
Frauen gegen das Frauenstimmrecht
Nicht alle Frauen wollten das Stimmrecht. Einige bekämpften es sogar und gingen dabei bis an die höchste politische Instanz: den Bundespräsidenten.


Mit einer Broschüre sollte Ludwig von Moos überzeugt werden, dass die Einführung des Frauenstimmrechts sowohl für die Demokratie als auch für die Frauen schädlich sei. Schweizerisches Bundesarchiv

Mit dem Ersten Weltkrieg flauten die Debatten ab, das Frauenwahlrecht wurde in vielen Ländern eingeführt. In der Schweiz aber nahmen die Diskussionen jetzt erst Fahrt auf. Als kantonal über das Frauenstimmrecht abgestimmt wurde, formierten sich erstmals Gegnerinnen, insbesondere in der Romandie. Der Name der 1919 gegründeten Ligue vaudoise féministe antisuffragiste war ebenso widersprüchlich wie ihre Aktivität: Selbsterklärte feministische Frauen setzten sich aktiv und selbstbestimmt dafür ein, in der Welt von Politik und Gesetzgebung passiv und fremdbestimmt zu bleiben.

«Gleich viele Rechte, aber nicht gleiche Rechte»
Sie argumentieren dahingehend, nicht gegen «mehr» Rechte für die Frauen zu kämpfen, sondern gegen die «falschen» Rechte und Pflichten. Weil die Männer Militärdienst leisten müssen, dürfen die Frauen politisch benachteiligt sein. Beim Frauenstimmrecht geht es für sie um viel mehr als um das Recht, einen Stimm- oder Wahlzettel auszufüllen. Sie sehen darin den ersten Schritt zur totalen Umwälzung der bestehenden Geschlechterordnung. In dieser Ordnung ist der Mann zwar das alleinige Oberhaupt der Familie, den Frauen kommt als Hüterinnen des Hauses aber eine eminent wichtige, ja sogar staatstragende Rolle zu: Nach aussen vertritt der Mann die Familie in deren bestem Interesse, während die Frau Gleiches innerhalb der Familie tut. Ganz im Sinne Gotthelfs: «Im Hause muss beginnen, was blühen soll im Vaterland.»
TV-Beitrag zum Bund der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht. SRF
«Schmutzige Politik» ist nichts für Frauen
Ende der 1960er-Jahre hat sich die Gesellschaft jedoch verändert. Frauen sind jetzt vielerorts selbstverständlicher Teil der Arbeitswelt, sie besuchen Universitäten, die Pille verspricht ihnen die sexuelle Befreiung. Die Exponentinnen des Bundes der Schweizerinnen sind argumentativ zusehends in der Defensive, ihre männlichen Verbündeten springen ab. Selbst die katholisch-konservativen Parlamentarier befürworten nun das Frauenstimmrecht, weil sie das grosse Reservoir an potenziellen Wählerinnen nicht verlieren wollen. Bundesrat von Moos spricht von einer «demokratischen Erfordernis».
