Stahltür des Tresor Clubs, 1991–2005, vormals der Silberkammer der Wertheim-Bank, Berlin, 1927 Privatsammlung Dimitri Hegemann
Durch die Stahltüre betrat man in den 1990er-Jahren eine neue Welt. Die Welt des Techno. Schweizerisches Nationalmuseum

Die Tür als Symbol des Aufbruchs

Die Stahltür aus dem Tresor-Club in Berlin ist eine Ikone der Berliner Techno-Bewegung. Zunächst sicherte sie die Schätze der Gutbetuchten tief unter dem Kaufhaus Wertheim, später schritten durch sie Hunderttausende von Clubgängern.

Dimitri Hegemann

Dimitri Hegemann

Dimitri Hegemann ist Berliner Techno-Pionier und Kulturmanager.

Türen öffnen Räume. Sie sind Schwellen zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Bekanntem und Unbekanntem. Eine solche Tür öffnete sich am 13. März 1991 – die Tür des Tresor Clubs in Berlin. Dahinter lag eine neue Welt, eine Welt des Techno. Eine Musikrichtung, die damals revolutionär war. Eine Bewegung, die eine Generation prägte. Ein Lebensgefühl, das Ekstase und Freiheit versprach. Die massive Stahltür des Tresor Clubs wurde zum Sinnbild dieses gemeinsamen Aufbruchs der Kids aus Ost- und West-Berlin. Wer sie durchschritt, liess den Alltag hinter sich und tauchte ein in das pulsierende Herz der neuen Berliner Jugendkultur. Nach dem Fall der Mauer war Berlin eine Stadt im Umbruch, und der «Tresor» wurde zum Epizentrum dieser Veränderung. Seinen Ursprung hatte dieser legendäre Club in einem ungewöhnlichen Ort – dem ehemaligen Tresorraum der Wertheim-Bank. Die sogenannte «Silberkammer» lag tief unter den Ruinen des einst prächtigen Kaufhauses Wertheim in der Leipziger Strasse. Das als «schönstes Kaufhaus Deutschland» bezeichnete Warenhaus wurde 1897 erbaut und war mit über 100‘000 Quadratmetern das grösste seiner Art in Europa. Im Kaufhaus Wertheim konnten wohlhabende Kunden aber nicht nur einkaufen, sondern auch Geld und Wertgegenstände sicher aufbewahren lassen. Dicke Tresortüren schützten die Schätze in der Silberkammer. Doch wie so vieles in Berlin hat auch ihre Geschichte eine dunkle Seite: 1934 wurde das Kaufhaus von den Nationalsozialisten boykottiert und 1937 «arisiert», seine jüdischen Besitzer enteignet, vertrieben oder ermordet. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bomben grosse Teile des Gebäudes, doch der Tresorraum mit seinen Stahltüren blieben erhalten.
Innenansicht des Kaufhauses Wertheim in Berlin, 1900
Innenansicht des Kaufhauses Wertheim in Berlin, 1900 Wikimedia / Bildarchiv Foto Marburg
Blick in den Tresorraum der Wertheim Bank an der Leipziger Strasse, 1902/1920.
Blick in den Tresorraum der Wertheim Bank an der Leipziger Strasse, 1902/1920. Stadtmuseum Berlin
Blick auf die Kriegszerstörungen an der Rückseite des Wertheim-Kaufhaus, um 1945.
Blick auf die Kriegszerstörungen an der Rückseite des Wertheim-Kaufhaus, um 1945. Stadtmuseum Berlin
Jahrzehntelang war die Silberkammer vergessen. Nach dem Krieg lag der Tresorraum brach, überwuchert von Staub und Geschichte – bis er 1991 von Techno-Pionieren wiederentdeckt wurde. Sie erkannten die Magie dieses Ortes und das Potenzial, aus den Überresten der Vergangenheit eine neue Zukunft zu erschaffen. Der Charme des Verfallenen, die raue Patina der Geschichte – all das verschmolz mit der Wucht der Techno-Musik zu einer neuen Realität. Im Tresor entstand eine Parallelwelt, in der die Grenzen zwischen Ost und West, Vergangenheit und Gegenwart verschwammen. Die Stahltür wurde zur Schwelle in diese neue Dimension. Sie war mehr als ein Eingang – sie war ein Symbol. Ein Portal in eine Zeit, in der junge Menschen nach Ausdruck suchten, nach einem Gefühl der Zugehörigkeit, nach der ungezähmten Energie der Musik. Sie stand für den Aufbruch, für die Verschmelzung von Geschichte und Zukunft, für das Lebensgefühl einer Stadt, die sich neu erfand.

Meine Erinne­rung an den Tresor Club

Ich erinnere mich sehr gut an den Augenblick, als ich das erste Mal die Stahlkammer zu Beginn des Jahres 1991 betrat. Es war so, als würde ich den Eingang eine Pyramide durchgehen und mich plötzlich in einem magischen Ort befinden, an dem die Wände in dem schwachen Kerzenlicht zu mir sprachen. Wir waren alle sehr still und ehrfürchtig gegenüber dem, was wir erblickten. Mir war trotz all dem Zauber sofort klar, dass an diesem Ort etwas Besonderes geschehen würde. Und tatsächlich das trat ein.
Dokumentation zum Tresor Club, 2012. YouTube / Tresor Berlin
Von 1991 bis 2005 war der Tresor Club an diesem geschichtsträchtigen Ort an der Leipziger Strasse beheimatet. Dann musste er dem Fortschritt weichen und zog ins Kraftwerk Berlin Mitte. Doch die Stahltüren blieben. Sie wurden bewahrt, als Denkmal für den Aufbruch einer Bewegung, als Zeuge einer Epoche. Heute steht die eine im Humboldt Forum in Berlin, ihr Schwesterstück, die zum Verwechseln ähnliche wuchtige Exit Door wurde dem Landesmuseum Zürich für die Ausstellung «TECHNO» übergeben. Diese Tür erzählt viele Geschichten. Sie ist ein Relikt aus der Zeit des Vorkriegsberlins, ein stiller Zeuge des Verfalls während der Teilung der Stadt – und ein Monument des kulturellen Aufbruchs nach dem Mauerfall. Sie ist mehr als Metall und Geschichte. Sie ist die Ikone der Berliner Techno-Bewegung. Durch diese Tür schritten nicht nur Hunderttausende von Clubgängern. Mit ihnen ging eine ganze Generation. Sie trug den Geist des Wandels in die Zukunft, begleitet die Entstehung einer einzigartigen Nachtkultur, die Berlins DNA auf den Kopf stellte. Die Stahltür des Tresor Clubs – ein Symbol für den Übergang in eine neue musikalische Zeit.
Vor dem Tresor Club, um 199X.
Vor dem Tresor Club, um 1995. GvH, Tresorarchiv, Berlin

TECHNO

21.03.2025 17.08.2025 / Landesmuseum Zürich
Techno ist mehr als nur harter Bass: Zur Technokultur gehören Musik, Mode, Grafik, Design und Tanz – und die Zürcher Street Parade macht Techno zur lebendigen Tradition der Schweiz. Die Ausstellung richtet den Scheinwerfer auf eine Kultur, die auch heute noch Millionen von Menschen auf der ganzen Welt begeistert. In einem inszenierten Plattenladen und mittels Video- und Audioinstallationen erleben die Besuchenden die Evolution des elektronischen Sounds sowie die soziale, politische, wirtschaftliche und ästhetische Dimension der Technokultur in der Schweiz.

Weitere Beiträge