
Atelier Bossard: Am Puls der Schmuckmode
Bei der Herstellung von Schmuck folgte das Luzerner Goldschmiedatelier Bossard im späten 19. Jahrhundert während zwei Generationen den Wünschen der Kundschaft. Zwischen 1868 und 1934 wurden Schmuckstücke verkauft vom Historismus bis zum Art Deco.
Die Werkstatt Bossard war vor allem für Tafelsilber, Kirchensilber und Waffen und Rüstungen in historischen Stilen bekannt, weniger jedoch für ihre Schmuckentwürfe. Da Schmuck eher persönlich ist und von Generation zu Generation weitergegeben wird, bleibt er oft in Privatbesitz, so dass nur wenige Beispiele von Bossard-Schmuck in der Öffentlichkeit bekannt sind. Die erhaltenen Entwurfszeichnungen und Modelle aus Blei oder Gips aus der Bossard-Werkstatt befinden sich heute im Schweizerischen Nationalmuseum und sind für die Erforschung des Bossard-Schmucks von enormer Bedeutung.
Im späten 18. und im 19. Jahrhundert war die Faszination für die Kultur und die Kunst des antiken Griechenlands und Roms gross, vor allem aufgrund der viel publizierten archäologischen Funde. Die Popularität von Schmuck im klassischen Stil wurde durch die Juweliere Castellani in Rom Mitte des 19. Jahrhunderts ausgelöst. Ab 1882 reiste Johann Karl häufig nach Italien und es ist anzunehmen, dass er Castellani besuchte. Bossards Entwurf für einen Ring mit Heraklesknoten ist einer von vielen, die von der Firma produziert wurden und die die Mode für Schmuck im archäologischen Stil widerspiegeln. Augusto Castellani, der die Filiale in Rom leitete, erscheint 1892/93 sogar im Gästebuch von Bossard. Wie Bossard besass Castellani eine grosse Privatsammlung von antikem Schmuck und betrieb neben der Werkstatt ein Antiquitätengeschäft.


Gold- und Amethystring vom Bischof von St. Gallen mit eingravierten lateinischen Inschriften «HAEC REQUIES MEA» (Psalm 131, 14) und «INQUIETUM COR NOSTRUM» (Bekenntnisse des Augustinus), Atelier Bossard, 1882. Privatsammlung
Die zweischwänzige Sirene oder Meerjungfrau (in der Schweiz als «Melusine» bekannt) ist ein häufig anzutreffendes Motiv in Stücken aus dem Atelier Bossard und erscheint in Zeichnungen und einem Bleimodell. Der Entwurf scheint auf einem Druck von Virgil Solis aus dem 16. Jahrhundert und einem viel illustrierten Sirenenanhänger aus dem Grünen Gewölbe in Dresden (um 1600) zu basieren. Karl Thomas verwendete die Komposition seines Vaters in mehreren Variationen weiter, zum Beispiel als mandolinenspielende Sirene. Die Melusine bildet das Wappen der Familie Vischer in Basel, und Variationen des Anhängers wurden in den 1920er-Jahren von Fritz und Amélie Vischer-Bachofen zu verschiedenen Familienanlässen bei Bossard in Auftrag gegeben.






