pfahlbaufieber». Überall an den Schweizer Seen wird gesucht, gegraben, geforscht, so auch im Robenhauserried am Pfäffikersee. Die Pfahlbauarchäologie entsteht und Jakob Messikommer gehört neben Ferdinand Keller zu den Pionieren dieser neuen Wissenschaft. Die Funde von Robenhausen werden bald weltberühmt und das «Robenhausien» wird Synonym für einen Abschnitt der Menschheitsgeschichte.
Die Holztür aus dem Robenhauserried wird der Fachwelt bekannt gemacht, später dann in die Sammlung des Schweizerischen Landesmuseum aufgenommen und der Öffentlichkeit präsentiert. Damit endet ihre Geschichte jedoch nicht, denn die Tür birgt noch einige Geheimnisse.
Der Türflügel ist 1.60 m hoch und 65 cm breit. Seine Dicke schwankt zwischen 3 und 6 cm. Der Sporn – im unteren Teil des Türblattes – steckte ursprünglich in der Schwelle und diente so als Drehangel. Die Löcher entlang der linken Seite des Blattes weisen darauf hin, dass die Tür zusätzlich mit Lederriemen oder Schnüren am Türrahmen befestigt war.
Die Türe ist aus dem Splintholz einer grossen Weisstanne angefertigt. Das bedeutet, dass wir es nicht mit einem Brett zu tun haben, das aus einem Baumstamm herausgeschnitten wurde. Es handelt sich vielmehr um die äussere Holzlage des Stammes (das sogenannte Splintholz) das vom Stamm abgespalten und anschliessend plattgepresst wurde. Im Zeitalter von Kreissägen und Fertigbrettern mag uns diese Vorgehensweise etwas aufwändig vorzukommen. Es ist aber eine sehr effektive Methode, rasch breite und zugleich dünne Bretter herzustellen.
Apropos Zeitalter, wie alt ist die Tür von Robenhausen eigentlich? Im vorletzten Jahrhundert beschränkten sich Jakob Messikommer und Ferdinand Keller darauf, die Tür als vorgeschichtlich zu bezeichnen. Heute wissen wir, dass die Dörfer im Robenhauserried in der Zeit zwischen etwa 3700 und 1000 v.Chr. aufeinanderfolgen. Die Tür sollte also logischerweise irgendwo in diese Zeit datieren. Sie kann jungsteinzeitlich sein oder aber aus der Bronzezeit stammen. Es geht aber auch genauer.
Die Archäologie verfügt heutzutage über eine Reihe von Methoden, mit denen bestimmte Objekte datiert werden können. Mit der Jahrringdatierung (Dendrochronologie) ist es zum Beispiel möglich, Holzpfähle und Bretter jahrgenau zu datieren. Allerdings wird hierfür eine möglichst grosse Zahl von Jahrringen gebraucht, die die Tür aufgrund ihrer Herstellungsweise leider nicht besitzt.
Geeigneter ist da die sogenannte Radiokarbonmethode. Mit ihr ist es möglich, Gegenstände aus organischen Materialien wie Holz oder Knochen bis auf wenige Jahrzehnte genau datieren zu können. 1998 werden der Tür zwei kleine Holzproben entnommen und ins Radiokarbon Labor der ETH-Zürich gebracht. 130 Jahre nach ihrer Auffindung erhielten die Archäologen die langersehnte Antwort auf ihre Frage: Der Türflügel stammt aus der Zeit um 3700 v. Chr., aus der Jungsteinzeit also, und gehörte zu einem der frühesten Häuser am Ort.
Die Türe von Robenhausen ist aber nicht die einzige ihrer Art. In den letzten Jahren sind in der Tat bei archäologischen Ausgrabungen weitere jungsteinzeitliche Holztüren zum Vorschein gekommen: eine ebenfalls am Pfäffikersee und zwei in Zürich, bei den Ausgrabungen auf dem Sechseläuten Platz. Es sind faszinierende Objekte, denn sie stellen nicht nur fassbare Zeugnisse der prähistorischen Häuser und deren Einrichtung dar, sondern sie zeigen auch auf eindrücklicher Weise das Können der prähistorischen Handwerker.