Am 1. Oktober 1968 wird in der Schweiz die erste reguläre Fernsehsendung in Farbe ausgestrahlt. Die erste farbige Einstellung: Ein Blumenstrauss, eben noch in Schwarz-Weiss zu sehen, erblüht plötzlich in voller Farbe. Diesem historischen TV-Ereignis geht ein zähes Ringen um technische Standards voraus. In Europa herrscht Uneinigkeit über die Normierung der Farbfernsehtechnik. In der Schweiz wird die Wahl der technischen Norm zu einem Sprachpolitikum.
Dr. phil., Sammlungskurator für Informations- und Kommunikationstechnologie, Museum für Kommunikation, Bern
Wie so oft beim Entertainment: Es beginnt in den USA. Dort findet die Farbfernseh-Premiere bereits 1954 statt. Da die Farbwiedergabe noch nicht befriedigt und Farbfernsehempfänger teuer sind, setzt sich das Angebot nicht sofort durch. Erst Anfang der 1960er-Jahre flimmern die TV-Geräte in vielen amerikanischen Wohnzimmern zunehmend in Farbe. In Europa dauert der Siegeszug des Farbfernsehens noch etwas länger. Der Grund liegt in einer babylonischen Uneinigkeit betreffend Normierung der Farbfernsehtechnik. Die Nationen haben die Wahl zwischen den Systemen NTSC (USA, Japan), PAL (Deutschland) und SECAM (Frankreich, UdSSR). Hinter jedem System stecken gut vernetzte Interessensgruppen der national verwurzelten Fernmeldeindustrien. 1965 tagen Funktionäre und Fernsehtechniker aus 33 Nationen in Wien an der CCIR-Konferenz (Comité Consultatif International des Radiocommunications) der Union Internationale des Télécommunications UIT, eine Sonderorganisation der UNO. Sie versuchen sich auf einen Standard zu einigen, doch das Vorhaben scheitert. Das Szenario wiederholt sich ein Jahr später an einer Sonderkonferenz in Oslo. So bleibt es jeder europäischen Nation selber überlassen, sich für einen TV-Standard zu entscheiden.
In der Schweiz vertraut der Bund die technischen Belange des Fernsehens wie Sendeanlagen und Studioausrüstung dem Staatsbetrieb PTT (Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe) an. Die PTT-Ingenieure und -Techniker evaluieren in der Folge die drei TV-Systeme, laut PTT-Generaldirektor Fritz Locher «unbelastet von industriellen Interessen und Prestigedenken». Das Resultat ist eindeutig: Die PTT spricht sich zwischen 1965 und 1967 mehrmals für das PAL-System aus. Bei Messungen und Feldversuchen liefert das deutsche System die besten Übertragungsresultate. PAL überzeugte insbesondere in den Schweizer Alpen, wo die Übertragung von TV-Signalen durch die Luft besonders anspruchsvoll ist. Zudem lässt sich mit den meisten der 800‘000 Schwarz-Weiss-Geräten in der Schweiz SECAM nicht empfangen. Ist es zumutbar, all diese Geräte zu ersetzen? Der Bundesrat folgte den PTT-Experten und legte am 15. August 1967 PAL als schweizerische TV-Norm fest. Doch dieser Bundesratsbeschluss erzürnt viele Romands. In der Westschweiz sind künftig Mehrnormen-Farbfernsehgeräte nötig, will man damit auch Programme aus Frankreich empfangen. Die Empörung ist leicht verständlich: Die ersten entsprechenden Geräte kommen 1969 auf den Markt und kosten etwa 4000 Franken – was heute 12‘000 Franken entspricht.
Nach dem Bundesratsbeschluss hat insbesondere die PTT viel Arbeit vor sich. Es gilt das Fernsehnetz sowie die provisorischen Studios technisch hochzurüsten und farbtauglich zu machen. Da in den 1960er-Jahren noch praktisch keine TV-Kabelverbindungen verwendet werden, stützt sich das Netz auf die Richtstrahltechnik ab. Innerhalb von anderthalb Jahren werden die grösseren Sender (u.a. Mont Pèlerin, Chasseral, Bantiger, Jungfraujoch, St. Chrischona, Üetliberg, Albis, Säntis) aber auch Regionalsender und Fernsehumsetzer – zusammen 120 Stationen – farbtüchtig gemacht. Testweise wurden bereits einige Sendungen in Farbe übertragen. So etwa im August 1968 eine Ausgabe der Quizsendung «Dopplet oder nüt» mit Mäni Weber.
