
Das zerstörte Schloss von Max Huber
Am 19. Juli 1944 stürzte ein abgeschossener US-Bomber auf das Schloss Wyden in Ossingen, das dem Zürcher Völkerrechts-Professor und IKRK-Präsident Max Huber gehörte.
Der Schlossbesitzer weilte in diesen Tagen zur Erholung auf dem Mont Pèlerin am Genfersee, einige Familienmitglieder befanden sich aber auf dem Schloss. Ueli, der Enkel von Max Huber, erinnert sich auch heute noch gut an diesen Schreckmoment: Ausgerechnet am Baum, unter dem er spielte, blieb ein abgerissener Flügel der Maschine mit seinen noch brennenden Benzintanks hängen. «Ich realisierte den schrecklichen Lärm und die aufgeregten Feuerwehrleute und Soldaten die herumsprangen. Offenbar hatte ich Angst und bin verschwunden. Auf halbem Weg ins Dorf Ossingen wurde ich von fremden Leuten abgefangen und in ihr Haus gebracht.»


Eine Wochenzeitung berichtete mit einigem Detailwissen über das Unglück: «Am 19. Juli brauste gegen Mittag über das Stammheimertal ein offensichtlich führerloser amerikanischer Liberator-Bomber, aus dessen einem Motor heisse Stichflammen schossen. Plötzlich überschlug sich die mächtige Maschine und stürzte beinahe senkrecht auf Schloss Wyden ab. Am Turm zerschellte der brennende Apparat; der Rumpf blieb auf dem Dach der Hauskapelle liegen, eine Tragfläche flog in die weitausladenden Bäume und die Kanzel mit dem anderen Flügel und einem Teil des Fahrgestells wurde mit grosser Wucht an die gegenseitige Schlossfassade hinuntergeschleudert. Das ganze Schloss, über das sich das ausfliessende Oel und Benzin ergoss, stand sofort in hellen Flammen».

Die «Jackpine Joe» hatte bei der Bombardierung von München einen Motorschaden erlitten und war anschliessend über Friedrichshafen beschossen worden. Der Pilot beschloss, den Bomber Richtung Schweiz zu steuern. Der Navigator verliess das Flugzeug noch vor Erreichen der Grenze und geriet in deutsche Gefangenschaft. Der Copilot wurde getötet, weil sich sein Fallschirm nicht öffnete. Die anderen Besatzungsmitglieder konnten sich retten und wurden bis zum Ende des Krieges in der Schweiz interniert.


Die Maschine von Ossingen war nicht das einzige Flugzeug, das dieses Schicksal erlitt: Rund 250 Flugzeuge stürzten während des Krieges in der Schweiz ab oder mussten notlanden. Dabei handelte es sich sowohl um alliierte wie auch um Maschinen der Achsenmächte, wobei letztere in der Minderzahl waren. Die Besatzungen wurden nach dem Völkerrecht interniert und die Maschinen konfisziert. Ein Grossteil davon wanderte danach auf den Flughafen in Dübendorf (ZH), wo so ein riesiges Lager entstand.


Das Anwesen war nach dem Absturz des US-Bombers vielenorts zerstört. Fotos: Familienarchiv Max Huber
Es erstaunt deshalb nicht, dass Max Huber auf die Nachricht aus Ossingen gelassen reagierte und froh war, dass beim Unglück keine Menschen ums Leben gekommen waren. Erreicht hatte sie ihn in der Westschweiz. Der 69-Jährige wohnte während des Zweiten Weltkriegs mehrheitlich in Genf, auch weil als IKRK-Präsident oft dort zu tun hatte. Ausserdem war er regelmässiger Gast des Sanatoriums Mont Pèlerin oberhalb von Vevey, da er gesundheitlich angeschlagen war.

