
Vom Snobsport zum Bobsport
Es ist kein Zufall, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt welchen Sport betrieben hat. Am Beispiel des Bobsports lässt sich dies besonders gut aufzeigen.
Vom reichen sportsman zum bodenständigen Büezer – der Bobsport machte seit seiner Erfindung also eine besondere Entwicklung durch. Die Anfänge des Bobfahrens sind eng mit dem Schweizer Wintertourismus verbunden: Der erste nachweisbare Bob wurde in der Saison 1888/89 von einem amerikanischen Kurgast in St. Moritz eingeführt. Er bestand aus zwei Schlitten amerikanischer Bauart, sogenannter Americas oder Toboggans, und war im Gegensatz zu den einheimischen Davoser-Schlitten nicht nur aus Holz, sondern zusätzlich aus Stahl gebaut.
Der Schlitten an sich war eine uralte Idee, die in einigen Gebieten auf der Welt auf verschiedenste Art und Weise genutzt wurde, sei es als Transportmittel oder als Volksvergnügen. Auch die wohlhabenden Touristen schlittelten in ihren Schweizer Winterferien zunächst mit den traditionellen Davosern aus Holz. Es war wohl das schichtspezifische Streben nach Exklusivität und Temporausch, das die reichen Briten und Amerikaner dazu bewog, sich einen teuren High-Tech-Bob bauen zu lassen. «Ein heisser Schlitten» war damals wirklich ein Schlitten und noch kein Maserati...
Was ist richtiges Eisbahn-Schlitteln?
Mit dem Bau des Cresta Run wurde auch der St Moritz Tobogganing Club (SMTC) gegründet. Die Bobfahrerinnen und -fahrer, die in Gruppen auf den Schlitten sassen, schlossen sich zunächst dem SMTC als Untersektion an. Doch schon 1897 gingen sie ihren eigenen Weg und etablierten ihren eigenen Verein (und damit den ersten Bobclub der Welt), den St Moritz Bobsleigh Club (SMBC). 1904 folgte der Bau einer eigenen Bahn (dem heutigen Olympia Run), die ebenfalls in Zusammenarbeit mit einem Hotelier und dank Spenden errichtet werden konnte. Die Trennung von tobagganers und bobbers hatte zweierlei Gründe: Man war sich uneinig über die Benutzung des Cresta Run und darüber, was «richtiges» Eisbahn-Schlitteln sei.
Sport, Partys und Prominente


Bobrennen in St. Moritz, 1927. YouTube / British Pathé
Waren die Frauen zu schnell?
Der St. Moritzer Amateur-Bobbetrieb lief parallel weiter und besteht bis heute, wenn auch etwas weniger elitär und exklusiv. Die Exklusivität äusserte sich lange Zeit dadurch, dass Frauen vom Bobfahren ausgeschlossen wurden. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass bei der Gründung des SMBC 1897 Frauen dabei waren und im fünfköpfigen Vorstand zwei «Ladies» Vorschrift waren. Gemischte und reine Frauenteams waren bis in die 1920er-Jahre normal.
Bobfahren war in seinen Anfängen eben nicht nur ein Sport, sondern auch eine Art Gesellschaftsspiel, wo junge Männer und Frauen ungeniert und abseits bürgerlicher Moralvorstellungen zusammenkommen konnten. Im verwandten Tobogganing stellte die Britin J.M. Baguley sogar zwei Bahnrekorde auf. Danach änderte sich das Klima, die schnellen Ladies wurden von den Männern wohl gefürchtet. Als Vorwand wurden analog zu anderen Sportarten medizinische und moralische Begründungen vorgeschoben: Aufgrund der hohen Geschwindigkeiten und starken Erschütterungen hätten die Frauen beim Bobfahren ein höheres Brustkrebsrisiko. Zudem sei das Zusammenkommen der Geschlechter im engen Bob eine Gefährdung für die Integrität der Frau.
Burdet und Sutter an einem Weltcuprennen der Saison 1998/99. YouTube
Swiss Sports History

Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Swiss Sports History, dem Portal für Schweizer Sportgeschichte. Schulische Vermittlung sowie Informationen für Medien, Forschende und die breite Öffentlichkeit stehen im Zentrum des Portals. Mehr dazu auf sportshistory.ch