Die erste eigenproduzierte Farbfernseh-Sendung des SRF wird zu Testzwecken am 29.August 1968 anlässlich der FERA-Ausstellung (Schweizerische Radio- und Fernseh-Ausstellung) ausgestrahlt. Mäni Weber moderiert in einem orangen Hemd durch eine Ausgabe von «Doppelt oder nüt».SRF
Am 1. Oktober 1968 ist es dann soweit. Nach der Einführung des Farbfernsehens in der BRD, Frankreich, Grossbritannien und den Niederlanden werden nun auch in der Schweiz regelmässig TV-Farbsignale ausgestrahlt. Der SRG-Generaldirektor Marcel Bezençon spricht das Kommando: «Technique, que la couleur soit!» – und der im Zürcher Studio Bellerive stehende Blumenstrauss wird farbig übertragen. Erleben können das TV-Ereignis vergleichsweise wenig Zuschauerinnen und Zuschauer. Zu diesem Zeitpunkt verfügen nur etwa 6000 Schweizer Haushalte über einen Farbfernseher. Bei den restlichen 900‘000 TV-Geräten bleibt der Blumenstrauss grau-weiss-schwarz. Trotzdem ist der Schritt zum Farbfernsehen ein Staatsakt: Neben dem besagten Blumenstrauss hat sich im Studio Bellerive auch Bundesrat Roger Bonvin, Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements, eingefunden. Er erklärt – flankiert von einem Bundesratsweibel – den offiziellen Beginn des Farbfernsehens in der Schweiz und erhofft sich in seiner Ansprache, dass die Farbe auf der Mattscheibe dem Fernsehen mehr Überzeugungskraft bringt und so einen wesentlichen Beitrag zur Verständigung zwischen den Menschen und den Völkern leisten wird. Derweil die schon etwas älteren Herren Bonvin, Bezençon, Locher und SRG-Zentralpräsident André Guinand an diesem TV-Event die Männerwelt vertreten, übernehmen vier junge Damen den weiblichen Part in der Sendung. Die vier hübschen TV-Ansagerinnen repräsentieren die Landessprachen und bekommen von Bundesrat Bonvin je einen Rosenstrauss überreicht. Das als «bunter Fernsehabend» angekündigte Programm wird dann in bester föderalistischer Tradition mit TV-Produktionen aus den vier Landesteilen fortgesetzt. Die Deutschschweiz steuert die Produktion «Holiday in Switzerland» – eine Persiflage auf den Tourismus in der Schweiz – bei. Das Tessiner-Fernsehen ruft in «Il Laghetto di Muzzano» am Beispiel des kleinen Sees nahe Lugano zum Gewässerschutz auf. Die Westschweizer senden mit «Le chanson de Fribourg» einen folkloristischen Beitrag von der Sprachgrenze. Für die rätoromanische Schweiz wird abschliessend der Maler Alois Carigiet portraitiert.
Am 1. Oktober 1968 findet die erste reguläre Sendung in Farbe statt. Die erste farbige Einstellung zeigte einen Blumenstrauss. Anwesend sind u.a. Bundesrat Roger Bonvin und SRG-Generaldirektors Marcel Bezençon.SRF
Dem etwas naiv wirkenden Wunsch von Bundesrat Bonvin – wonach das Farbfernsehen die Völkerverständigung fördern soll – wird entsprochen. Was bei den technischen Normen noch kläglich scheiterte, gelingt europäischen TV-Kooperationen. Vereint sitzt halb Europa seit 1967/1968 vor den TV-Geräten und schaut, falls es das TV-Gerät zulässt, den Schlager-Wettbewerb «Grand Prix Eurovision de la Chanson» oder internationale Sportübertragungen wie die Olympischen Spielen in Farbe. Das TV-Ereignis des Jahrhunderts wird jedoch noch in Schwarz-Weiss übertragen. Als am 20. Juli 1969 Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betritt, werden die Livebilder vom Mond schwarz-weiss gesendet. Dass Abenteuer zunehmend vor der Flimmerkiste lümmelnd erlebt werden, fällt bereits 1967 der Satirezeitschrift «Nebelspalter» auf. Mit Blick auf die Einführung des Farbfernsehens erscheint ein Gedicht, das auch heute – wo das Smartphone den Fernseher längst als Leitfossil abgelöst hat – noch eine gewisse Gültigkeit hat:
Zwischen 1968 und 1970 wird die Farbfernsehinfrastruktur weiter verbessert. Bereits Ende 1970 strahlt die SRG 40 Prozent der Programmstunden in Farbe aus. Für das Übertragen von Events ausserhalb der TV-Studios erhält die SRG 1970 grosse Fernsehreportagewagen. Nun ist es auch möglich Skirennen oder Fussballspiele in Farbe zu übertragen. Letzteres stellt die Techniker vor heute schwer vorstellbare Herausforderungen. Wie sich Techniker Günter Kaiser in einem Fernsehbeitrag erinnert, musste auf dem Rasen jeweils mit einem riesigen, auf Karton aufgezogenen Testbild hantiert werden, um die Kameras zu justieren. Es galt, in allen Einstellungen den Rasen im gleichen grün zu zeigen. Auch im Studio lagen die Schwierigkeiten teilweise im Detail. Wie Fernsehansagerin Dorothea Furrer – im Volksmund schlicht «Schätzli der Nation» – rapportiert, machte in der Anfangszeit ein sommerlich-braungebrannter Teint Probleme. In Farbe gezeigt, ergab dies einen «hässlichen Grauton».
Die Umstellung auf Farbfernsehen wurde 1977 grösstenteils abgeschlossen und dauerte damit praktisch zehn Jahre. In diesem Jahr ging auch das letzte Tessiner-Studio in Comano in Farbe auf Sendung. Konnten Ende 1969 erst drei Prozent der Fernsehgeräte in der Schweiz Farbsignale empfangen, so waren es zehn Jahre später etwa 60 Prozent. Viele TV-Konsumentinnen und -Konsumenten stellten demnach behutsam auf Farbfernsehen um. Für viele Familien galt es zuerst, das seinerzeit teuer angeschaffte Schwarz-Weiss-Gerät zu amortisieren. Erst in den 1980er-Jahren verschwinden die letzten solchen Geräte aus den Wohnstuben und wandern in den Müll oder vereinzelt in Museumssammlungen.
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