
Im Namen des Herrn…
Was bedeuten die Zeichen und Inschriften auf mittelalterlichen Schwertern? Eine Entschlüsselung.
Die systematische Untersuchung von Zeichen und Inschriften auf Schwertklingen geht auf den Schweizer Historiker und Direktor des Bernischen Historischen Museums Rudolf Wegeli (1877 – 1956) zurück. Wegeli versuchte anhand zahlreicher Beispiele vom Frühmittelalter bis in die frühe Neuzeit eine Systematik und Entschlüsselung zu erarbeiten. Lange wurde dieser Aspekt der Forschung eher stiefmütterlich behandelt. Seit den 2010er-Jahren erlebt die wissenschaftliche Erforschung von Schwertinschriften jedoch ein Revival.
Eine kurze Einführung
Ein bekanntes Akronym ist INRI, was für «Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum» (Jesus von Nazareth, König der Juden) steht. Die Entschlüsselung und Datierung von Inschriften ist ein Spezialgebiet der Epigraphik, also der Inschriftenkunde, worauf sich auch Waffenhistoriker stützen. Somit ist die Erforschung von Schwertinschriften eine wertvolle interdisziplinäre Arbeit. Im Fokus steht dabei jedoch nicht nur die Dekodierung der Inschrift, sondern auch das Schriftbild, welches für die Forschung der Paläografie (Lehre der alten Schriften), für die Datierung und die mögliche Herstellungsregion der Waffe wichtig sein können. Drei Beispiele sollen dieses hochspannende Feld der historischen Waffen- und Inschriftenkunde beleuchten.
Im Namen des Herrn
Welchen Zweck die Häufung wie auch die Stellung des Buchstaben «I» erfüllen, entzieht sich unserer Kenntnis. Es könnte sich um eine unbewusste Verballhornung der Beschwörungsformel handeln. Die eher grob geschriebenen Buchstaben lehnen sich an die Grossbuchstaben römischen beziehungsweise romanischen Vorbilds an. Die Tauschierungen mit Eisen tauchen zwischen 1050 und 1150 auf, welches auch mit dem verwendeten Schriftbild zusammenpasst. Jedoch stellt der Knauf eine Form dar, welche im frühen 13. Jahrhundert Mode wurde. Somit kann man annehmen, dass es sich womöglich um eine ältere Klinge handelt, welche später einen neuen Knauf erhielt.
Im Namen des Erretters?
Mit SANCTUS als Adjektiv:
IN NOMINE SANCTI DOMINI (Im Namen des heiligen Herrn)
oder
IN NOMINE SANCTI DEI (Im Namen des heiligen Gottes)
Mit SALVATOR:
IN NOMINE SALVATORIS DOMINI (Im Namen des Retters und Herrn)
oder
NOMINE SALVATORIS DOMINI
Bei allen Interpretationen der Beschwörungsformel handelt es sich wohl um abgeänderte Formen diverser Invokationen, die in der katholischen Liturgie und in Gebeten Verwendung fanden. Die Buchstaben NN (S) D widerspiegeln jedoch mit grösster Wahrscheinlichkeit im Grunde die Formel IN NOMINE DOMINI. Die Anrufung des Erretters weist hingegen auf eine Anrufung von Jesus Christus hin. Gemäss dem Schriftbild der Buchstaben darf man ebenfalls auf eine Arbeit aus dem Ende des 13. beziehungsweise dem Anfang des 14. Jahrhunderts schliessen.
In der Gnade Gottes
Die verwendeten Buchstaben sind streng geometrisch und linear aufgebaut und zeigen noch keine «Schwellungen» der Striche auf, wie es beim Übergang zur gotischen Schrift der Fall sein wird. Die Schriftform und die Eisentauschierung verweisen die Klinge wahrscheinlich ins letzte Viertel des 12. Jahrhunderts.


