Falttafel zum Rezept «Kaninchenwurst auf Trüffelfonds mit Waldpilzen» aus dem Künstlerkochbuch «Tafelbilder» von Willi Rieser (Konzept und Gestaltung), Horst Petermann (Rezepte und Gerichte) und Fred Waldvogel (Fotos). Zürich: Ringier, 1987

Kunst & Küche

In Leben und Werk des Malers, Werbegrafikers, «Nebelspalter»-Karikaturisten, Buchkünstlers und legendären Künstlermaskenball-Dekorateurs Willi Rieser spielen Essen und Trinken eine zentrale Rolle.

Felix Graf

Felix Graf

Felix Graf, bis 2017 Kurator am Landesmuseum Zürich, ist freier Publizist.

Auf der Doppelseite zum Thema «Gabelfrühstück» in Willi Riesers Entwurf für ein humoristisches Kochbuch mit dem Titel «Kitchens’s Kitsch King» tobt ein erbitterter Kampf zwischen Messer, Gabel und Löffel. Auf dem Entwurf des Covers für ein «Koch & Essbuch» sticht eine Gabel die andere nieder. Die Kochbücher waren für 1978 geplant, wurden aber nie realisiert. Umso kostbarer sind die in der Grafischen Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums aufbewahrten Skizzen und Entwürfe. Zwei kleinformatige Blindbände mit Zeichnungen und grossformatige gemalte Entwürfe zu einzelnen Seiten gehören zu den originellsten Arbeiten auf dem Weg zur Buchkunst, auf die sich Willi Rieser in den letzten zehn Jahren seines Lebens konzentrierte. Heute vor einem Jahr ist er im Alter von 80 Jahren gestorben.

Oben: «Kitchen’s Kitsch King». Doppelseite mit Skizzen zum Thema Gabelfrühstück, 1975. Links: «Koch & Essbuch». Blindband mit Ideenskizzen, 1978. Rechts: «Kitchen’s Kitsch King». Blindband mit Ideenskizzen, 1975. Fotos: Schweizerisches Nationalmuseum

«Herr Löffel und Frau Gabel»

Das Besteck ist ein wichtiges Motiv im Schaffen von Willi Rieser. Auf die Idee der grafischen und plastischen Umsetzung des Themas kam er über das Gedicht «Herr Löffel und Frau Gabel» von Christian Morgenstern: «Herr Löffel und Frau Gabel, die stritten sich einmal. Der Löffel sprach zur Gabel: ‹Frau Gabel, halt den Schnabel, Du bist ja bloss aus Stahl!›.» Der lebensfrohe Humor, der aber auch Hiebe und Stiche austeilen und schneiden kann, kombiniert mit einem ausgeprägten Sinn für die skurrile Seite der Menschen, Tiere und Dinge, das alles sind Charakteristika des geselligen Einzelgängers Willi Rieser.

Originalentwurf und Druck einer Illustration zu der gastronomischen Kolumne von Wolfram Siebeck in der «Schweizer Illustrierten», 1987. Fotos: Schweizerisches Nationalmuseum

Originalentwurf und Druck einer Illustration zu der gastronomischen Kolumne von Wolfram Siebeck in der «Schweizer Illustrierten», 1987. Fotos: Schweizerisches Nationalmuseum

Tafelbilder

Knapp zehn Jahre nach dem Entwurf für das «Koch & Essbuch» hat er doch noch ein Kochbuch realisiert, zusammen mit dem Spitzenkoch Horst Petermann, für dessen «Kunststuben» er bereits eine Speise- und Weinkarte entworfen hatte. «Freudentanz des Tafelsilbers» heisst die gemalte Vorlage für eine der Bildtafeln im Künstlerkochbuch «Tafelbilder», das bei Ringier in einer Auflage von 3000 Stück erschien. Wie das aussergewöhnliche Buch im Folioformat entstanden ist, beschreibt Willi Rieser in seinem handschriftlichen Lebenslauf: «Rieser malt die Bilder, macht das Konzept und die Typografie. Horst Petermann komponiert die Gerichte und richtet sie an, auf den Bildern. Fred Waldvogel steigt auf die Leiter und fotografiert alles von oben.»

