
Mitterrand verschärft die bundesrätliche Uneinigkeit
Am 7. Juni 1991 kam François Mitterrand der persönlichen Einladung von Bundespräsident Flavio Cotti nach und reiste nach Lugano. Die Gespräche waren freundlich, sorgten aber für Ärger innerhalb des Bundesrats.
Nun war Mitterrand, der immer der Meinung war, die Schweiz gehöre in den Schoss Europas, auf einen Achtungserfolg in der Frage der europäischen Integration der Schweiz aus, um damit die durch seine Aussenpolitik entstandenen Spannungen in den Hintergrund zu rücken.
Das Problem war, dass die Schweiz das in der Verhandlung stehende EWR-Abkommen als unausgewogen wahrnahm: Sie hätte mehr geben müssen, als sie erhalten sollte. Bundesrat Kaspar Villiger, Vorsteher des Militärdepartements: «Die EG hat die Schweiz an die Wand gedrückt und stellt stets neue Forderungen. Wir bewegen uns auf dem Weg eines Kolonialstaates mit Autonomiestatut. Wir geben der EG alles, und die EG bekundet kein Interesse an einem allfälligen Beitritt.»
TV-Beitrag über den Besuch von François Mitterrand in Lugano, 1991. SRF
Mit den Worten Präsident Cottis: «Der Wohlstand der Schweiz macht die Dinge schwieriger in dem Sinne, dass die Schweizerinnen und Schweizer sich schwertun, sich für etwas Neues zu entscheiden, wenn gerade alles gut läuft.» Mitterrand verstand das zwar, doch er wollte kein auf einen gemeinsamen Markt beschränktes Europa. Er sagte es klar: «Man kann auch keine Zivilisation auf der Basis von Banken begründen.»
Gemeinsame Forschung
Der vorliegende Text ist das Produkt einer Zusammenarbeit zwischen dem Schweizerischen Nationalmuseum (SNM) und der Forschungsstelle Diplomatische Dokumente der Schweiz (Dodis). Das SNM recherchiert im Archiv der Actualités Suisses Lausanne (ASL) Bilder zur schweizerischen Aussenpolitik und Dodis kontextualisiert diese Fotografien anhand des amtlichen Quellenmaterials. Die Datensätze zum Jahr 1991 wurden im Januar 2022 auf der Internetdatenbank Dodis publiziert. Die im Text zitierten Dokumente sind online verfügbar: dodis.ch/C2267


