
Was geschah mit Maria Theresia Wilhelm?
Im Juli 1960 verschwindet im St. Galler Rheintal eine Frau und taucht nie wieder auf. Sie ist Psychiatriepatientin und Mutter von sieben Kindern, die man fremdplatziert hat. Die Geschichte von Maria Theresia Wilhelm sowie ihres Mannes Ulrich Gantenbein ist geprägt von Tragik, Gewalt und Behördenwillkür.
So begann eine Recherche, die bis heute nicht ganz abgeschlossen ist. Im Herbst 1988 besuchten wir zunächst einen früheren Nachbarn der Familie, der uns die Erzählung des Sohnes bestätigte und ergänzte: Nicht nur die Mutter, Maria Theresia Gantenbein, geborene Wilhelm, sei zwangsweise in eine Psychiatrie eingeliefert worden, sondern auch der Vater Ulrich Gantenbein.
Eine Liebe in den Bergen


Resi hält das Leben auf dem «Sandbühel» schliesslich nicht mehr aus. Den Nachbarinnen und Nachbarn in Grabs kann sie es sowieso nicht recht machen, den Behörden gilt sie als sexuell haltlos und damit gefährlich, weil sie Gantenbein seiner ersten Frau ausspannte. Das Geld ist knapp. 1943 reicht Theresia Gantenbein die Scheidung ein. Sie zieht vom «Sandbühel» ins örtliche Bürgerheim und findet eine Stelle als Wäscherin im Spital. Mit Ueli hat sie inzwischen drei Kinder. Beim Versuch, die Resi zurück zu holen, gerät Gantenbein in eine Schlägerei mit dem örtlichen Landjäger. Er wird erneut verhaftet und diesmal in der Psychiatrischen Klinik St. Pirminsberg in Pfäfers interniert.
Elektroschocks und Deckelbäder
1944 sperrt der Gemeinderat Ueli in die Arbeitserziehungsanstalt, später «versorgt» man ihn administrativ im Gefängnis und dann wieder in der Psychiatrie. 1945 hat die verlassene, um die familiäre Existenz kämpfende Resi einen Nervenzusammenbruch. Sie kommt ebenfalls nach Pfäfers in die Klinik, wo am Tag nach der Einlieferung die Elektroschocks beginnen. Ausserdem verordnen ihr die Ärzte eine Schlafkur, zahlreiche Deckelbäder und andere Therapien, die gemäss Akten stets auch als Strafe für auffälliges Verhalten dienen. Das Bezirksamt entzieht den Gantenbeins die Gewalt über die Kinder. Sie werden an Pflegeplätze, in Heime oder zu Bauern verstellt.
Ohne dass die Kinder das Geringste für die Situation der Eltern könnten, sind sie nun Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen. Ihre Jugend als verachtete, missbrauchte Verdingbuben und ungeliebte Pflegekinder prägt sie für das ganze Leben. Einmal wird einer der Söhne von einem Dienstherrn mit der Heugabel im Genick gezwungen, aus dem Hundenapf zu fressen, weil er aus Hunger eine Birne gestohlen hat.
Das ungeklärte Verschwinden
Auch Ulrich Gantenbein ist entlassen worden, in einem Gutachten von 1953 heisst es plötzlich, seine Verbitterung sei menschlich begreifbar. Medizinisch hätte es nie etwas zu therapieren gegeben. Bis zum Tod hat er dann seine Resi gesucht, doch er hat sie so wenig gefunden wie wir viele Jahre später.


