
Viel Blut fliesst in Gottes Namen
Im religiösen Wahn tötete eine Gruppe von Gläubigen 1823 zwei Frauen. Die Bluttat von Wildensbuch schockiert bis heute.
Der Glaube an Gott bestimmte also das Leben von Familie Peter, ihrer Bediensteten und den wenigen Freunden. Die jüngste Tochter Margaretha war eine begeisterte Religionsschülerin. Lebhaft und klug wusste sie schon bald, die Leute für sich einzunehmen. Und nicht nur das. Früh schon machte die junge Frau mit Visionen auf sich aufmerksam. Von weit her pilgerten Gläubige zu ihr nach Wildensbuch (ZH). «Heilige Gret» und «göttliches Wesen» wurde sie genannt. Der Kontakt zur Erwecker-Gemeinde wurde enger.
Trotzdem übernahm Letztere die Pflege des Kindes und gab es sogar als ihr eigenes aus. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Peter-Schwestern sofort abreisten. Damit war beiden Seiten gedient, denn Margaretha hatte kein Interesse, Mutter zu sein und kehrte gemeinsam mit ihrer Schwester nach Wildensbuch zurück. Das Mädchen wurden kurze Zeit später als ehelich gezeugtes Kind der Familie Morf getauft.
Die «Erschlagung» des Teufels
Dort forderte die junge Frau ihre Gefolgschaft auf, sich auf den Boden zu werfen oder sich hinzuknien und mit ihr zu beten. Abends wurden alle Fenster mit Tüchern abgedeckt und Holzblöcke, Keile und Hämmer in die Kammer gebracht. Sinnbildlich für die Erschlagung des Teufels wurde nun ausdauernd auf die Holzstücke eingedroschen. Erstaunlich ist, dass sich die Akteure zwischen Gebet und Teufelsbekämpfung Zeit nahmen, um gemeinsam zu Abend zu essen.
Die «heilige Gret» rief derweil zum letzten Kampf gegen den Gehörnten auf. Hilfe versprach sie sich dadurch, dass ihre Anhänger alles kurz und klein schlugen. Längst wurden nicht mehr nur Holzblöcke traktiert, Wände und Fussboden wurden ebenso mit wuchtigen Schlägen und Tritten eingedeckt und dabei zerstört.
Margaretha Peter ging jedoch noch weiter und betonte, dass grosse Opfer erwartet wurden. «Wer sein Leben in Christi verliert, wird es gewinnen. Wer es behalten will, wird es verlieren», erklärte die junge Frau. Vor dem Haus versammelte sich inzwischen eine grosse Anzahl Schaulustiger. Sie blieben jedoch untätig. Erst gegen Abend kam ein Landjäger vorbei und verlangte Einlass. Er wurde mit dem Hinweis auf das Hausrecht abgewiesen. Daraufhin machte er Meldung. Eine Gruppe von Landjägern, die zusammen mit dem Oberamtsmann eintrafen, fanden ein ruhiges Haus vor und entschieden vorerst nichts zu unternehmen.
«Massenschlägerei» im Haus der Familie Peter
Den Anwesenden, die durch die Fenster einen Blick erhaschen konnten, bot sich eine eigentümliche Szene. Jeder schlug jeden. Schlussendlich öffneten die Landjäger nebst der Haustür auch die Stubentür gewaltsam. Die Gruppe wurde getrennt. Die anschliessenden Verhöre brachten nichts. Entweder hörten die Beamten fanatisches Geschwurbel oder Ausflüchte.
Dem Vater – Johannes Peter, einem der grössten religiösen Eiferer – wurde aufgetragen, dafür zu sorgen, dass das Geschrei nun aufhöre. Ihrem ersten Impuls, Elisabetha und Margaretha in eine Anstalt einzuweisen, folgen die Landjäger jedoch nicht. Ein Fehler wie sich schon bald herausstellen sollte.
«Blut muss fliessen»
Während der ganzen Zeit verletzten sich die Anwesenden aber auch gegenseitig, ganz im Glauben, Gutes zu tun. Auch Margaretha schlug sich selbst mit einem Metallgegenstand und forderte ihre Freundin Ursula Kündig auf, sie ebenfalls blutig zu schlagen. Schlussendlich bestand Margaretha Peter darauf, sich kreuzigen zu lassen, fest im Glauben, dass sie nach drei Tagen wieder auferstehen werde. Ihrem Wunsch wurde entsprochen und sie wurde auf ein Holzbrett genagelt. Conrad Moser erschlug die Heilige Gret schlussendlich mit einem Stemmeisen. Gemäss dem Obduktionsbericht vom 22. März 1823 war sie zu dieser Zeit wieder schwanger.
Nach drei Tagen war immer noch keine der beiden Schwestern wiederauferstanden. Nun erst machte der Vater beim zuständigen Pfarrer Meldung, dass zwei seiner Kinder gestorben seien. Die Überlebenden des Dramas wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, das Haus der Familie Peter abgerissen. Das Gericht hatte entschieden, dass «an seiner Stelle nie mehr eine menschliche Wohnstätte erstellt werden sollte».


