
Der Traum vom schnellen Gewinn
Der Handel mit Waren institutionalisierte und formalisierte sich seit dem Mittelalter. Orte wie Börsen gewannen zunehmend an Bedeutung. Mit der Gründung der ersten Aktiengesellschaften während der Frühen Neuzeit stieg das Bedürfnis diese mitzufinanzieren und damit kamen neue Finanzinstrumente auf das Parkett der Finanzmärkte.
Gewürze aus Ostindien, englische Stoffe, Zucker, Rohstoffe wurden auf dem europäischen Festland gelagert, gehandelt und verkauft. Zu den Akteuren gehörten die Kaufleute, die in diese Zentren oder nach Übersee reisten, um die besten Geschäfte zu machen. Einer dieser Orte war die Brügger Gastwirtschaft der Familie «van der Beurs». Im Wappen der Familie sind passend drei Geldbörsen abgebildet: «Zu den Beursen» gehen hatte sich als Redewendung etabliert und der Legende nach zur Entstehung des Begriffs «Börse» beigetragen. Eine Form der ersten Börse entstand damit 1409. «Beurs» heisst heute noch Börse in Niederländisch.


Die Antwerper Börse von 1531 gilt als erster Ort, wo diesen Geschäften nachgegangen und die als Warenbörse institutionalisiert wurde. Finanzinstrumente wie Wechsel, Schuld- und Kreditbriefe gehörten zur Tagesordnung und waren an Bankgeschäfte gekoppelt. Der Wechsel ist die schriftliche Verpflichtung einer in Schuld stehenden Person, dem Inhaber des Wechsels zum abgemachten Zeitpunkt eine bestimmte Summe zurückzuzahlen. Zunächst waren die Wechsel noch an den Händler als Person gebunden und standen in der direkten Verbindung mit dem Warenhandel. Dies sollte sich aber mit der Zeit ändern: Die Finanzinstrumente wurden übertragbar oder konnten unter Abzug von Zins und einer Gebühr verkauft werden. Kaufleute, die sich intensiv mit Geldgeschäften auseinandersetzten, wurden vermehrt zu Finanziers und Bankiers. Es entstand eine neue Berufsgattung.
Neu wurden Wechsel und Obligationen gekauft und verkauft, nicht mehr nur die Preise von Waren und Rohstoffen festgelegt. An konkreten Standorten zentralisierten sich diese Prozesse. Uneinig sind sich die Gelehrten bei der Frage, wo die erste Wertpapierbörse der Welt ihren Standort hatte: Eine These besagt, dass die Erste die Amsterdamer Börse im 17. Jahrhundert sei, wo zum ersten Mal Anteile der Vereinigten Ostindischen Compagnie (VOC) gehandelt wurden. Eine andere meint, dass die Royal Exchange in London etwa 30 Jahre vorher die Erste gewesen sei – diese ging Mitte des 17. Jahrhunderts in Flammen auf. Die VOC war im Übrigen die erste Aktiengesellschaft der Welt, denn sie bediente ab ihrer Gründung am 20. März 1602 alle Elemente einer Aktiengesellschaft wie wir sie heute kennen: Die Aktien stehen für Miteigentümerschaft, Anspruch auf Gewinnbeteiligung, Beschränkung der Haftung auf den Nominalwert.

Private, investierende Personen oder auch Städte begannen vermehrt Anteile an Unternehmen zu kaufen. Die Stadt Zürich zum Beispiel erwarb 1727 120 Aktien der 1711 in London gegründeten Seehandelsgesellschaft South Sea Company. 100'000 Zürcher Gulden war es dem Zürcher Seckelamt Wert, in die englische Gesellschaft zu investieren. Für den Zürcher Rat stellt dies eine sichere und zinstragende Anlage dar. Knapp zehn Jahre vorher investierte die Stadt Bern in einen weitaus grösseren Anteil mit 1300 Aktien. Trotz der sogenannten «South Sea Bubble» (in Deutsch: Südseeblase), dem Kurszusammenbruch, der in die Weltwirtschaftsgeschichte einging, profitierte Bern mit Gewinnen.


Im Laufe der Industrialisierung stieg die Anzahl der Aktiengesellschaften exponentiell an. Das Kapital der breiten Bevölkerung wurde benötigt, um sie zu finanzieren. Dementsprechend nahmen die Handelsaktivitäten mit Wertpapieren zu. Personen, die Aktien besassen, wollten im Umkehrschluss auch die Sicherheit, ihr investiertes Geld zu einem fixen Preis wieder zurückzubekommen. Es brauchte Orte wie Börsen, wo Aktienkurse feinsäuberlich erhoben wurden. In der Schweiz sollte der Aktienhandel erst ein Jahrhundert später der institutionalisiert werden. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts und mit der Gründung der Eidgenossenschaft 1848, wurden Börsen für das Finanzgeschäft unausweichlich. Es folgte 1850 in Genf die Errichtung der «Société des Agents de Change réunis», einem börsenmässigen Handel. Woraufhin mit dem Börsengesetz von 1856 die Ring-Börse «à la criée» ins Leben gerufen wurde. Es folgte 1876 die Basler und 1884 die Zürcher Börse, die unter kantonaler Aufsicht standen.
