Das Guttäterbuch – ein frühneuzeitliches Sponsorenverzeichnis
Sponsorentafeln sind an heutigen Sport-, Kultur- und Musikveranstaltungen omnipräsent. Auch das Kloster Einsiedeln wurde von Sponsoren unterstützt. Im Gegenzug fanden sie ab 1588 Einzug in das sogenannte «Guttäterbuch».
Am Sonntag, 24. April 1577 verwüstete ein verheerender Brand das Dorf und die Klostergebäude in Einsiedeln. Die Zerstörungen und die schiere Not veranlassten Abt Ulrich Wittwiler rund zehn Jahre später, eine aufwändig gestaltete Pergamenthandschrift in Auftrag zu geben. Wittwiler stellte darin allen, die das Kloster beim Wiederaufbau unterstützen, einen Eintrag im Buch sowie das Seelenheil in Aussicht. Der Abt war mit seiner Sponsorensuche erfolgreich: Fast 200 Jahre lang wurden in der Handschrift Hunderte von Schenkungen akribisch verzeichnet.
Als Ulrich Wittwiler 1585 Abt von Einsiedeln wurde, scheinen die Spuren der Brandkatastrophe noch längst nicht beseitigt. Er beklagte sich nämlich im Vorwort des sogenannten Guttäterbuches über ein «zum Teil unerbautes und vor allem leeres Kloster». Die Feuerwalze hatte nicht nur die Gebäude und Einrichtungen, sondern auch kostbare Gegenstände in der Kirche und den Konventsräumen zerstört. Unter anderem auch, wie Wittwiler im Vorwort festhält, ein «vortreffliches grosses Pergamentbuch», in dem Stifter und Donatoren mit ihren Zuwendungen ans Kloster vermerkt waren.
Und genau dieses Buch hatte der Abt wohl vor Augen als er 1588 den Einsiedler Schulmeister und Notar Leonhard Zingg beauftragte, «viele herrliche Sachen und Guttäter ... in Geschrift zu verfassen», weil «des Menschen Gedächtnis blöd und schwach ist». Obwohl sich der kostengünstige Buchdruck und Papierbücher bereits seit dem 15. Jahrhundert stark verbreitet hatten, war die Anfertigung einer Pergamenthandschrift auch damals äusserst kostspielig und das Buch wertvoll.
Noch heute lassen Form und Inhalt des Guttäterbuches erahnen, welch grosse Bedeutung der Handschrift zukommt. Der Deckel des Einbandes ist mit einem roten, stark beriebenen Samt bespannt. In den Ecken und im Zentrum sind noch die Spuren verschwundener, vermutlich silberner Beschläge erkennbar. Der Buchblock besteht aus 200 Pergament- und vier Papierblättern.
Die Handschrift beinhaltet vier unterschiedliche Teile: Den Auftakt bilden vier prächtige, bunte Bildseiten. Das Titelbild zeigt das Wappen des Auftraggebers Ulrich Wittwiler. Darauf folgen Darstellungen des Heiligen Meinrad, der Einsiedler Gnadenkapelle und der noch heute alljährlich stattfindenden Engelweihe. An die Bildseiten schliesst das in repräsentativer Schrift gestaltete Vorwort aus der Feder Zinggs an. Darin betont Abt Wittwiler die Bedeutung von Stiftungen und Schenkungen, um das Ansehen des Klosters inmitten «sectischer Landen», also protestantischer Gebiete, zu steigern. Wittwiler verspricht den Stifterinnen und Stiftern, dass die Klostergemeinschaft ihrer gedenken und für ihr Seelenheil beten werde. Dem Vorwort folgt eine Chronik des Klosters seit der Klostergründung im 10. Jahrhundert mit den Kurzbiografien der Äbte. Diesen Teil zieren die filigran gearbeiteten Wappen der Äbte.
Das eigentliche Verzeichnis der Stiftungen und Schenkungen, der sogenannte «Catalogus», besteht aus 340 Seiten. Rund 80 Seiten sind leer und waren wohl für künftige Stiftungen vorgesehen. Mit verschiedenen Schriften und heraldischen Darstellungen, Initialen und Ornamenten versehen, besteht der stark gegliederte Katalog aus unterschiedlichen Teilen. Wurden die ersten Einträge bis ca. 1620 noch von Zingg vorgenommen, sind in der Folge bis am Vorabend der Französischen Revolution 1785 weit über 20 Schreiberhände auszumachen. In 1137 Einträgen wurden die Stifterinnen und Stifter namentlich sowie Zeitpunkt, Art und oft auch die Gründe ihrer Schenkungen akribisch festgehalten.
Die «Guttäter» sind im Katalog streng hierarchisch gegliedert und bilden nahezu das gesamte Spektrum der frühneuzeitlichen Gesellschaft ab: Die Einträge zu päpstlichen und kaiserlichen oder königlichen Schenkungen lesen sich wie ein Who-is-who der geistlichen und weltlichen Führungsgruppen. Zahlreiche andere Einträge nennen Hunderte unbekannter oder gar namenloser Personen.
Die Schenkungen beinhalten Güter und Rechte, umfassen Sachgut oder Geldspenden. Während erstere urkundlich belegt meist durch Päpste oder Kaiser verliehen wurden, überbrachten die Stifterinnen und Stifter Sachgüter und Geldspenden häufig persönlich, beispielsweise anlässlich einer Wallfahrt. Fast 1000 Einträge beziehen sich auf Sachgüter, meist Altargerät aus teilweise sehr wertvollen und aufwändig gearbeiteten Materialien. Neben einer Vielzahl aus Edelmetall gefertigter und mit Edelsteinen besetzter Schmuckstücke, finden sich auch ganz profane und zum Teil kuriose Gegenstände wie beispielsweise Tisch- und Bettzeug, ein Pferd oder «eine gantze Musick» (wohl ein Musikstück). Am Schluss des Katalogs sind unter dem Titel «Brandsteuer» die Gaben zur Linderung der Not infolge Folge des Brandes von 1577 aufgelistet.
Als Auftraggeber des Guttäterbuches machte sich Abt Ulrich Wittwiler selbst zum Stifter oder Sponsoren und erlangte damit wenn nicht himmlisches Seelenheil, so doch wenigstens irdischen Ruhm.
Kloster Einsiedeln. Pilgern seit 1000 Jahren
Das Guttäterbuch ist bis zum 21.01.2018 im Landesmuseum Zürich zu sehen und es kann virtuell darin geblättert werden. Die Ausstellung zeigt die über 1000-jährige Geschichte des Klosters Einsiedeln und seiner Wallfahrt.