In dieser mittelalterlichen Darstellung aus Italien liegt die Heilige Familie in einer Höhle, umgeben von Engeln und Hirten. Teil des Altaraufsatz von Badia Ardenga, gemalt von Guido da Siena, um 1270.
In dieser mittelalterlichen Darstellung aus Italien liegt die Heilige Familie in einer Höhle, umgeben von Engeln und Hirten. Teil des Altaraufsatz von Badia Ardenga, gemalt von Guido da Siena, um 1270. Wikimedia

Wo wurde Jesus geboren?

Wie Jesus tatsächlich zur Welt kam, bleibt im Dunkeln – doch die Vorstellungen davon prägen seit Jahrhunderten die christliche Weihnachtskultur. In Kunst und Krippenbau wird die Geburtsszene in einem Stall, einer Höhle, einer Ruine oder einem Wohnhaus dargestellt und spiegelt dabei stets die Werte und Lebenswelten der jeweiligen Epoche wider.

Alexander Rechsteiner

Alexander Rechsteiner

Alexander Rechsteiner hat Anglistik und Politikwissenschaften studiert und leitet die Abteilung Marketing & Kommunikation des Landesmuseums.

Zentrales Motiv der Weihnachtsgeschichte ist die Geburt von Jesus. Es ist eines der wichtigsten Ereignisse des Kirchenjahres, das die meisten Christinnen und Christen am 25. Dezember feiern. Wie sich die Geburt Jesu historisch ereignet hat, liegt im Dunkeln. Die Bilder, die unsere Vorstellung davon prägen, stammen hauptsächlich aus den letzten 500 Jahren. Darstellungen aus der Kunstgeschichte zeigen Maria und ihr Kind im Freien, in einem Stall, einer Höhle oder einer Ruine, umgeben von Hirten und Engeln. Symbolisch wichtig ist der bescheidene Ort, da er Jesus nicht als Gott sondern als Mensch zeigt, umgeben von einfachen Menschen.
Die Bibel selber gibt nur wenig über den Ablauf und den Ort Christi Geburt preis. Einzig Lukas erzählt in seinem Evangelium direkt von der Geburt: Da ist die Reise nach Bethlehem aufgrund einer Volkszählung, da sind die Hirten, die Engel und die Krippe. Über die Umstände der Geburt heisst es im Lukasevangelium entsprechend der Einheitsübersetzung:

Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge

Lukas 2,7
Das Motiv, dass Jesus nicht in einem Palast, sondern bei den einfachen Leuten zur Welt gekommen ist, hat viele unterschiedliche Darstellungen der Geburt Jesu ermöglicht. Die Momente nach der Geburt sind Hauptmotiv der bis heute äusserst beliebten Krippendarstellungen. Kunstschaffende und Krippenbauende haben diese Aussage über die Jahrhunderte unterschiedlich interpretiert und zahlreiche Orte für die Geburt Christi geschaffen.

Der Stall

Da Maria ihr Kind gemäss dem Lukasevangelium in eine Futterkrippe legen muss, ist die Vorstellung naheliegend, dass sie bei den Nutztieren Obhut findet. Der Stall gehört denn auch zu den beliebtesten Orten, in denen die Geburtsszene stattfindet. Die Gestaltung des Stalles entspricht jeweils der Kultur, in der die Krippe hergestellt wurde. Den Geburtsort Christi in der lokalen Bauweise darzustellen, drückt den Wunsch aus, das göttliche Ereignis mit der eigenen Heimat zu verbinden.
Diese Tonkrippe aus dem Senegal stellt die Geburtsszene in einem einfachen Unterstand dar, der mit Schilf eingedeckt ist. Entsprechend dem Herkunftsland ist die Heilige Familie von schwarzer Hautfarbe und trägt traditionelle Kleidung.
Diese Tonkrippe aus dem Senegal stellt die Geburtsszene in einem einfachen Unterstand dar, der mit Schilf eingedeckt ist. Entsprechend dem Herkunftsland ist die Heilige Familie von schwarzer Hautfarbe und trägt traditionelle Kleidung. Schweizerisches Nationalmuseum