Entwurf für die Bildtafel «Freudentanz des Tafelsilbers» im Künstlerkochbuch «Tafelbilder» von Willi Rieser und Horst Petermann, 1987. Fotos: Schweizerisches Nationalmuseum

Ein eigenwilliger Musterschüler

Humor, Festfreude und Gemütlichkeit, im übertragenen wie im konkreten Sinn, sind auffallende Charaktermerkmale des Grafikers, der nach dem Abbruch einer Drogistenlehre in St. Gallen im Atelier von Alwin Kneubühler in Zürich eine Grafikerlehre begann und, wie er in seinem handschriftlichen Lebenslauf mit Erleichterung bemerkt, im Studio von Paul Leber und Charlotte Schmid auch erfolgreich abschloss. An der Kunstgewerbeschule war er in der gleichen Klasse wie Armin Vogt und Rosmarie Tissi. Armin Vogt erinnert sich: «Während der Abschlussprüfung sass Willi links neben mir. Wir hatten die Aufgabe, eine Zigarrenpackung zu entwerfen. Zuerst ein paar Skizzen, mit Bleistift, dann der farbige Entwurf. Willi setzte sich hin und malte gleich den Entwurf. Anschliessend zeichnete er pro forma noch ein paar Skizzen und verliess den Raum eine Stunde vor den anderen.» Seine ehemaligen Klassenkollegen beschreiben ihn als souveränen, spontanen, humorvollen und liebenswürdigen Menschen. Rosmarie Tissi hat er mit seinen Faxen und Spässen während des Unterrichts in Buchhaltung bei guter Laune gehalten.

Willi Rieser in einer deutschen Agentur um 1990

Grossformatiger Entwurf für eine Seite in einem geplanten Kochbuch, undatiert. Foto: Schweizerisches Nationalmuseum

Mit Lippenstift und Wangenrouge zum Malverbot

Willi Rieser war der geborene Maler. So sehr, dass er als Kind einmal ein temporäres Malverbot erhielt, weil er die Blumentapete im Elternschlafzimmer mit «Augenbrauen- und Lippenstift, Nagellack und Wangenrouge» grossflächig bemalt hatte. «Eine kühne Komposition. Kraftvoll hingeworfene Farbflächen, durchpeitscht von schwarzen Striemen.» Eine Freundin seiner Mutter war von den Werken des Knaben begeistert und zeigte sie einem Maler, der meinte: «Momoll, Talent, er soll so weitermachen und viel schaffen!» Der Maler, so schreibt Rieser in seinem handschriftlichen Lebenslauf, war Cuno Amiet.

Erfolgreicher Werbegrafiker

Die Hand des Malers und Karikaturisten prägt auch die Plakate des Werbegrafikers Willi Rieser. Fünf wurden von der Jury des EDI als «beste Schweizer Plakate des Jahres» ausgezeichnet. Ein Plakat hat Willi Rieser im Auftrag der Advico AG in Gockhausen für Sinalco gestaltet. Drei Jahre später gehörte er übrigens zu den Mitbegründern des Art Directors Club Schweiz. Er war mittlerweile einer der gefragtesten Illustratoren der Schweiz.

Konsumplakat für Sinalco. Zürich: Wolfensberger, 1971. Die Werbefigur auf dem poppigen Plakat heisst Rita. Sie war ursprünglich für den deutschen Markt bestimmt und warb mit ihrem Partner namens «Der Typ» für Sinalco Kola. Rita und «Der Typ» waren für je 6.60 D-Mark auch als aufblasbare Puppen zu haben; sie genossen Kultstatus. Foto: Schweizerisches Nationalmuseum

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