
Als das Velo «Liebling des Publikums» war
Velofahren boomt, dank Corona und E-Bike. Blütezeit des Velos waren jedoch die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts: Damals dominierte das Velo das Strassenbild, und im Eidgenössischen Parlament hiess es 1913 gar: «Die heutige Welt könnte ohne Fahrrad gar nicht mehr existieren.»
Die Zahl der Velos in der Schweiz nahm rasch zu. Um 1900 wurden in den 14 grössten Schweizer Städten rund 50'000 Velos gezählt. In der ersten offiziellen Statistik für die ganze Schweiz von 1918 waren es schon 342'000. Damit hatte jeder zwölfte Einwohner beziehungsweise jede zwölfte Einwohnerin ein Velo. 1936 war es bereits jede/r Vierte, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs jede/r Dritte.

Intensive Nutzung im Alltag
Auch Verkehrszählungen zeigen, wie intensiv das Velo im Alltag genutzt wurde. Gemäss Zahlen aus Basel erhöhte das Velo seinen Anteil an den Verkehrsbewegungen zwischen 1901 bis 1923 von 20 auf rund 73 Prozent. Diesen Anteil von fast drei Vierteln hielt das Velo auch noch 1935. Das Velo hatte sich also innert weniger Jahrzehnte zum ersten Massenverkehrsmittel im Individualverkehr entwickelt.

Grosse soziale Strahlkraft
Auch die Armee entdeckte das Velo. Es habe «für die Bewegung Vorteile in Bezug auf Leistung und Billigkeit, die durch kein anderes Beförderungsmittel zu erreichen sind», heisst es etwa in der Botschaft zur neuen Truppenordnung von 1910. Und: «Auch ist sein Gebrauch so verbreitet, dass nichts leichter fällt, als die dafür geeigneten Leute zu finden.»
Ringen um gesetzliche Regelung

«Das Fahrrad, gegen welches seinerzeit bei seinem Erscheinen starke Bedenken und schwerer Unwille sich gezeigt haben, hat sich allmählich sozusagen zum Liebling des Publikums entwickelt. Das Missbehagen dagegen ist geschwunden. Das mag zu einem grossen Teile daher rühren, dass es weiten und breiten Kreisen des Volkes dient und an wirtschaftlicher Bedeutung derart gewonnen bat, dass davon keine Rede sein kann, es entbehren zu können. Die heutige Welt könnte ohne Fahrrad gar nicht mehr existieren.»
Referendumsfähige Veloverbände
Zentrale Streitpunkte waren das kostenpflichtige Kontrollschild für Velos und das Haftpflichtrecht, das vielen zu weit ging. In einer Allianz mit Motorfahrzeugverbänden gewannen die Velo-Verbände 1927 die Referendumsabstimmung und brachten das Gesetz zu Fall. Eine Neuauflage des Gesetzes, das Velofahrerinnen und Velofahrer von der «Führung eines nummerierten Kontrollschildes» ausdrücklich ausnahm, konnte schliesslich 1932 in Kraft treten.
Veloförderung ist heute Verfassungsauftrag
Heute steht Förderung in der Velopolitik im Vordergrund. Seit 2018 ist sie Verfassungsauftrag. Damals stimmten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mit 73,6 Prozent einem entsprechenden Bundesbeschluss zu. Und in der Frühjahrssession 2022 verabschiedete des Eidgenössische Parlament das Veloweggesetz, mit dem der Verfassungsartikel umgesetzt wird.