Die Höhle

Mitte des 3. Jahrhunderts wurde eine Höhle bei Bethlehem zu einer christlichen Pilgerstätte. Über dieser Grotte befindet sich heute die Geburtskirche. Das Motiv der Höhle ist auch symbolisch wichtig, als «Schoss des Lebens» sowie als Ort der Geborgenheit und des Schutzes. Im Alten Testament und in Mythologien werden Götter und Könige oft in Höhlen geboren. Ausserdem nimmt die Höhle als Geburtsstätte Jesu den Ort seiner Bestattung nach der Kreuzigung vorweg.
Diese Krippenszene zeigt die Geburt Jesu in einer einfachen Höhle. Sie ist aus Ästen konstruiert und mit einem bemalten Textil überzogen. Geschaffen wurde die Krippe von Nonnen des Klosters Heiligkreuz Cham um 1930.
Diese Krippenszene zeigt die Geburt Jesu in einer einfachen Höhle. Sie ist aus Ästen konstruiert und mit einem bemalten Textil überzogen. Geschaffen wurde die Krippe von Nonnen des Klosters Heiligkreuz Cham um 1930. Schweizerisches Nationalmuseum

Die Ruine

In der romantischen Malerei ist die Ruine ein beliebtes Symbol für den Wandel. Altes vergeht und verfällt, während neues Leben wächst und gedeiht. Die Ruine wird auch als Motiv in Weihnachtskrippen verwendet, denn mit der Geburt Jesu begann buchstäblich eine neue Zeitrechnung. Gleichzeitig steht die Ruine auch als Symbol des Todes und nimmt die Grablegung Jesu vorweg.
In dieser Faltkrippe ist die Heilige Familie von einer halbzerfallenen Steinarchitektur umgeben, die von Palmen und blühenden Kletterpflanzen überwuchert wird. Die Krippe aus Karton und Papier wurde um 1900 hergestellt und stammt aus der Weihnachtssammlung Doris Albrecht-Mäder, Männedorf.
In dieser Faltkrippe ist die Heilige Familie von einer halbzerfallenen Steinarchitektur umgeben, die von Palmen und blühenden Kletterpflanzen überwuchert wird. Die Krippe aus Karton und Papier wurde um 1900 hergestellt und stammt aus der Weihnachtssammlung Doris Albrecht-Mäder, Männedorf. Schweizerisches Nationalmuseum

Das Wohnhaus

Die Beschreibung, dass der neugeborene Jesus in einer Futterkrippe gelegt wurde, scheint zu bedeuten, dass Maria und Josef in einem Stall unterkommen mussten. Allerdings gibt es zwischen der deutschen Übersetzung aus dem 16. Jahrhundert und der Entstehungszeit des Lukasevangeliums nicht nur eine sprachliche Distanz, sondern noch bedeutendere kulturelle Unterschiede.
Die Forschung ist sich einig, dass Jesu Geburt, wie sie im Lukasevangelium beschrieben ist, nicht in einem Stall stattgefunden hätte, sondern wohl in einem grossen Raum eines Bauernhauses, wahrscheinlich bei Verwandten der Eltern. Die Häuser jüdischer Bauern waren sogenannte Einraumhäuser. In kalten Nächten wurden die Tiere direkt im Haus untergebracht. Der Wohnbereich befand sich auf einer leicht erhöhten Ebene, die Tiere hingegen wurden auf der tieferen Ebene untergebracht, in der eine Futterkrippe eingelassen war. In eine solche Krippe könnte das Jesuskind gelegt worden sein, da der Rest des Hauses bereits besetzt war.
Findet die Geburtsszene in einem Haus statt, erhält das Gebäude in Krippenszenen meistens das lokale Aussehen. So auch in diesem Beispiel aus Deutschland von 1920. Die Faltkrippe aus dem Spielzeug Welten Museum Basel zeigt ein Riegelhaus mit roten Backsteinen.
Findet die Geburtsszene in einem Haus statt, erhält das Gebäude in Krippenszenen meistens das lokale Aussehen. So auch in diesem Beispiel aus Deutschland von 1920. Die Faltkrippe aus dem Spielzeug Welten Museum Basel zeigt ein Riegelhaus mit roten Backsteinen. Schweizerisches Nationalmuseum

Weihnachten & Krippen

14.11.2025 04.01.2026 / Landesmuseum Zürich
Gemäss der biblischen Weihnachtsgeschichte legte Maria ihren neugeborenen Sohn in eine Futterkrippe, da in der Herberge kein Platz für sie war. Weihnachtskrippen greifen diese Szene auf und präsentieren sie in unzähligen Gestaltungen. Die traditionelle Krippenausstellung rückt in diesem Jahr die Gebäude in den Mittelpunkt, welche die heilige Familie umgeben: Grotten und Höhlen, Ruinen, verschiedene Stallformen, Wohnhäuser, Kirchen oder auch einen Winterwald. Krippen aus der Schweiz und aus aller Welt zeigen eindrucksvoll, wie vielfältig Künstlerinnen, Künstler und Krippenbauende den Geburtsort Christi interpretiert und dargestellt haben. Wie gewohnt wird die Ausstellung von einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm für Familien begleitet.

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