Moorschutz statt Waffenplatz
Es gab eine Zeit vor dem Handy, eine Zeit, in der Pressefotografen die Augen einer ganzen Nation waren. Viele ihrer Bilder sind heute in Vergessenheit geraten. Dazu gehören auch die Themenbilder, die zur Illustrierung der Rothenthurm-Initiative dienten.
Alles in diesem Bild scheint «Nein!» zu schreien: Die Nässe, der Nebel, der Schneeregen – ungemütlicher könnte das Wetter kaum sein. Die verschlossenen Fenster und Türen der mittigen Scheune. Und selbstredend die drei weissen, mit Protestflyern beklebten Grossbuchstaben: Nicht nur «Nein» steht hier geschrieben, sondern «NIE».
«Nie» – das bezieht sich auf den Waffenplatz Rothenthurm. Ein solcher wurde von der Schweizer Armee in den frühen 1970er-Jahren im zehn Quadratkilometer grossen Hochmoor bei Rothenthurm (SZ) geplant. Strassen für Militärfahrzeuge, aufgeschüttete Hügel, Brücken – dieses auf Plänen schon gezeichnete Übungsgelände brachte die örtliche Bevölkerung gegen das Eidgenössische Militärdepartement auf. Für die landbesitzenden Bäuerinnen und Bauern ging es um nichts geringeres als die Existenz: um Hof, Land und Heimat. Aber auch Sorgen um Schiesslärm und Sicherheit regten den Widerstand an.
Als sich die Bauern nicht mit Geld zum Verkauf ihres Grund und Bodens bewegen liessen, leitete Georges-André Chevallaz, Vorsteher des Militärdepartements, ein Enteignungsverfahren ein. Teile der Rothenthurmer Bevölkerung reagierten mit Einsprachen und dem Gang vor das Bundesgericht. Letzten Endes war es aber nicht die reine Blockade, welche die Opposition zum Erfolg führte, sondern die Ausarbeitung einer mehrheitsfähigen Alternative. Aus der Waffenplatzgegnerschaft wurde eine Naturschutzbefürwortung. Zusammen mit dem WWF Schweiz starteten die Rothenthurmer Bauern 1983 die Initiative «Zum Schutz der Moore». Diese schlug ein Verbot von Veränderungen an «besonders schönen und national bedeutenden» Mooren vor.
Auf dem Bild, das zur Zeit der Unterschriftensammlung im April 1983 entstand, liegt links auf dem Hügel noch ein Flecken Schnee. Die Zufälligkeit der Frühlingsschmelze liess einen schwungvollen Pfeil entstehen. Nach rechts oben zeigend – in die Richtung der Zukunft und des Aufstiegs –, muntert er das trotzige Bild ein wenig auf. Wie ein leuchtendes Signal weist er am «Nein» vorbei, als wolle er den alternativen Weg bewerben. Warum der Lastwagen in die andere Richtung fährt? Einigkeit herrschte keineswegs. Gerade in Rothenthurm gingen die Meinungen weit auseinander. Das Dorf entzweite sich: Von persönlichen Beleidigungen bis hin zu Warnfeuern und brennenden Militärbaracken herrschte lange Zeit eine aufgeheizte Stimmung.
Schweizweit zeigte sich im Dezember 1987 an der Urne überraschend klar, dass das Naturschutz-Argument überzeugte. Obwohl Bundes-, National- und Ständerat für den Waffenplatz, also gegen die Initiative waren, legten 57,8 Prozent der Stimmenden ein «Ja» ein. Somit wurde die Schweiz zum bis dato einzigen Land der Welt, das den Schutz von Mooren in der Verfassung garantiert. Davon betroffen sind letzten Endes gerade mal zwei Prozent der Schweizer Staatsfläche. Aber dennoch: Im übertragenen Sinn ist auch dies eine Form von Landesverteidigung.
Die Pressebildagentur ASL
Actualités Suisses Lausanne (ASL) wurde 1954 von Roland Schlaefli gegründet und galt bis zur Schliessung 1999 als wichtigste Westschweizer Pressebildagentur. 1973 übernahm Schlaefli zudem das Archiv der 1937 gegründeten Agentur Presse Diffusion Lausanne (PDL). Die Bestände der beiden Agenturen umfassen ungefähr sechs Millionen Bilder (Negative, Abzüge, Diapositive). Im breiten Themenspektrum lassen sich die Schwerpunkte Bundespolitik, Sport und Westschweiz ausmachen. Den Schritt ins digitale Zeitalter machte die Agentur nicht mehr mit. Seit 2007 befinden sich die Archive von ASL und PDL im Besitz des Schweizerischen Nationalmuseums. Der Blog präsentiert in einer losen Abfolge Bilder und Bildserien, die bei der Aufarbeitung der Bestände besonders aufgefallen sind.