
Die Schweiz ist Europameister!
Vor 100 Jahren feierte die Nati in Paris den grössten Triumph ihrer Geschichte. Fast wäre er verhindert worden – wegen mangelndem Glauben und grosser Knausrigkeit.
Paris hat sich für den grossen Anlass herausgeputzt. Die Autos zirkulieren flüssig, die Bars und Cafés sind voll, und aus den Dancings locken die Klänge von Jazzbands. Allerorts erhofft man sich gute Geschäfte mit den Olympia-Touristen. Studenten werden kurzerhand aus ihren Hotels geschmissen und die Preise erhöht; das Bahnticket zum Stade de Colombes, dem Hauptspielort des Fussballturniers, kostet drei Mal so viel wie üblich – mit dem Effekt, dass die Leute lieber den Bus nehmen und nach der Fahrt auf den staubigen Strassen in ihren Sonntagsanzügen aussehen wie im Mehl gewendet.

Der Auftakt gelingt der Nati nach Mass: Die inferioren Litauer fegt sie mit 9:0 weg, bis heute der höchste Sieg ihrer Geschichte. Für Aufsehen sorgen aber mehr die Uruguayer, die erstmals ausserhalb Südamerika antreten. Ihnen eilt der Ruf eines «achten Weltwunders» voraus. Spielen sehen hat sie kaum jemand. Angeblich sollen deshalb die Jugoslawen, ihr erster Turniergegner, Spione ins Training geschickt haben, was die Uruguayer bemerken und deshalb absichtlich jeden Ball verstolpern. Die Partie gewinnt der Südamerikameister dann gleich mit 7:0.

Vor dem Halbfinal gegen Schweden ist sich der «Sport» sicher: «Noch nie war sportlich irgendetwas so aktuell wie dieses Spiel!» Dort ist die Nati in der zweiten Halbzeit überlegen. Fässler trifft den Pfosten, Dietrich vergibt allein vor dem Tor, und schliesslich verwertet Abegglen ein Zuspiel Schmiedlins mit einem wuchtigen Schuss. 2:1, die Schweiz steht im Final der «Weltmeisterschaft», wie das Turnier genannt wird!


Die Schweizer werden bei der Heimkehr gefeiert. In Basel erhalten sie Blumen, Uhren und Wein. Der Umzug ins Rathaus bringt den Tramverkehr zum Erliegen. Der Zürcher Hauptbahnhof ist gar «schwarz vor Menschen», wie der Sport schreibt. Die Menge reisst sich um den FCZ-Spieler Paul Sturzenegger und trägt ihn auf den Schultern aus der Halle. Denn immerhin sind sie als beste Mannschaft des Kontinents nun – zumindest inoffiziell – Europameister.
