Weltbe­rühm­ter Retter

Um keinen anderen Hund ranken sich so viele Legenden wie um Barry. Wie der berühmte Bernhardiner aus den verschneiten Bergen ins Museum kam.

Claudia Walder

Claudia Walder

Claudia Walder ist Autorin und Redaktorin, unter anderem für das Schweizer Reisemagazin Transhelvetica und das Magazin des Schweizerischen Nationalmuseums.

Mit stolz erhobenem Kopf steht er da, das Fässchen um den Hals. Der breite Schädel und das rot-weiss gefleckte Fell charakterisieren ihn unverkennbar als Bernhardiner: Barry, der wohl Berühmteste seiner Art, begrüsst die Besucher des Naturhistorischen Museums Bern vor goldenem Hintergrund. Nur, ganz so wie sich der ausgestopfte Barry heute präsentiert, hat er gar nicht ausgesehen. Das Fässchen zum Beispiel, das zwischenzeitlich weggelassen wurde, heute aber wieder am Stachelhalsband hängt, wäre einem Rettungshund nur im Weg gewesen. Und die «typische» Kopfform sowie die langen Beine, die hat der vierbeinige Retter erst nach seinem Tod erhalten.

Aber von Anfang an: Geboren wurde Barry im Jahr 1800 und gelebt hat er bis 1812 bei den Augustinermönchen im Hospiz auf dem Grossen St. Bernhard, wo er als Arbeitshund über 40 Leben gerettet haben soll. Darüber sind sich die Quellen erstaunlich einig, wenn auch die Geschichte, wonach er ganz alleine ein kleines Kind – in manchen Erzählungen ist’s ein Junge, in anderen ein Mädchen – in der unwirtlichen Bergwelt gefunden und auf seinem Rücken zum Hospiz getragen habe, wohl zu grossen Teilen ins Reich der Legenden gehört. Dennoch hat sie ihm eine Statue auf dem Pariser Hundefriedhof von Asnières eingetragen.

Vom Pass ins Museum

Nach Bern reiste Barry bereits zu Lebzeiten, als er zu alt für den Rettungsdienst auf dem Pass wurde. 1812 schickte ihn der Hospizvorsteher in die heutige Hauptstadt, wo er nach seinem Tod 1814 gemäss dem Wunsch des Geistlichen präpariert wurde und ins Naturhistorische Museum kam. Wie er damals den Besuchern entgegenblickte,
weiss man heute nicht mehr, denn das Präparat wurde zweimal neu überarbeitet, 1826 und 1923. Dass sich dabei das Aussehen des Tieres verändert hat, zeigt der Vergleich zwischen dem heutigen Präparat und dem von vor 1923: So sind zum Beispiel die Beine des aktuellen Barrys zu hoch geraten, wie man an den kahlen Liegestellen im Fell sieht, die eigentlich auf Ellbogenhöhe sein sollten, es aber nicht sind. Auch stimmt die Kopfform nicht mit dem erhaltenen Schädel überein, wie eine Rekonstruktion des Museums anlässlich Barrys 200. Geburtstag gezeigt hat.

Wobei, eigentlich ist Barrys genaues Aussehen zweitrangig, was wirklich zählt, sind die Werte, für die er steht: Treue, Mut und Hilfsbereitschaft. Und die haben sich in den über 200 Jahren seit Barrys Lebzeiten nicht geändert und sprechen uns heute genauso an wie die Menschen damals: So wird Barry wohl auch bei seinem einmonatigen Besuch im Landesmuseum Zürich von kleinen wie grossen Besuchern ins Herz geschlossen werden.

Beim Präparat von 1826 hat Barry noch keinen typischen Bernhardinerkopf und seine Grösse stimmt vermutlich ungefähr: Die kahlen Liegestellen sind bei den Ellbogen (siehe Pfeil), also am richtigen Ort. Foto: Naturhistorisches Museum der Burgergemeinde Bern

Nach der Überarbeitung von 1923 sieht Barry deutlich anders aus: Er hat längere Beine – die Liegestellen sind nicht mehr am Ellbogen – und die Kopfform gleicht nun derjenigen heutiger Bernhardiner. Foto: Naturhistorisches Museum der Burgergemeinde Bern/Lisa Schäublin

Barrys Reise von Bern nach Zürich. «Schweiz aktuell» vom 2. Oktober 2017. Video: SRF

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