Russischer Feldzug über die Schweizer Alpen
General Suworow ist in der Innerschweiz bis heute ein Begriff. Der russische Kriegsstratege führte im 18. Jahrhundert einen Feldzug über sieben Alpenpässe von Norditalien bis ins Glarnerland.
Ende des 18. Jahrhunderts erfasste eine Welle des politischen Umbruchs Europa. Beeinflusst von der Aufklärung wurden Freiheitsideale und Menschenrechte diskutiert. Unterschiedliche politische Einstellungen und Weltanschauungen prallten aufeinander. Die Alte Eidgenossenschaft wurde zum Austragungsort kriegerischer Auseinandersetzungen. Im ersten Koalitionskrieg 1792-1797 versuchte die Schweiz, ihre Neutralität zu wahren und geriet dabei immer stärker unter Druck. Die kriegsführenden Parteien europäischer Länder wollten sich strategisch wichtige Passagen über die Alpen sichern. Die locker organisierte Form der Alten Eidgenossenschaft konnte dem militärischen Druck nicht standhalten und wurde 1798 unter französischer Besatzung zur «Helvetischen Republik».
1799 schlossen sich Russland, Österreich und England zum Gegenangriff gegen das mächtige Frankreich zusammen. Auch in der Innerschweiz regte sich Widerstand gegen Frankreich und die neue Helvetische Republik. Russland wurde von den Schweizern als Verbündeter im Kampf gegen die Franzosen angesehen, die Bevölkerung erhoffte sich Hilfe durch die russischen Truppen.
Schlacht auf der Teufelsbrücke
Der mit dem Feldzug beauftragte General Alexander W. Suworow, damals 69 Jahre alt, bereitete einen komplizierten Angriff auf das französisch besetzte Zürich vor. Das Vorgehen war von Anfang an riskant. Bei Lugano schlug Suworows Armee ihr Lager auf, erhielt aber von den Verbündeten weniger Munition und Maultiere als erwartet. Am 21. September 1799 zog er von Taverne im Tessin los Richtung Alpen. Es folgten unerbittliche Kämpfe gegen die Franzosen bei Airolo und in der Tremola am 24. September. Bereits waren 2000 russische Soldaten gefallen oder verletzt. Eine besonders harte Schlacht fand am 25. September auf der Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht statt. Die Soldaten mussten steile Felswände und schneebedeckte Pässe überwinden. Im unwegsamen Gebirge kämpfen sie gegen die feindlichen Truppen und um ihr Leben. Unter grossen Verlusten erreichten sie schliesslich am 26. September Altdorf.
Da die französischen Truppen alle Schiffe am Ufer von Altdorf weggeführt hatten, konnte Suworow seine geplante Route nicht realisieren und musste über den Kinzig-Pass nach Schwyz ausweichen. Im Muotatal trafen zwischen dem 27. September und 4. Oktober tausende Russen und ebenso viele Franzosen aufeinander. Es gelang den Russen, einen Teil der französischen Truppen zurückzuschlagen. Gleichzeitig erfuhr Suworow von der Niederlage der österreichischen und russischen Koalitionspartner bei Zürich und trieb sein Heer über den Pragelpass nach Glarus voran. Im rauen Alpengelände häuften sich die Verluste. Trotzdem zog Suworow über den verschneiten Panixerpass weiter in Richtung Bündnerland.
Die Kampfhandlungen forderten auf beiden Seiten hohe Verluste. Verwundete Soldaten des russischen Heers wurden auf der Strecke zurückgelassen und erfroren in der eisigen Kälte. Kämpfe im Kanton Glarus führten schliesslich zu einer Niederlage der Alliierten im Oktober 1799. Die Herrschaft Frankreichs über das gesamte Gebiet der ehemaligen Eidgenossenschaft wurde im Juli 1800 durchgesetzt.
Die Auswirkungen des Krieges auf die Anwohner waren katastrophal. Das Vieh der Bauern wurde geraubt oder verhungerte, da die Soldaten das Futter für ihre eigenen Lasttiere plünderten. Die Nahrungsvorräte der Bewohner waren aufgebraucht noch bevor der Winter angebrochen war. Häuser wurden angezündet gegen die Kälte. So gingen Teile von Nidwalden in Flammen auf. Die Soldaten raubten Wertsachen und Kirchengut. Verwüstung, Kälte und Hunger beherrschten die Innerschweiz. Teuerung und Missernten im Jahr 1799 trugen zur Misere bei. Die lokale Bevölkerung lebte fortan viele Jahre in Armut und erholte sich nur langsam von den traumatischen Folgen der Feldzüge.
Nachwirkung – der Mythos
Suworows Alpenfeldzug ist noch heute im kollektiven Gedächtnis vieler Innerschweizer präsent. Obschon das Leid der Soldaten und der lokalen Bevölkerung unvergessen bleibt, wurde General Suworow als Hoffnungsträger in Erinnerung behalten. Zur Mythenbildung trugen die Schlachtgemälde von Malern wie Alexander von Kotzebue oder Ker Robert Porter bei. Insbesondere der Kampf auf der Teufelsbrücke ist eine Szene, die von Künstlern über Zeitzeugenüberlieferungen aufgenommen und in heroischen Darstellungen verewigt wurde. Auch in Russland wird der erfolgreiche Feldherr bis heute verehrt. 2009 besuchte der damalige russische Präsident Dmitri Medwedew das Suworow-Denkmal in der Schöllenenschlucht und legte dort einen Kranz nieder. Das zwölf Meter hohe Granitkreuz war 1898 im Auftrag eines russischen Fürsten erbaut worden.